Ran an die Wurst!

Berlin steht die Einführung einer Kiezpolizei bevor, die gegen wildes Grillen, Autowracks und Hundekot vorgehen soll. von arne norden

Berliner Parkanlagen sind nicht erst seit dem Jahrhundertsommer Schauplätze ordnungspolitischer Kämpfe. Wo schon Grillkolonien gegen behördliche Parkschützer rebellierten, droht nun neues Ungemach. Nicht nur Grillwürste, auch die ähnlich geformten Hinterlassenschaften von Vierbeinern geraten ins Visier. Eine »Kiezpolizei« (Berliner Zeitung) soll künftig für Ordnung und Sauberkeit sorgen.

Davon ahnt man im Monbijou-Park dieser Tage nichts. Keine Patrouille stört das Gassigehen, noch wird die Grünanlage nicht »bestreift«. Trotz der Abwesenheit jedweder staatlichen Aufsicht ist es nicht leicht, eine frisch gelegte Hundewurst zu entdecken. Von einem schließlich aufgefundenen stattlichen Haufen allerdings auf den Urheber unter den zahlreichen Kläffern zu schließen, ist ein Ding der Unmöglichkeit.

Sicher, angesichts der Ausmaße fällt der Verdacht sofort auf den gigantischen Mischlingsrüden, eine Art Pferdehund. Dagegen dürfte der kleine Terrier mit Schleifchen im Haar nicht annähernd zur Produktion von Würsten dieser Gewichtsklasse in der Lage sein. »Im Zweifel für den Angeklagten« muss aber auch hier gelten.

Des Menschen besten Freund auf frischer Tat beim Abführen zu erwischen, ist nicht ohne Tücken. Mal versteckt sich die Töle geschickt in einem Gebüsch, mal entscheidet sich eine im letzten Moment anders und schlägt nur Wasser ab. Hat man schließlich einen Köter beim Stuhlgang im Blick, zückt Frauchen tatsächlich Tüte und Schippe, um das Ergebnis zu entsorgen.

Solche und andere Schwierigkeiten werden nach den Plänen der Senatsverwaltung für Inneres jedoch bald in kompetente Hände gelegt. Was die Berliner Polizei mangels Fachkräften nicht bewerkstelligen konnte, soll nach der Verwaltungsreform von bezirklichen Ordnungsämtern geleistet werden. Ab 1. April 2004 sollen sie so genannte ordnungspolitische Aufgaben verschiedener Behörden sowie der Polizei übernehmen. Innensenator Ehrhardt Körting (SPD) legte dem Senat Mitte November einen entsprechenden Zwischenbericht vor.

Die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten, also Vergehen, die nicht unter Strafe gestellt, sondern mit Bußgeldern belegt werden, gehört bald zu den Hauptaufgaben der Bezirksangestellten. Da nicht nur Verwarnungen ausgesprochen und Knöllchen verteilt, sondern gegebenenfalls auch Personen festgehalten und ihre Personalien aufgenommen werden sollen, stellt sich vor allem die noch ungeklärte Frage, auf welcher rechtlichen Grundlage die »Kiezpolizei« arbeiten wird.

Fest steht lediglich, dass das Personal aus dem umstrittenen »Stellenpool« rekrutiert werden soll, in dem VerwaltungsmitarbeiterInnen mit kw-Vermerk (»kann wegfallen«) erfasst sind. Neueinstellungen sind so oder so nicht vorgesehen. Mittes Bürgermeister Joachim Zeller (CDU) bezifferte die Anzahl der benötigten Kräfte auf mindestens 25 pro Bezirk.

Die unerledigte Arbeit liegt im wahrsten Sinne des Wortes auf der Straße. Neben den täglich knapp 20 000 Berliner Hundehaufen – nach Angaben der BSR sind das über 20 Tonnen – sollen auch herrenlose Fahrzeuge unter Aufsicht gestellt werden. 3 450 unerlaubt abgestellte Autowracks wurden im Jahr 2002 abgeschleppt; dem Vandalismus auf Friedhöfen, dem Abladen von Müll auf den Straßen, dem Falschparken sowie den eklatanten Verstößen gegen die Grillvorschriften soll ein Ende bereitet werden.

Höchste Zeit also für einen neuen Bußgeldkatalog: 25 Euro bringt derzeit ein Hundehaufen ein, wenn die Überführung gelingt, bis 150 Euro sind in der Diskussion. Ein stehen gelassenes Autowrack kann den Halter künftig bis 1 000 Euro kosten. So betrachtet, könnten sich manche Friedrichshainer Straßen oder die Hasenheide zu Goldgruben entwickeln, vorausgesetzt, die neuen Ordnungshüter entwickeln ein entsprechendes kriminalistisches Gespür.

Berlin folgt mit der Einführung von Ordnungsämtern dem Vorbild vieler westdeutscher Großstädte. Die Berliner SPD-Sprecherin für Innenpolitik, Heidemarie Fischer, begrüßt das Vorhaben ausdrücklich, denn ihr Motto lautet: »Im Rechtsstaat gehören Freiheit und innere Sicherheit zusammen.« Die Situation werde immer dramatischer, die Ordnungswidrigkeiten nähmen zu: »Die Bürger sind sauer.«

Wenn Fischer zum Beispiel von Düsseldorf spricht, gerät sie ins Schwärmen. Denn dort tragen die Mitarbeiter des Ordnungsamtes zur Kennzeichnung blaue Jacken und streifen auf Motorrädern durch die Stadt. Für Berlin kann sie sich Ähnliches vorstellen. Es müssen nicht unbedingt komplette Uniformen sein, aber vielleicht Jacken mit der Aufschrift »Ordnungsamt Mitte«, damit sie erkannt werden und »Autorität ausstrahlen«. Den Begriff »Kiezpolizei« weist Fischer zurück, Sicherheitsdienste oder Hilfssherrifs weckten »ganz falsche Assoziationen«. Allerdings sei sehr wohl ein »gemeinsames Bestreifen« der Parks mit der Polizei denkbar. Weil »die Menschen nicht rücksichtsvoller, sondern immer egoistischer werden«, setzt sie vor allem auf den Abschreckungseffekt solcher Streifen.

Der kommunalpolitische Sprecher der PDS-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Peter-Rudolf Zotl, mag dieser »Staatsmachtpräsenz auf der Straße« nicht das Wort reden. Schon die »Grilldebatte« sei absoluter Schwachsinn gewesen. Aber dennoch sei alles ganz anders gemeint, als es dargestellt werde. Die Kiezpolizei sei allenfalls eine Nebenfrage, betont Zotl, der dem Ausschuss zur Verwaltungsreform vorsitzt.

Die Einführung der Ordnungsämter sei in der Hauptsache als eine »Dienstleistung für den Bürger« gedacht. Vom Verkehrsschild bis zur Demoanmeldung, vom Marktstand bis zur Parkscheinvergabe solle künftig alles aus einer Hand kommen. An die Stelle des Antrags auf Genehmigung trete in vielen Fällen eine einfache Anmeldepflicht, um unnötigen Aufwand zu reduzieren. Dass die »Bündelung aller Ordnungsaufgaben« wirklich im Interesse der BerlinerInnen liege, wird Zotl nicht müde zu erläutern. Über diesen Punkt seien sich ohnehin alle Fraktionen des Abgeordnetenhauses einig.

Letzteres zumindest stimmt. Die Grünen sind schon aus Gründen des Umweltschutzes dabei und betreiben allenfalls Begriffskosmetik, wenn ihr Innenexperte Wolfgang Wieland statt »Kiezpolizei« die Bezeichnung »Parkranger« vorschlägt. Die CDU beantragte bereits im Sommer die Einführung von Ordnungsämtern und dramatisiert seither ständig die Situation. In den Worten des CDU-Abgeordneten Matthias Wambach: »Die Stadt Berlin verwahrlost immer mehr. Vandalismus und Rücksichtslosigkeit breiten sich aus.«

Also ran an die Wurst!