»Gegen die Besatzung und den Terror«

Aso Jabbar

Aso Jabbar ist Mitglied der Arbeiterkommunistischen Partei Irak (AKPI), Koordinator der Gewerkschaft der Arbeitslosen im Irak und der »Organisation der Freiheit der Frauen in Irak« in der Schweiz sowie Chefredakteur u.a. des Forward Brief, einer deutschsprachigen Veröffentlichung der AKPI. Die AKPI ist eine v.a. in der nordirakischen Stadt Sulemaniya aktive rätekommunistische Gruppe, die überwiegend aus jungen KurdInnen besteht. Obwohl sie bei den Gemeinderatswahlen der fast eine Million EinwohnerInnen zählenden Stadt Sulemaniya nur knapp 300 Stimmen bekam, ist sie nach der Irakischen Kommunistischen Partei, die anders als die AKPI im Regierungsrat vertreten ist, die einzige im Irak selbst zumindest regional aktive kommunistische Gruppierung. Das Gespräch führte Thomas Schmidinger.

Die AKPI fordert ein rasches Ende der Besatzung und unterstützt den zivilen Protest gegen die Besatzungstruppen. Wie lautet ihre Position zur Besatzung, zum Regierungsrat und zu den Anschlägen im Irak?

Wir sehen heute im Irak die Fortsetzung eines terroristischen Wettbewerbs zwischen den USA und dem politischen Islam, wie er nach den Ereignissen des 11. September begonnen hat. Die USA wollen ihre Hegemonie und ihre militärische Dominanz der Welt aufzwingen. Der politische Islam will seine Ziele und seine unmenschliche Politik mit Gewalt durchsetzen.

Der Konflikt im Irak kann nicht auf einen Konflikt zwischen Besatzern und Widerstand reduziert werden. Nur weil Leute gegen die Besatzung sind, heißt das noch lange nicht, dass es sich dabei um eine fortschrittliche Bewegung handelt. Der Widerstand arabischer Nationalisten oder des politischen Islam ist extrem reaktionär und menschenverachtend. Diese Gruppierungen können nichts zur Befreiung der irakischen Bevölkerung beitragen. Die traditionelle Linke in Europa begeht einen schweren Fehler, wenn sie die militärischen Angriffe und terroristischen Anschläge von islamistischen und nationalistischen Bewegungen für legitime Angriffe auf den US-Imperialismus hält. Selbstverständlich gibt es nach Jahrzehnten der ba’athistischen Diktatur und des grausamen Embargos gegen die irakische Gesellschaft viel Unmut im Irak, den sich die Ba’athisten und Islamisten zu Nutze machen wollen. Diese Anschläge, die auch ständig gegen zivile Ziele und zivile Infrastruktur gerichtet sind, können jedoch keinerlei emanzipatorischen Beitrag leisten, sondern werden von uns aufs Schärfste verurteilt. Wir sind gegen die Besatzung, aber unser Einsatz für einen unabhängigen Irak hat nichts mit den terroristischen Methoden dieses »Widerstands« zu tun.

Wir glauben, dass ein politischer Massenkampf die geeignete Form des Widerstands darstellt. Dieser politische Kampf kann helfen, Millionen von Menschen zu organisieren, die gemeinsam für einen Irak eintreten, der weder ethnisch noch religiös definiert wird. Wir kämpfen mit diesen Mitteln für eine säkulare sozialistische Republik im Irak.

Bekannt wurde die AKPI wegen ihrer Aktivitäten in den Arbeitslosengruppen, deren Demonstrationen sie unterstützt. Wie sieht diese Arbeitslosenbewegung im Irak aus?

Angesichts der weit verbreiteten Arbeitslosigkeit, des Hungers und der Gleichgültigkeit der US-Zivilverwaltung gegenüber der Notlage der Massen im Irak hat am 1. Mai 2003 eine Gruppe von Arbeiteraktivisten die Arbeitslosenunion UUI gegründet. Mehr als 130 000 Arbeitslose haben sich der UUI angeschlossen, und die Mitgliedschaft wächst sehr schnell. Die meisten der Arbeitslosenaktivisten sind auch Aktivisten unserer Partei. Die UUI arbeitet auch sehr eng mit dem Vorbereitenden Ausschuss für die Gründung der Arbeiterräte und Gewerkschaften in Irak zusammen und hat Büros in einigen größeren Städten wie Bagdad, Nasiriyah oder Kirkuk. Sie fordert Arbeitsplätze oder 100 US-Dollar Arbeitslosenunterstützung, eine Rolle bei der Verteilung humanitärer Hilfe und bei der Verteilung von Arbeitsplätzen sowie eine Anerkennung als Vertretung der Arbeitslosen durch die US-Zivilverwaltung. In den letzten Monaten kam es immer wieder zu Demonstrationen der Arbeitslosen, an denen Tausende teilgenommen haben.

Sind unter diesen Arbeitslosen nicht auch viele Ba’athisten, die jetzt aus dem Staatsdienst entlassen wurden, und Polizisten oder Militärs, die sich Menschenrechtsverletzungen schuldig gemacht haben?

Die irakischen Militärs, die für schwere Menschenrechtsverletzung verantwortlich sind, sind nicht Mitglieder in der UUI. Wir betrachten diese Leute nicht als Arbeitslose, sondern als Verbrecher, die vor Gericht gebracht werden sollten. Allerdings hat das Ba’ath-Regime Millionen von Menschen gezwungen, sich der Ba’ath Partei anzuschließen, um eine Arbeit zu finden und nicht diskriminiert, festgenommen oder gefoltert zu werden. Heute gibt es im Irak tausende Menschen, die Mitglieder der Ba’ath-Partei waren, aber keine Verbrechen begangen haben. Mit diesen Leuten haben wir in der UUI nie Probleme gehabt.

Nicht nur in sozialen Fragen, auch im Bereich der Frauenrechte scheint die AKPI eine der kompromisslosesten Positionen in der irakischen Linken einzunehmen. Dabei hat die AKPI Befürchtungen geäußert, dass der Machtzuwachs islamischer Gruppierungen die Rechte der Frauen gefährde. Wie sieht die Realität im Irak heute aus?

Die Hauptprobleme der Frauen im Irak sind die Unsicherheit sowie der Druck von Seiten ihrer Familien und von islamistischen Gruppen. Es gibt zum Beispiel kein Gericht, das die Tötung von Frauen durch ihre Familie verfolgen würde. Auch Vergewaltigungen sind alltäglich. Die Organisation der Freiheit von Frauen im Irak (OFWI) dokumentierte in den letzten Monaten 400 Vergewaltigungen.

Die OWFI ist die einzige irakische Frauenorganisation, die sich offen sowohl gegen die amerikanische Besatzung als auch gegen islamistische Reaktionäre ausgesprochen hat. Der amerikanische Krieg hat nicht zur »Befreiung« der irakischen Bevölkerung geführt, sondern zu einem gewaltsamen Backlash gegen irakische Frauen.

Wie war die Situation für Frauen unter dem Ba’ath-Regime?

Die Frauenrechte, die bis in die sechziger Jahre große Fortschritte machten und auch das Recht auf Reisen, höhere Bildung und die Wahl des Ehemannes einschlossen, wurden unter dem Ba’ath-Regime nicht aus-, sondern abgebaut. In den achtziger Jahren wurden Frauen unter dem Vorwand des Krieges gegen den Iran dazu gedrängt, zu Hause zu bleiben und sich um die Kinder zu kümmern. Familiengesetze, die Frauen geschützt hatten, wurden ab Mitte der achtziger Jahre bis 1991 geändert. Die Strafgerichte verfolgten die Täter von »Ehrentötungen« und öffentlichen Exekutionen von Frauen nicht mehr.

Welche Rolle spielen Frauen in der AKPI?

Sozialismus und Kommunismus sind nicht vorstellbar ohne die Befreiung der Frauen von sexueller Diskriminierung, Männerherrschaft und Kapitalismus. Bei uns ist der Frauenanteil höher als in jeder anderen irakischen Partei. In den letzten Runden der Wahlen des 3. Parteikongresses stellten die Frauen mehr als 50 Prozent der Kandidaten. Drei Frauen, Yanar Mohammad, Nadia Mahmoud und Nasik Ahmad, haben die meisten Stimmen gewonnen.

Welche Zukunft sehen Sie für den Irak?

Ohne die Bewegung der Linken, die im Wesentlichen von unserer Partei, der UUI, der Frauenbewegung und der Arbeiterbewegung repräsentiert wird, sähe die Zukunft des Irak düster aus. Wir stellen das Haupthindernis für die US-Besatzung einerseits und den Versuch der Islamisten, den Irak zu einem islamistischen Staat zu machen, andererseits dar. Solange wir für unsere Ziele kämpfen, sehe ich trotz der negativen Entwicklungen der Besatzung und des Terrors Chancen für eine emanzipatorische Entwicklung im Irak.