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Innere Feinderklärung

Schweiz. Eine bittere Erfahrung mussten vergangene Woche die streikenden Arbeiter des Reinacher Verpackungsunternehmens Allpack machen, die gegen die Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen kämpfen. So sollen die Arbeitszeiten länger, die Ferien kürzer und die Ansprüche auf Mutterschaftsurlaub geringer werden. Nachdem der Unternehmensleitung und einigen Streikbrechern der Zutritt zur Firma verwehrt worden war, griffen Beamte der extra eingeflogenen Sondereinheit Terrorismusbekämpfung (Zodiac) die Streikposten an. Drei Streikende wurden dabei verletzt.

Die Zodiac-Cops führten bei ihrem Einsatz eine neuartige Waffe mit sich. Dieses Gerät, das auch Holzprojektile vom Kaliber 40 mm verschießen kann, setzte die US-Polizei bereits im April dieses Jahres gegen Antikriegsdemonstranten in Oakland/Ohio ein. Nur durch Zufall kam es damals nicht zu Toten.

Zur Standardausrüstung der Schweizer Polizei gehören seit der autonomen Jugendrevolte in den achtziger Jahren so genannte Gummischrotgewehre, von denen reger Gebrauch gemacht wird. Im Oktober schossen Beamte Gummischrotprojektile auf Kopfhöhe in eine »reclaim the streets«-Party und verletzten einen Teilnehmer schwer.

No entry

Niederlande. Die konservative Stadtregierung von Rotterdam hat einen spektakulären Maßnahmenkatalog zur so genannten Armutsbekämpfung vorgelegt. Er sieht vor, künftig nur noch solchen Bürgern ein Niederlassungsrecht einzuräumen, deren monatliches Einkommen 120 Prozent über dem Mindestlohn liegt. Zudem soll Migranten, die den Kriterien zur Integration und Einbürgerung nicht genügen, das Recht auf freie Wahl des Wohnortes aberkannt werden. Generell möchte man den weiteren Zuzug nicht europäischer Migranten verhindern. Für die nächsten vier Jahre soll die Aufnahme von Asylbewerbern gestoppt und jeder aufgegriffene illegale Flüchtling konsequent abgeschoben werden. Vermietern, die Illegalen eine Unterkunft gewähren, wird eine härtere Bestrafung in Aussicht gestellt. Der Maßnahmenkatalog liest sich folglich wie eine Kriegserklärung an Migranten, Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger.

Die Regierungskoalition in Den Haag reagierte positiv auf die Vorschläge aus Rotterdam, möchte aber noch einmal darüber diskutieren. Denn Voraussetzung für die politische Umsetzung des rassistischen Katalogs sind Änderungen im niederländischen Ausländer- und Wohnrecht.

Gemeinsam ist’s schöner

Österreich/Deutschland. Sie sind sicher verblüfft. Doch der österreichische Polizeibeamte, der soeben ihr Auto stoppt und um Ihre Papiere bittet, ist keine Fata Morgana und hat sich auch nicht verirrt. Denn mit dem unlängst geschlossenen deutsch-österreichischen Polizei- und Justizvertrag ist so etwas durchaus möglich.

Das Abkommen soll am 1. Januar in Kraft treten und regelt vor allem den Austausch von sensiblen Daten wie Fingerabdrücken und Personenprofilen zwischen den Polizei- und Justizbehörden beider Länder. Überdies räumt es den jeweiligen Polizeibehörden weitgehende Hoheitsbefugnisse auf dem Territorium des Nachbarstaates bei der grenzüberschreitenden Verfolgung und Observation von Straftätern ein.

Für die nahe Zukunft sind vergleichbare Abkommen geplant. Schon 1999 kam ein ähnlicher Vertrag zwischen Deutschland und der Schweiz zu Stande. So waren beispielsweise deutsche Polizeieinheiten mit Wasserwerfern bei den diesjährigen Protesten gegen das WTO-Treffen in Davos im Einsatz. Auch mit dem Nachbarland und EU-Anwärter Polen kooperiert man bereits seit längerem bei der paramilitärischen Abschottung der gemeinsamen Grenze gegen unerwünschte Flüchtlinge.

Francos langer Schatten

Spanien. Spanien feierte am vergangenen Samstag den 25. Jahrestag der Proklamation der demokratischen Verfassung. Doch unter den Verfolgten des Franco-Regimes konnte keine richtige Feierstimmung aufkommen, denn die konservative Regierungspartei Partido Popular verweigerte ihnen die offizielle Ehrung als Opfer des spanischen Faschismus. Ein entsprechender Antrag des sozialistischen Fraktionssprechers Jesús Caldera wurde abgelehnt.

Spanische Historiker beziffern die Zahl der Hinrichtungen durch frankistische Truppen während des Bürgerkriegs auf 140 000. Etwa 280 000 Gefangene wurden nach dem Kriegsende zu langjähriger Zwangsarbeit verurteilt. Bis heute verhindern die katholische Kirche Spaniens und konservative Parteien und Verbände eine gesellschaftliche Debatte über die Verbrechen Francos.

Bei einem Festakt im spanischen Parlament, dem die Abgeordneten der Volkspartei demonstrativ fernblieben, verkündete der Abgeordnete Felipe Alcaraz von der Vereinigten Linken: »Wir werden vergeben, aber wir werden niemals vergessen.« Weitere Redner forderten einen jährlichen Gedenktag zu Ehren der Opfer und eine Aufhebung der Unrechtsurteile der Franco-Justiz.

Religiöser Terror

Türkei. Anfang nächsten Jahres wird Baschar al Assad als erster syrischer Staatspräsident die Türkei besuchen. Vorsorglich hat er schon ein Gastgeschenk nach Ankara geschickt. Am vergangenen Wochenende lieferte Syrien überraschend 22 türkische Staatsangehörige an das Nachbarland aus, die einer Verbindung zu den Selbstmordanschlägen in Istanbul verdächtigt werden. Die Tageszeitung Hürriyet hatte zuvor von einer islamischen Schule in Damaskus berichtet, an der die Ausgelieferten als Lehrer oder Schüler tätig waren.

Trotz dieses Hintergrundes fällt dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan die Wahl der Worte schwer. Um die Bezeichnung »islamisch« zu vermeiden, sprach er im Zusammenhang mit der Auslieferung und den Anschlägen nur von »religiösem Terror«.