Frau im Schatten

Die Gleichberechtigung der Frauen in Deutschland kommt nicht so gut voran, wie die Bundesregierung behauptet. von sigrid lehmann und rhoda tretow

Die Grünen bleiben optimistisch. »Wir sind nicht überall Schlusslicht, wir sollten uns nicht ständig runtermachen«, meint Ulrike Jaenicke, die Bundesfrauenreferentin der Partei. »Der fünfte Staatenbericht zum UN-Frauenrechtsabkommen Cedaw wird Thema einer Bundestagsdebatte. Das hat es noch in keinem Land zuvor gegeben«, verteidigt sie die Bemühungen der Bundesregierung um einen Abbau der Geschlechterhierarchien. Etwas skeptischer zeigen sich da Fraueninitiativen wie Terre des Femmes oder der Koordinierungskreis gegen Frauenhandel und Gewalt an Frauen im Migrationsprozess (KOK).

Diese Initiativen haben den so genannten fünften Staatenbericht der Bundesrepublik an die Vereinten Nationen (UN) kritisch überprüft und Schwachstellen in der deutschen Gleichberechtigungspolitik aufgespürt. Zusammengefasst wurde das Ergebnis in einem so genannten Schattenbericht. Dieser wurde Mitte Dezember im Rahmen einer Fachtagung der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin an VertreterInnen der Bundesregierung übergeben.

Seit 1979 gibt es ein internationales Abkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau, die so genannte Cedaw (Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women). Das Übereinkommen definiert, was Frauendiskriminierung ausmacht, und stellt eine Liste von Maßnahmen vor, diese Diskriminierung zu beenden. Die Charta entwickelte sich zu einem nicht unbedeutenden Instrument zur Durchsetzung der Rechte der Frauen. Wie viele andere Staaten der Vereinten Nationen (UN) hat Deutschland die Konvention ratifiziert und steht somit in der Pflicht, alle vier Jahre Rechenschaft in Form von Berichten über die bisher erfolgten Anstrengungen abzulegen. Im Januar ist es wieder so weit, die Vertragsstaaten müssen dem Cedaw-Komitee in New York Rede und Antwort stehen.

Die Autorinnen des Schattenberichtes haben an der Gleichberechtigungspolitik in Deutschland vieles zu bemängeln. In allen Bereichen, handelt es sich etwa um die Anzahl der Frauen in Führungspositionen oder um die Berufstätigkeit der Mütter, schneidet Deutschland im europäischen Vergleich schlecht ab. So erhielten zum Beispiel Männer im vorigen Jahr in den alten Bundesländern im Durchschnitt 25 Prozent mehr Lohn als Frauen. Wenn die Bundesregierung auf die steigende Erwerbstätigkeit von Frauen hinweise, fehle häufig die Anmerkung, dass dies im Wesentlichen durch eine Verschiebung von einer Vollzeit- zu einer Teilzeitbeschäftigung erreicht werde, heißt es in dem Schattenbericht.

Vor allem Frauen würden in Teilzeitjobs arbeiten, in den alten Bundesländern gäben 83 Prozent der Frauen familiäre Verpflichtungen als Grund dafür an. Der von 30 Prozent der Mütter gewünschte Wechsel in eine Vollzeitbeschäftigung scheitere in der Regel an den mangelnden Betreuungsmöglichkeiten für die Kinder. Der größte Teil der Elternarbeit werde nach wie vor von Frauen geleistet, dasselbe gelte für die Hausarbeit.

Auch was die Gewalt gegen Frauen betrifft, sieht das Urteil nicht allzu gut aus. Das Kriminologische Institut Hannover stellte in einer Studie im Jahr 1992 fest, dass jede siebte Frau in Deutschland mindestens einmal in ihrem Leben Opfer einer Vergewaltigung oder sexuellen Nötigung werde. Gewalt in der Familie ist die am häufigsten ausgeübte Gewalt. Mit den sich verschlechternden Lebensbedingungen, etwa wegen des Sozialabbaus, sei zu befürchten, dass die Gewalt gegen Frauen wieder zunehme, warnen die Fraueninitiativen. Doch die Unterstützung der Opfer von Männergewalt, auch im Rahmen des Frauenhandels und der Prostitution, bleibt weiter unterfinanziert. Wegen einschneidender Kürzungen der Zuschüsse in den Bundesländern, etwa in Berlin, Hessen und Nordrhein-Westfalen, stehen bereits viele Frauenhäuser vor der Schließung. (Jungle World, 43, 45 und 47/03)

Die Bundesregierung betont freilich lieber das Positive. In ihrem Staatenbericht stellt sie zum Beispiel stolz einen »deutlichen Rückgang von offensichtlich frauenfeindlicher Werbung« fest. Diese Einschätzung beruhe nach dem Schattenbericht vermutlich auf der Statistik des Deutschen Werberates, der allerdings eine äußerst untaugliche Instanz zur Bewertung sexistischer Werbung darstelle. Der Werberat schütze immer wieder die Frauen diskriminierende Werbekampagnen trotz teils vehementer Proteste von BürgerInnen. Die Zeitschrift Emma lästerte, dass »jede Briefmarke, jede Faxeinheit« an den Werberat »rausgeschmissenes Geld« sei. Die Autorinnen der Schattenberichte fordern deshalb die Bundesregierung auf, eine geeignetere Instanz einzurichten, die sexistische und rassistische Werbung angemessen ahnden soll.

Der Cedaw-Ausschuss drängt die Bundesregierung außerdem zur Verbesserung des sozialen Status ausländischer Frauen, insbesondere von Asylbewerberinnen. In Deutschland ist die Diskriminierung wegen des Geschlechts nicht als Asylgrund anerkannt. Asylbewerberinnen erhalten derzeit nicht einmal die Mindestleistungen nach dem Bundessozialhilfegestz (BHSG).

Indem der Staat sie durch die gesetzliche Vorgabe in die Armut treibe, fördere er indirekt den Frauenhandel, da er die Frauen ungeschützt falschen Versprechungen, Zwang, List und Betrug von Menschenhändlern aussetze, kritisiert der Schattenbericht. Die Illegalisierung treffe Frauen besonders hart, da sie wegen ihrer Erpressbarkeit zusätzlich von Ausbeutung und sexueller Gewalt bedroht seien.

Außerdem hat Deutschland immer noch nicht die UN-Konvention zum Kinderhandel, zur Kinderprostitution und zur Kinderpornographie ratifiziert. Hierzulande hat der Kinderschutz keinen Vorrang vor dem Ausländerrecht, weshalb minderjährige Flüchtlinge, die sexuelle Gewalt erleiden mussten, trotzdem noch immer abgeschoben werden können. Mädchen betrifft dies weitaus häufiger als Jungen.

»Ich bin natürlich ungeduldig! Ich finde es ein bisschen wenig, was bisher gemacht worden ist!« empört sich Marion Böker von der KOK. »In Deutschland haben wir viel mehr Mittel, Politik zu machen als Frauen in Nichtregierungsorganisationen aus ärmeren Ländern. Was hindert uns eigentlich?«