About Schmidt

Die Aufregung der Feuilletons ist fast vorbei, die »Harald-Schmidt-Show« bald auch. Was bleibt, sind bloß unterschiedliche Meinungen über das Phänomen Schmidt

Weg mit Wagner!

Nein. Mit manchen Menschen möchte ich nicht einmal mein spätabendliches Fernsehprogramm teilen. Der Bild-Kolumnist Franz Josef Wagner ist so einer. Bisher, und darauf bin ich stolz, haben wir nur anläßlich der Terroranschläge vom 11. September 2001 ein kurzes Mal übereingestimmt. Ansonsten gilt: FJW findet grundsätzlich scheiße, was ich liebe, und umgekehrt.

Er mag: den Kickerschmachtfetzen »Das Wunder von Bern«, große Mengen Rotwein, Edmund Stoiber, große Mengen Rotwein, den Mittelstand, große Mengen Rotwein, Rudi Völler und große Mengen Rotwein. Und Michael Schumacher.

Ich dagegen finde alle seine Favoriten zum Kotzen, und daher führten wir bislang immerhin eine anonyme, verlässliche Beziehung, der Wagner Sepp und ich.

Und so hätte das Ganze denn auch noch mindestens 25 Jahre weitergehen können, der blöde Bild-Kolumnist hätte gehasst und ich geliebt und umgekehrt – wenn nicht Harald Schmidt ganz plötzlich und ohne jede Vorwarnung das Ende seiner Show erklärt hätte. Und seither stehen wir da, der Wagner und ich, und können es gleichermaßen nicht fassen.

»Lieber Harald Schmidt«, begann sein Brief ausgerechnet an dem Tag, an dem die letzte Jungle World-Ausgabe gerade in Druck gegangen und kein Statement mehr möglich war, »jetzt, wo Sie aufhören, weiß ich auch nicht mehr, warum ich aus meinen Berliner Kneipen schon um 23 Uhr nach Hause soll«. Schöner hätte ich das auch nicht formulieren können. Abgesehen davon, dass ich montags in aller Regel nicht in Lokalen zu finden bin, sondern im Aquafitnesskurs, aber das ist eine ganz andere Geschichte.

»Sie forderten den Konsens unserer Gesellschaft zum Duell«, rief Wagner Schmidt zum Abschied hinterher, bevor ich es tun konnte, »Sie hören nun auf. Und ich denke, dass auch ich nun aufhören muss.« Er fliege jetzt nach Brasilien, wo ein befreundetes Ehepaar gerade den Regenwald rette und wo es vielleicht auch für von Lebenskrisen wagnerianischen Ausmaßes Betroffene eine Aufgabe geben könne, jetzt, wo nach dem Schmidtschen Rückzug eh alles egal zu sein scheine: »Ohne Sie habe ich auch keinen Bock mehr auf Deutschland!«

Vielen Dank fürs Alleinlassen, Franz-Josef! Many Thanks dafür, dass ich nunmehr völlig auf mich gestellt das triumphierende Grinsen des selbsternannten Schmidt-Konkurrenten Stefan Raab anschauen muss. Mange takk, din forferdelig idiot. Denk an mich, wenn du von Anakondas gewürgt und von Giftameisen traktiert wirst. Schließlich waren wir doch mal ein, wenn auch informelles, Team. Und wir hätten es gemeinsam schaffen können, Harald Schmidt mit flammenden Appellen von der Kreativpause abzuhalten. Wir hätten Helden sein können, für einen Tag!

elke wittich

Weg mit Schmidt!

Etwa zwei Drittel der Deutschen im nach 23 Uhr noch zum Fernsehen fähigen Alter haben sich die »Harald-Schmidt-Show« nie angeguckt und werden wohl die verbleibenden Wochen auch nicht dazu nutzen.

Diese zwei Drittel werden vermutlich auch nicht diejenigen sein, die sich die Wiederholung der berühmten Folge, in der sich Schmidt und sein Redaktionsleiter Andrack nur auf Französisch unterhielten, auf Arte angesehen haben.

Für die etwaige Annahme, dass das deutsche Drittel, das Schmidts Sendung schon mal gesehen hat, sie regelmäßig gesehen hätte, spricht auch nichts: Bei knapp über einer Million lag die Zuschauerquote. Das ist weniger als solche Chargen wie Kerner, Raab oder Beckmann bringen.

Die Irritation, die beim Vergleich dieser Zahlen mit der gegenwärtigen medialen Aufregung über das Ende der »Harald-Schmidt-Show« ausgelöst wird, ist so schwer nicht zu erklären: Die Show war was für Wichtigtuer. Für Menschen, die sich die Welt als einen kleinen Zirkel von Menschen vorstellen, wo jeder jeden kennt. Menschen, die sich als Motor der Weltgeschichte nur zwischenmenschliche Eifersüchteleien vorstellen können. Und Menschen, die alle verachten, die sich außerhalb ihres Kultur-, also Bekanntenkreises bewegen.

Alles an der »Harald-Schmidt-Show« war imaginiert, immer schon. Es ist (und bald: war) eine Sendung fürs linksliberale Milieu. Der Stern von Schmidt begann ja aufzusteigen, als der von Dieter Hildebrandt mit seinem »Scheibenwischer« gerade sank. Das war damals das Milieu, das glaubte, mit Witzen über den Stiernacken Strauß und die Birne Kohl beinah den Rhein-Main-Donau-Kanal verhindert zu haben.

Das war albern, und Schmidt war der Lautsprecher derjenigen, die das wussten. Das ist ein historisches Verdienst, wie es auch bewunderswert ist und bleibt, das Banale in Form von skispringenden Suppenhühnern oder Wagneropern darstellenden Playmobil-Figuren geadelt zu haben.

Aber diese historische Mission des Banalen ist irgendwann erfüllt, zum Beispiel jetzt.

Der Rest ist Humor für die »Infoelite«, die der Focus, der Schmidt ja auch eine Kolumne schreiben lässt, einst ausgerufen hat.

sven glaser

Mer losse de Schmidt in Kölle!

Es gibt viele bescheuerte Fernsehsendungen. Manche haben gute Einschaltquoten, manche eher bescheidene, manche werden von dümmlichen Moderatorinnen moderiert, manche von dumpfbackigen Moderatoren. Was jedoch Sendungen wie »Kerner«, »Sabine Christiansen« oder Jauchs »Stern TV« gemeinsam haben: Sie wollen einfach nicht aus dem Programm verschwinden. Woche für Woche wird gesendet bis zum Erbrechen und kein Ende ist absehbar. Da ist es doch eine gute Meldung, wenn doch einmal ausnahmsweise die Fernsehgewaltigen ein Einsehen haben und ein solches unerträgliches Format wider Erwarten vom Bildschirm verschwinden soll.

Die Rede ist natürlich von »Bunte TV«, dieser völlig hirnlosen ARD-Sendung, in der seit ein paar Wochen, aber glücklicherweise nicht mehr lange die Bunte-Chefredakteurin Patricia Riekel laut Eigenwerbung »Stars so zeigt, wie sie keiner kennt« – und wie sie auch keiner und keine kennen will. Mit der »Harald-Schmidt-Show« verhält es sich hingegen etwas anders. Nicht nur, dass sich der Qualitätsunterschied alleine schon daran zeigt, dass die Bunte-Redaktion in München sitzt, während Schmidts Late-Night-Comedy aus Köln kommt. Aber natürlich auch deswegen. Denn die »Harald-Schmidt-Show« ist in den vergangenen Jahren zu einer Kölner Attraktion geworden, auch wenn sie allabendlich in der Regel nicht mehr Menschen sahen, als täglich in den Dom pilgern. Trotzdem: Die Bewerbung Kölns im kommenden Jahr als »Kulturhauptstadt Europas« dürfte durch die Absetzung der Sendung nicht erfolgversprechender geworden sein.

Das Interessante an Schmidt ist, dass er etwas schaffte, was sonst nur der Kölner Karneval schafft. Er sprach ein Publikum an, das aber auch gar nichts miteinander gemein haben will. Denn im Kölner Karneval verfällt nicht nur der gewöhnliche deutsche Stammtischbruder in Pappnasenekstase, sondern schunkeln auch bunt verkleidete Linksradikale in den ansonsten autonomsten und schwärzesten Kneipen zu Karnevalsliedern – ironisch gebrochen, natürlich. Während das hingegen für Nicht-Kölner völlig unverständlich ist, heimste Schmidt Grimme-Preise ein. Zu Recht. Weswegen es die Ankündigung seines Abgangs ja auch gleichzeitig auf die Titelseite der Bild und der Financial Times Deutschland schaffte. Und es wäre nicht unwahrscheinlich, wenn sogar konkret trauern würde.

Nach dem Scheitern von »Bunte-TV« im Ersten soll übrigens mit Privatsendern über eine Weiterführung verhandelt werden. Vielleicht schlägt ja Sat.1 zu. Hinter »alphateam – Die Lebensretter im OP« würde Riekels Münchner Promimist auch wirklich besser passen als Schmidts Schnauze. Die Kölner jedenfalls müssen jetzt nicht länger schlechten Gewissens auf den schmuddeligen ehemaligen Kirch-Sender zappen, sondern können wieder zum guten, alten kölschen WDR zurückkehren. Dort wird bestimmt bald »Schmidteinander« wiederholt. Ansonsten fängt demnächst die Stunksitzung wieder an und man braucht keine Angst mehr haben, am Abend des Besuchs im Fernsehen etwas zu verpassen.

pascal beucker

Schmidt ohne Fernseher

Im Sommer 1990 bekam ich Besuch aus Dresden, aus der gerade noch existierenden DDR. Wir, meine Freunde und ich, fuhren den Gast im Cabrio durch unser prächtiges Weltstädtchen und lagerten im Biergarten unter Kastanienschatten. Am nächsten Tag machten wir uns auf in die nahen Berge, bestiegen einen Gipfel und blinzelten Toblerone kauend in die Höhensonne. Es muss irgendwann auf der schon schattigen Autobahn gewesen sein, dass mein Gast bemerkte, es sei schon interessant im Westen, alles sei so wunderschön, gerade hier im Süden, und doch würden wir die ganze Zeit nur übers Fernsehen reden, ob der eine dieses und der andere jenes gesehen habe. Uns traf diese Bemerkung – »keine Kritik, nur eine Beobachtung« –, wir blieben erst mal stumm, protestierten dann lau, denn schließlich – mei, naja, der Mann kam aus dem Osten, noch dazu aus Dresden, dem Tal der Ahnungslosen, was konnte man schon erwarten.

Später wollte ich Germanistik studieren und stellte bei der Einschreibung fest, dass es dieses Fach nicht mehr gab. Es gab nur »Neuere deutsche Literatur und Medienwissenschaften«. In den medienwissenschaftlichen Seminaren wurde zu Beginn jeder Sitzung ein Transparent aufgehängt, auf dem zu lesen war: »Unser Untersuchungsgegenstand ist so Scheiße, dass er schon wieder gut ist.« Da war ich also mitten unter den Popdeppen gelandet, die dauerkichernd im Müll der Populärkultur herumwühlten. Sie suchten aber nicht nach Perlen, sie fanden das Ganze eben wirklich gut. Idioten wird es immer geben, lernte ich mit Wolfgang Pohrt denken, gefährlich wird es erst, wenn die, die es besser wissen könnten, einfach nur Idioten sein möchten.

Mit dreißig habe ich dann meinen Fernseher ausgesetzt, auf einem Autobahnparkplatz an die Leitplanke gebunden. Ein Leben ohne Wein und Zigaretten ist sinnlos, mich vom in jeder Hinsicht billigsten meiner Laster zu verabschieden, fiel mir hingegen erstaunlich leicht. Jetzt lese ich Martin Walser und Hartmut Mehdorn über Harald Schmidts Abschied jammern. Gerade noch rechtzeitig sind Biografien und medienwissenschaftliche Untersuchungen erschienen. Wie der Fall der Mauer hysterischen Jubel, so löst der Abschied Schmidts senile Trauer aus. Mit mir und meinem Leben hat das nichts mehr zu tun. Ich lebe in Dresden, und ich muss jetzt Schluss machen: Ich brauche noch ein Besuchervisum für das Pokalspiel Bayern gegen Aachen.

ambros waibel