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Mehr Truthahn

Irak/USA. Seinen persönlichen Truthahn hat US-Präsident George W. Bush der Tradition gemäß begnadigt. Weniger Glück hatte das Federvieh, das für das Thanksgiving-Essen der US-Soldaten im Irak ausgewählt wurde. Fast 40 Tonnen Truthahnfleisch wurden importiert, so dass Bush, der sich als Überraschungsgast in Bagdad einfand, Thanksgiving nicht als Vegetarier feiern musste.

Auf Spaziergänge in Bagdad und ein Bad in der Menge verzichtete Bush, er traf sich jedoch mit vier Vertretern des irakischen Regierungsrats, um über die schiitischen Proteste gegen die Pläne für eine neue Verfassung und eine Machtübergabe im Juni kommenden Jahres zu sprechen. Ayatollah Ali Sistani, der angesehenste schiitische Geistliche des Landes, vermisst einen Bezug auf den Islam und kritisierte, dass die geplante Übergangsregierung nicht direkt gewählt werden soll. Seine Position wird vom Sciri und der Dawa-Partei, den wichtigsten schiitischen Organisationen, unterstützt, die sich eine starke Stellung in der neuen Verwaltung sichern wollen. Und da die US-Regierung es sich nicht leisten kann, sie gegen sich aufzubringen, hat sie Kompromissbereitschaft signalisiert.

Mehr Hunger

Vereinte Nationen. »Es gibt genug Nahrung für alle«, betonte Hartwig de Haen, Vizegeneraldirektor der FAO, bei der Vorstellung des neuen Welternährungsberichts am Dienstag der vergangenen Woche. Dennoch sei die Zahl der Hungernden in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre um 18 Millionen auf nunmehr 842 Millionen gestiegen, in diesem Jahr waren 36 Staaten auf ausländische Nahrungsmittelhilfe angewiesen. Vor allem in Bürgerkriegsgebieten, aber auch in einigen aufstrebenden kapitalistischen Staaten wie Indien sind einer wachsenden Zahl von Menschen Nahrungsmittel verwehrt.

Dass der Anstieg ausgerechnet im Jahr 1996 begann, in dem der Welternährungsgipfel in Rom beschlossen hatte, die Zahl der Hungernden bis 2015 auf die Hälfte zu reduzieren, ist ein weiterer Beleg für den begrenzten Wert der Absichtserklärungen der »internationalen Gemeinschaft«. De Haen aber gibt nicht auf, er kritisierte die westlichen Agrarsubventionen, die viele Bauern in armen Ländern ruinieren, und mahnte ein »globales Programm gegen den Hunger« an.

Auf der Jagd nach Piqueteros

Argentinien. Die Arbeitslosenorganisation MTD machte mobil am Dienstag vergangener Woche. In dem Armenviertel San Lorenzo von Neuquén protestierten die Piqueteros gegen die geplante Einführung einer Magnetkarte, mit der Unterstützung für Arbeitslose ausgezahlt werden soll. Mit ihr könne man nur in bestimmten Supermärkten einkaufen, war ein Kritikpunkt.

Die Antwort der Polizei war brachial: Gummigeschosse, scharfe Schüsse, Folter auf dem Polizeirevier, 22 Verletzte, neun davon mit Schusswunden. Pedro Alveal, einen 20jährigern MTD-Aktivisten, der in der Keramikfabrik Zanon beschäftigt ist, erwischte es am schlimmsten: eine Kugel im Bauch, mehr als 60 Male von Gummigeschossen am ganzen Körper, Verhaftung, fünf Stunden Schläge auf dem Polizeirevier, ein Auge verloren. Gewerkschaften, Menschenrechtsorganisationen, Piqueteros u.a. haben Strafanzeige gegen die Polizei gestellt. Am Mittwoch demonstrierten etwa 3 000 Piqueteros, Gewerkschafter und Studenten in Neuquén gegen die Repression. Die lokalen Behörden beteuern ihren »Willen zum Dialog«.

Guter Engel

Chile. Ehemalige Diktatoren haben manchmal einen eigenwilligen Humor. Er sei stets ein »guter Engel« gewesen, erläuterte Augusto Pinochet anlässlich seines 88. Geburtstags in einem Fernsehinterview. Er sehe keinen Grund, sich zu entschuldigen, polterte er, schließlich habe er niemals Hinrichtungen angeordnet. Vielmehr müssten »Marxisten und Kommunisten« ihn um Vergebung für ihre Mordversuche bitten. Pinochet wird bis heute von der chilenischen Rechten als »Retter des Vaterlandes« verherrlicht. Seiner von 1973 bis 1990 währenden faschistischen Diktatur fielen Schätzungen zufolge mindestens 3 000 Menschen zum Opfer, die entweder ermordet wurden oder bis heute als »vermisst« gelten.

Was mit vielen der »Vermissten« geschah, enthüllt ein kürzlich veröffentlichter Untersuchungsbericht des chilenischen Richters Juan Guzmán, der gegenwärtig für einen der größten politischen Skandale der Ära nach Pinochet sorgt. Nach der bewährten Methode der Militärjunta des Nachbarlandes Argentinien wurden linke Oppositionelle in Säcken verpackt und von Hubschraubern oder Flugzeugen über dem offenen Meer abgeworfen. 500 Menschen soll die Geheimpolizei Dina auf diese Weise zwischen 1974 und 1978 umgebracht haben.

Paramilitärs ohne Waffen

Kolumbien. »Keiner der heute demobilisierten Männer wird jemals wieder zur Waffe greifen«, versprach Giovanni Marin, Kommandant der mehr als 800 Paramilitärs, die in der letzten Woche in Medellín ihre Gewehre ablieferten. Bis 2005 soll die Demobilisierung der 13 000 Mann starken Einheiten zur Selbstverteidigung Kolumbiens (AUC) abgeschlossen sein.

Doch nicht jeder mag den Versprechen der rechtsextremen Konterguerilleros glauben, die zu einem großen Teil aus der Polizei und der Armee rekrutiert wurden und mit dem regulären Militär zusammenarbeiten. Niemand überprüft, ob die Demobilisierten tatsächlich Paramilitärs waren oder speziell für die Waffenabgabe rekrutiert wurden. Menschenrechtsorganisationen kritisierten die »Kultur der Straflosigkeit«, denn die Bereitschaft, die Waffen abzugeben, wird mit einer faktischen Amnestie honoriert. Die Führer der AUC wollen sich jedoch frühestens nach einer offiziellen Amnestie stellen, und es gibt keine Garantie dafür, dass sie nicht neue Truppen rekrutieren. »Es ist unvorsichtig, jetzt schon Siegesgesänge anzustimmen«, resümierte die Medellíner Tageszeitung El Colombiano.