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Ehrlichkeit statt Diplomatie

Irak. »Wie ein betrunkener Seemann« habe sich die US-Regierung der Ehrlichkeit verschrieben, klagt David Brooks in der New York Times. Vorbei sei die Zeit, da distinguierte Diplomaten vor der Öffentlichkeit etwas ganz anderes bekunden, als sie hinter den Kulissen tun. Statt den europäischen Konkurrenten zu versichern, dass sie selbstverständlich gleichberechtigt an den Geschäften im Irak teilhaben könnten, und sie erst bei der Auftragsvergabe diskret auszubooten, habe Präsident George W. Bush einfach die Wahrheit gesagt.

Zumindest in diesem Fall aber dürfte die Offenheit strategischen Zielen dienen. Wenn James Baker, der US-Sonderbeauftragte für die Reduzierung der Schulden des Irak, in dieser Woche seine Europatournee beginnt, muss er den von Stabilitätswächtern bedrängten Finanzministern der EU etwas anbieten können. Zugeständnisse in der Schuldenfrage »wären ein bedeutender Beitrag, für den wir sehr dankbar wären«, erklärte Bush, und Richard Boucher, der Sprecher des Außenministeriums, ergänzte: »Die Liste der Berechtigten kann sich ändern, wenn sich die Umstände ändern.«

Poststalinistische Agenda

China. Auch die chinesische Staatsbürokratie hat ihre Agenda 2010. Soziale Garantien wie verbilligte Wohnungen, Kranken- und Rentenversorgung werden sukzessive aufgekündigt, die meisten Bereiche der Wirtschaft werden rigoros privatisiert. Durch die Kapitalisierung der landwirtschaftlichen Produktion sind in den letzten 15 Jahren etwa 150 Millionen Bauern proletarisiert worden. Diese vom IWF begrüßte Politik stößt auf Widerstand, immer wieder kommt es zu Demonstrationen, Streiks und Aufständen der existenziell bedrohten Arbeiter der Staatsbetriebe und der Mingong, der deklassierten Wanderarbeiter, die auf der Suche nach Käufern für ihre Arbeitskraft in die Städte drängen. In der zentralchinesischen Stadt Xiangfan blockierten Zehntausende Arbeiter einer staatlichen Fabrik für zwei Tage Straßen und Eisenbahnstrecken, um gegen die Privatisierung einer Automobilfabrik und die damit verbundenen Entlassungen zu protestieren.

Auch jenen, die sich für die Gründung einer Ich-AG entscheiden, macht die Bürokratie das Leben nicht leicht. In Dazhou sind seit Ende November mehr als tausend Taxifahrer im Streik. Sie protestieren gegen die behördliche Entscheidung, die alten Lizenzen einzuziehen und neue zu einem höheren Preis zu versteigern. 15 »Rädelsführer« des Taxifahrerstreiks wurden festgenommen.

Justiz ohne Tabus

Sambia. Frederick Chiluba hätte sich sicherlich nicht träumen lassen, dass er dereinst als Dieb vor dem Kadi stehen würde. Auf Diebstahl in 168 Fällen lautet die Anklage gegen den ehemaligen Präsidenten von Sambia. Der geschäftstüchtige Angeklagte soll während seiner Amtszeit 1991 bis 2001 mehr als 40 Millionen US-Dollar in die eigene Tasche gesteckt haben. Weitere 300 Millionen US-Dollar sollen auf private Konten im Ausland geflossen sein.

Chiluba galt als Pionier der Demokratisierung Afrikas. 1991 war es ihm gelungen, in freien Wahlen den Alleinherrscher Kenneth Kaunda abzulösen. Der Prozess, der am Dienstag der vergangenen Woche begann, ist ein Novum in der Geschichte des postkolonialen Afrikas, da sich erstmalig ein ehemaliger Präsident wegen Korruption vor Gericht verantworten muss. Die sambische Justiz wird damit auch zum Vorbild für etwas länger etablierte Demokratien, in denen ehemalige Kanzler noch immer sehr nachsichtig behandelt werden, wenn sie ihr Ehrenwort geben.

Gottvertrauen statt Impfung

Nigeria. »Alle Infektionen sind Taten Gottes«, meint Ibrahim Tudu, Generalsekretär des Global Network for Islamic Justice. Manchmal spielt aber auch der Große Satan mit. Aids, so mutmaßt Tudu in einem von der nigerianischen Tageszeitung Daily Trust veröffentlichten Essay, könnte ein Mittel der biologischen Kriegsführung zur Reduzierung der Bevölkerung in der »Dritten Welt« sein. Heute würde dieses Ziel mit sterilisierenden Medikamenten verfolgt, die Impfstoffen beigemischt werden.

Diese unter konservativen und fundamentalistischen Muslimen Nordnigerias weit verbreitete Verschwörungstheorie hat katastrophale Folgen. Weil er eine Verschwörung der USA zur Entvölkerung Nigerias vermutet, hat der Oberste Shariarat in Kano durchgesetzt, dass die Kinder in diesem Bundesstaat nicht gegen Kinderlähmung geimpft werden dürfen. Das Ziel der WHO, die Krankheit bis 2005 auszurotten, ist damit gefährdet. Nigeria hat die höchste Rate von Neuinfektionen auf der Welt, die meisten Fälle wurden in Kano verzeichnet.

Hungern gegen Howard

Australien. Auf unbegrenzte Zeit, »selbst wenn es unser Leben kostet«, wollen acht afghanische und ein pakistanischer Asylbewerber auf der Pazifikinsel Nauru in dem dortigen Internierungslager ihren am Weltmenschenrechtstag begonnenen Hungerstreik fortsetzen. Um den Forderungen nach Freilassung Nachdruck zu verleihen, haben sich vier der Bootsflüchtlinge zudem die Lippen zugenäht. In Nauru sitzen derzeit noch insgesamt 280 Flüchtlinge im Abschiebelager, unter ihnen 93 Kinder. Seit 2001 inhaftiert die konservative australische Regierung alle ankommenden Flüchtlinge in pazifischen Kleinstaaten.

Mit ihrer Forderung stoßen die Internierten bei der für ihre strenge und rassistische Flüchtlingspolitik berüchtigten Regierung unter Premierminister John Howard auf taube Ohren. Aus dem Immigrationsministerium verlautete, es sei doch besser, wenn die Asylsuchenden so couragiert wären, ihre Proteste einzustellen, und ihre Energien lieber darauf verwendeten, »nach Afghanistan zurückzukehren und dort mit ihrem Leben fortzufahren«.