Einstieg in die Ausfuhr

Rot-grüner Atomdeal von pascal beucker

Es hatte etwas von großem Kino. Per Live-Schaltung aus Neapel hatte sich Joschka Fischer Ende November zum Bundesparteitag der Grünen nach Dresden projizieren lassen, um die Delegierten auf die Europawahl einzustimmen. »Die Grünen sind die einzige Kraft, die einen gesamteuropäischen Wahlkampf führt«, rief er von einer Leinwand seinem Fußvolk zu.

Seit vergangener Woche dürfte dieser Satz vor allem den finnischen Grünen in einem anderen Licht erscheinen.

Denn noch vor Weihnachten will die rot-grüne Bundesregierung über eine Hermesbürgschaft für den Siemens-Konzern zum Bau eines Atomreaktors in Finnland entscheiden. Das ist ein besonders nettes Geschenk an Fischers finnische Freunde. Die dortigen Grünen traten schließlich wegen der Atompolitik ihrer Regierung aus der Koalition aus. Doch nicht nur auf Europa bleibt das grüne Wirken beschränkt. So soll auch die Hanauer Brennelemente-Fabrik nach China verscherbelt werden – ausgerechnet jene Siemens-Anlage, an der 1987 die erste rot-grüne Koalition in Hessen zerbrach.

»AKW-Ausstieg nur mit uns«, lautete ein grünes Wahlkampfmotto. Jetzt heißt es, man müsse die »Realitäten hinnehmen«, dass andere Staaten neue Atomkraftwerke bauten, erklärt der Regierungssprecher Thomas Steg. Und bei den lukrativen Geschäften darf die deutsche Industrie natürlich nicht im Abseits stehen. »Da hängen unmittelbar Arbeitsplätze dran«, klagt Steg. Na dann.

Es gebe machmal »Situationen, in denen man bittere Entscheidungen treffen muss«, rechtfertigte Fischer das Geschäft mit China, dem er schon vor Monaten zugestimmt haben soll. Der Vorgang sei ein »Sprengstoff für die Koalition«, meinte hingegen sein Parteikollege Winfried Hermann.

Letzteres ist natürlich Unsinn. Als könne der Export einer Plutoniumfabrik tatsächlich bewirken, dass die grüne Regierungsbeteiligung ernsthaft in Frage gestellt wird. Das haben ja noch nicht einmal deutsche Kriegseinsätze geschafft. Der Parteivorsitzende Reinhard Bütikofer machte denn auch sofort deutlich, wie das grüne Krisenmanagement aussehen soll. Die Grünen wollten »die rechtlichen und politischen Möglichkeiten voll ausschöpfen«, um den Export der Anlage abzuwenden. »Die Ehrlichkeit gebietet es allerdings, jetzt nicht so zu tun, als könnten wir garantieren, das Hanau-Geschäft zu verhindern«, sagte Bütikofer. Eine routinierte Rhetorik zur Besänftigung der Wähler.

»Seit Tschernobyl wissen wir, dass die Nutzung des Atoms zur Energieproduktion eine grenzenlose Bedrohung für die Menschen darstellt«, schrieb Fischer im Jahr 1986. Damals war er noch Umweltminister in Hessen und wusste, wie er seine Anhängerschaft zu bedienen hatte. Heute scheint er das nicht mehr zu wissen. Da überkommt sogar die Kommentatorin des Berliner Tagesspiegels, Tissy Bruns, ein bisschen Mitleid: »Ein Hauch von Endzeit kommt auf, wenn Fischer und Schröder das politische Fingerspitzengefühl so abhanden gekommen ist.«

Tissy Bruns weiß, wovon sie spricht. Ihre frühere Partei hatte schließlich jahrzehntelang verkündet, in der Bundesrepublik sei Atomenergie gefährlich, in den sozialistischen Staaten jedoch sozialistisch. Eine Atomanlage nach China zu liefern, auf diese Idee ist allerdings nicht einmal die DKP gekommen.