Eiland unter

Das Conne Island in Leipzig ist in Gefahr. Weil die »Antifa-Mark« nicht an Vereine ging, wurde dem Zentrum die Gemeinnützigkeit abgesprochen. von claudia seidel

Es schneit Papierschnipsel. Einige hundert Bild-Zeitungen gingen dafür drauf. Trotzdem hält sich die Weihnachtsstimmung an diesem ersten Advent in Grenzen. Während viele BürgerInnen Leipzigs auf den riesigen Weihnachtsmarkt gestürmt sind, um endlich, dem für die Jahreszeit zu milden Wetter trotzend, Adventsgefühle aufkommen zu lassen, treffen sich auf dem Südplatz der Stadt 800 DemonstrantInnen, die »dem Finanzamt II den Kampf ansagen« wollen.

Ihnen geht es um die Existenz des Conne Island, eines der wichtigsten und größten Zentren für Jugend-, Sub- und Popkultur in Leipzig. Sie steht auf dem Spiel, weil dem Trägerverein Projekt Verein e.V. kürzlich vom Finanzamt die Gemeinnützigkeit abgesprochen wurde. Deshalb wird das soziokulturelle Zentrum auf Fördergelder verzichten müssen. Sein faktisches Ende steht bevor, wenn die Entscheidung beibehalten wird.

Mit der Gemeinnützigkeit ist es so eine Sache. Sie wird einem eingetragenen Verein ausgesprochen, wenn er »ausschließlich, unmittelbar und selbstlos gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgt«. Dem Conne Island wurde zum einen die Möglichkeit für politische und kulturelle Initiativen, sich im Zentrum zu treffen, als gemeinnutzschädigend ausgelegt, zum anderen die Weitergabe der so genannten »Antifa-Mark« an antifaschistische Gruppen und Initiativen. Der Amtsvorsteher des Finanzamtes II, Curt-Hildebrand von Einsiedel, räumte sich aber eine Bedenkzeit von zwei Wochen ein. Am 10. Dezember will er eine neue Stellungnahme gegenüber dem Conne Island abgeben.

Als die BetreiberInnen des Zentrums 1999 die »Antifa-Mark« einführten, ahnten sie nicht, dass sie irgendwann ihre Existenz bedrohen könnte. Der auf jeden Eintrittspreis aufgeschlagene Obolus kam antifaschistischen den Initiativen und ihrem Engagement gegen Nazis und Rassismus zu Gute, erklärt Christian Schneider, der Geschäftsführer. Er räumt ein, dass in der Vergangenheit formale Fehler gemacht wurden. Die aber waren dem Finanzamt schon Grund genug, die Gemeinnützigkeit grundsätzlich in Frage zu stellen. So lehnte die zuständige Sachbearbeiterin den Antrag auf vorläufige Gemeinnützigkeit ohne Angabe von Gründen ab.

Sabine Bikowski schweigt zu dem Thema. Sie beruft sich auf das Steuergeheimnis. »Ich darf nichts sagen und nichts weiterleiten.« Weiterleiten tut sie dennoch, zumindest zum Geschäftsstellenleiter des Finanzamtes II, Christoph Kindler. Er sagt der Jungle World, ein konstruktives Gespräch sei nicht möglich. Aber eine Alternative zu einem geschlossenen Kulturzentrum gebe es immer.

Als Grund für die negative Bescheidung vorheriger Anträge diente der Sachbearbeiterin die Unterstützung politischer und kultureller Initiativen ohne den offiziellen Status der Gemeinnützigkeit.

Die Satzung des Projekt Vereins aus dem Gründungsjahr 1991 besagt, dass der »Zweck des Vereins die Förderung von Bildung, Sport, Kunst und Kultur und eine offene kontinuierliche und unabhängige Arbeit mit und für Jugendliche« ist. Ihre Arbeit entspreche voll und ganz der durch das Finanzamt anerkannten Satzung, sagen die Leute vom Conne Island. Von Anfang an sei es ihr Ziel gewesen, einen offenen Treff für kulturell und politisch engagierte Jugendliche einzurichten.

Der Finanzamtsvorsteher von Einsiedel behauptet dagegen, dass es Nichtvereinsmitgliedern nicht einmal gestattet sei, Bücher zu lesen oder zu nutzen, die das Conne Island von den Fördergeldern gekauft habe.

Die kommunalen Fördermittel würden mit der Aberkennung der Gemeinnützigkeit wegfallen. Auch verlöre der Verein den Vorteil der Steuerbefreiung, z.B. von Körperschafts- und Gewerbesteuer, und Spenden an ihn ließen sich nicht mehr von der Steuer absetzen. Da auch die Immobilie, also die Konzerthalle, die Halle mit der Skaterbahn und das Café, der Stadt Leipzig gehören, könnte sie dem Conne Island den Mietvertrag kündigen. Zur Zeit übernimmt die Stadt auch einen Teil der Personalkosten, der Miete und der Nebenkosten.

»Unsere Arbeit wird von der Stadtverwaltung Leipzig geschätzt, besonders dem Kulturamt«, sagt Christian Schneider. Er beruft sich gern darauf, dass noch 1999 der Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) zu Besuch war und die Arbeit des Vereins lobte. Für die »geleistete antifaschistische Präventionsarbeit« wurde das Zentrum im selben Jahr mit einem Preis der Heinrich-Böll-Stiftung ausgezeichnet. Aber inzwischen ist diese Zeit längst vorbei.

Der Kultur- sowie der Jugendhilfeetat der Stadt bekommen im kommenden Jahr jeweils zehn Prozent weniger Geld als bisher. Schließlich steht die Entscheidung vor der Tür, ob die Olympischen Spiele 2012 in Leipzig stattfinden werden oder nicht. Die allgemeinen Einsparungen betreffen auch viele andere kulturelle Jugendprojekte, wie zum Beispiel das Werk II, die Halle 5, das Haus Steinstraße oder die Villa. Aber die Entscheidung, ob dem Conne Island die Gemeinnützigkeit ab- oder zuerkannt wird, hängt allein vom Leipziger Finanzamt ab.

Zur Demonstration an diesem ersten Adventsonntag sind weitaus mehr Menschen gekommen als noch am 26. November, als etwa 150 Personen dem Vorsteher des Finanzamtes II einen Besuch abstatteten, um ihm die kulturelle und politische Dimension der Entscheidung seiner Behörde zu verdeutlichen. Ihre Gründe, für den Erhalt des Conne Island zu kämpfen, sind ganz unterschiedlich.

Durch die Massen drängelnd, trifft man auf Jugendliche wie Johannes Schulze. Er ist Skater und sagt, dass er im Winter nur ins Conne Island gehen könne, da es in Leipzig keine andere Möglichkeit gebe. Sein Freund schließt sich seiner Meinung mit einem Kopfnicken an. »Ich gehe wegen der Größen aus England zu Konzerten ins Conne Island«, erklärt Peter Schellenberg. Er glaubt, dass viele junge Menschen nicht mehr wissen werden, wohin sie gehen sollen, falls das Zentrum schließt. Andere sind nicht wegen des Conne Island gekommen, sondern wegen »der Linken in Leipzig an sich«. So begründet es eine Demonstrantin.

»Das Conne Island ist das, was das Land braucht«, sagt ein Demonstrant. Ein anderer erklärt, dass ihm die Leute dort zwar inzwischen zu elitär geworden seien, aber er verbinde die guten, alten Zeiten mit dem Club. »Zurück zu den Kämpfen der neunziger Jahre«, schallt es denn auch aus dem Lautsprecher des Wagens, der die Demonstration begleitet.

Der »Kampf« bleibt schließlich aus. Polizisten sperren den Weihnachtsmarkt ab, und die Menge geht friedlich nach Hause. Aber vielleicht wird die von den VeranstalterInnen prophezeite »heiße statt weiße Weihnacht« ja noch stattfinden. Demonstrationen soll es auch an den kommenden Adventsonntagen geben.