Die Therme vor den Toren

Heiß und Eis III

Eben war es noch hell draußen, plötzlich ist es stockdunkel. Nach weit mehr als den empfohlenen 20 Minuten in der badewannenwarmen Sole können die Augen leicht zufallen. Denn auch die Luft ist mollig warm und die Liegen sind bequem in der Saarow-Therme.

Der müde Blick gleitet über das weitläufige Becken mit seinen abwechselnd blubbernden Nischen. Das Wasser ist ruhig, und Kindergeschrei ist kaum zu hören, allenfalls mal ein quiekender Säugling. Zumindest an Wochentagen hält sich die Anzahl der BesucherInnen in Grenzen. Ältere Kurgäste, Eltern mit Kleinstkindern und Pärchen, die sich symbiotisch durchs Wasser schieben, bestimmen das Bild. Hinter der Glasfront steigt Dampf aus dem Außenbecken auf. Ein besonders dicker Mann stolziert mit stoischer Miene am Beckenrand entlang.

Gut 70 Kilometer sind es von Berlin zum Thermal-Sole-Bad in Bad Saarow. Aber »bei Fürstenwalde« klingt nicht so gut wie »vor den Toren Berlins«, und so sollte man die selbst ernannte Exklave der Hauptstadt als solche akzeptieren.

Wer in den mit dunklem Holz vertäfelten Räumen DDR-Charme zu entdecken glaubt, liegt falsch. Die Anlage ist erst seit 1998 in Betrieb. Länger ist die Geschichte des Kurortes. Er erlebte eine kurze Blütezeit mit der Erschließung der Chlor-Kalzium-Sole-Quelle in 175 Meter Tiefe während der Weimarer Republik. Die Nationalsozialisten machten Bad Saarow zum Garnisonsstandort, nach dem Zweiten Weltkrieg richtete die Rote Armee dort ein Sanatorium ein. 1994 zogen die GUS-Streitkräfte ab. Die neue Therme wurde nach dem Vorbild traditioneller Heilbäder mit Trinkbrunnen und Wandelhallen gestaltet.

Um den Kreislauf vor der Sauna in Schwung zu bringen, ist ein Kaffee angesagt. Der besonders dicke Mann quetscht sich an den Nachbartisch. Jeder Blick muss auf seinen gewaltigen Rücken fallen.

Bei der Neugestaltung der Saunenlandschaft wurden einige Ruheräume aufgegeben. Der schönste, mit warmen Steinbänken und einem Brunnen, wich einer Sitzecke mit Pseudokamin neben der sporadisch besetzten Bar.

Passionierte SaunagängerInnen müssen zwangsläufig die finnische Sauna mit 90 Grad Lufttemperatur besuchen. Denn eine weitere finnische mit 60 Grad, eine Biosauna (max. 60 Grad) und das Dampfbad (45 Grad) lassen den Schweiß nur zögerlich fließen. Bei der Beleuchtung wurde etwas übertrieben, die frisch gezimmerten Bänke blenden geradezu. Der Schneeraum ist außer Betrieb, im Tauchbecken lässt es sich locker eine Minute aushalten, und der Weg auf die Dachterrasse bleibt weit und beschwerlich.

Neu sind ein kleiner Podest mit Whirlpool, eine schickere Vorrichtung für die Fußbäder und raffinierte Duschen, in denen man zwischen Landregen, schottischem Regen, tropischem Nebel und anderen feuchten Träumen wählen kann. Und der Extrapreis von fünf Euro.

Obwohl der besonders dicke Mann nun auch noch den Whirlpool besetzt hält, ist der Erholungseffekt eines Tages in der Therme enorm. Kleine Zipperlein, Verspannungen und schlechte Laune sind wie weggeblasen. Und das sogar ohne Nachtkerzencremeöl-Softpack, orientalisches Ganzkörperpeeling unterm Sternenhimmel im Rhasul, Bierbad mit Klostermenü oder Gletscherschock. So etwas kann, wer will und noch ein paar Euro extra auf Tasche hat, auch bekommen.

regina stötzel