Weltstadt mit Nato

Anfang Februar findet in München die Sicherheitskonferenz der Nato statt. Ein Gegenbündnis lädt am kommenden Wochenende zum Antikriegskongress. von sascha becker

G erne hätte die Münchner Polizei den UN-Genaralsekretär Kofi Annan für ihre Deeskalationstrategie gewonnen. Jedenfalls zitiert die Süddeutsche Zeitung Polizeikreise mit der Überlegung, eine stärkere Einbindung der UN hätte der Nato-Sicherheitskonferenz eher den Charakter einer Friedenskonferenz gegeben. Dass aber nun der UN-Generalsekretär nicht vom 6. bis 8. Februar nach München kommen wolle, während sämtliche Verteidigungsminister der Natostaaten anwesend sein werden, habe die Stimmung unter den Gegnern zusätzlich angeheizt.

Doch es gibt noch Hoffnung, glaubt man dem Polizeipräsidenten Wilhelm Schmidbauer. »Es läuft in der Szene noch die Diskussion darüber, ob die Sicherheitskonferenz als Friedens- oder als Kriegskonferenz angesehen werden soll«, weiß er. Und vorsorglich warnt er die Anhänger der Theorie von der Kriegskonferenz: »Wir beobachten die Lage in diesem Jahr noch genauer, als wir das sonst getan hätten.«

Zum 40. Mal werden sich Anfang Februar Militärs, Politiker und Rüstungslobbyisten zur Sicherheitskonferenz der Nato in München versammeln. 1962 fand das Treffen erstmals statt, damals noch unter dem Namen Wehrkundetagung. Die Stadt München, die dank des damaligen Bundesverteidigungsministers Franz Josef Strauß (CSU) zum Zentrum der Rüstungsindustrie der Bundesrepublik aufgestiegen war, bot das ideale Umfeld, um neue verteidigungspolitische Konzepte, vom Nato-Doppelbeschluss über die Osterweiterung der Nato bis zur Aufstellung von Interventionsarmeen, zu diskutieren und nebenbei lukrative Waffengeschäfte anzubahnen.

Im Jahr 2002 sollte es zum ersten Mal größere Aktionen gegen die Konferenz geben. Mit einem bis dahin einmaligen Demonstrationsverbot für die gesamte Münchner Innenstadt versuchte das Kreisverwaltungsreferat die Proteste zu unterbinden. Der Versuch misslang, 10 000 Gegner der Nato demonstrierten trotz der großen Polizeipräsenz. Der Friedensaktivist Claus Schreer wurde für mehrere Tage in Gewahrsam genommen; er habe eine verbotene Veranstaltung als Pressekonferenz getarnt, hieß es. Dieses Vorgehen wurde später von einem Münchner Gericht als widerrechtlich bewertet.

Ein Jahr später, im Februar 2003, scheiterte dann Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) mit seinem Vorhaben, die Bewegung zu spalten. Gemeinsam mit dem DGB Bayern veranstaltete er eine eigene Kundgebung, auf der zwar gegen den drohenden Irakkrieg, nicht aber gegen die Sicherheitskonferenz demonstriert wurde. Dennoch ließen es sich 30 000 Menschen nicht nehmen, über den Altstadtring zu marschieren und dabei nicht nur den Irakkrieg und die USA zu kritisieren, sondern auch die Politik der Bundesregierung.

Das Aktionsbündnis reicht in diesem Jahr von Attac und gewerkschaftlichen Gruppen über die DKP und die VVN bis zu verschiedenen Friedensinitiativen. Auch dieses Mal ruft es wieder zu Protesten sowohl gegen die Sicherheitskonferenz als auch gegen das Weltwirtschaftsforum im schweizerischen Davos auf, das vom 21. bis zum 25. Januar stattfinden wird.

Bereits am kommenden Wochenende findet im Münchner Gewerkschaftshaus ein Antikriegskongress statt, der u.a. von der Informationstelle Militarisierung (Imi) und der Bundeskoordination Internationalismus (Buko) organisiert wird. Dort sollen auch der Sozialabbau und die Abschottungspolitik der Europäischen Union als Teil der neuen Kriegspolitik analysiert werden.

Auf der letzten Sicherheitskonferenz wurden die Meinungsunterschiede in der Nato offenkundig, als sich Bundesaußenminister Joschka Fischer und der US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld ein Wortgefecht über den Irakkrieg lieferten. Nach den jüngsten heftigen Auseinandersetzungen über die Einrichtung einer europäischen schnellen Eingreiftruppe mit ihrem Hauptquartier in Brüssel könnte in München der Streit zwischen denjenigen, die die transatlantischen Bindungen erhalten wollen, und denen, die der Militärmacht USA eine Militärmacht Europa mit eigenen Truppen, Waffen und Strukturen entgegenstellen wollen, offen ausgetragen werden.

Angesichts dieser Streitigkeiten wurde immer wieder die Frage gestellt, ob die Nato und die Konferenz überhaupt noch das richtige Ziel für die Proteste seien. Die Aktionen gegen die Konferenz werden zeigen, wo die Antikriegsbewegung nach dem Ende der größeren Kampfhandlungen im Irak steht. Im Gegensatz zu weiten Teilen der Bewegung gegen den Irakkrieg hat sich das Münchner Bündnis bisher nicht zum Handlanger der deutschen Außenpolitik machen lassen, indem es etwa einseitig gegen die USA Stellung bezogen hätte. Das Aktionsbündnis rückte von Anfang an die »deutschen Interessen« ins Zentrum ihrer Kritik und betonte dabei stets, dass die deutsche Militärpolitik und der Abbau der sozialen Rechte nur zwei Seiten derselben Medaille seien.

»Es ist unsere Aufgabe, sichtbar zu machen, dass die so genannten Sachzwänge in Wirklichkeit Umverteilungen und Verschiebungen in den gesellschaftlichen Prioritäten und Selbstverständlichkeiten sind«, heißt es in einem Aufruf des Aktionsbündnisses. »Widerstand gegen Sozialkürzungen ist Widerstand gegen Kriege, wenn damit auch diese gesellschaftlichen Prioritäten und Normalitäten hinterfragt werden.«

Dennoch könnte die Haltung zum Irakkrieg auch auf dem Kongress für Diskussionen sorgen. Wurden etwa auf der Sicherheitskonferenz im vergangenen Jahr tatsächlich »die Weichen für den Irakkrieg gestellt«, wie das Aktionsbündnis schreibt? Diese Behauptung mutet seltsam an, wenn man bedenkt, dass sich Deutschland und Frankreich vehement gegen den Krieg aussprachen und letztlich auch nicht direkt daran teilnahmen.

Eine andere Frage könnte lauten, wie man es mit dem Widerstand gegen die US-Truppen im Irak hält. Claus Schreer vom Aktionsbündnis äußerte sich dazu in einem Beitrag auf Indymedia. »Der Kampf gegen die Besatzungsmächte im Irak hat die gleiche Berechtigung wie der Kampf der Widerstandsbewegungen, die während des Zweiten Weltkriegs in Frankreich, in Polen, in Jugoslawien, in Italien oder Griechenland gegen die faschistische Okkupation gekämpft haben.« Es ist fraglich, ob alle Teilnehmer des Kongresses die Selbstmordattentate in Bagdad und Tikrit oder die Angriffe auf die lebensnotwendige Infrastruktur des Irak als Akte einer neuen Résistance betrachten.

Von kommunistischen Widerstandsgruppen im Irak wird das jedenfalls anders gesehen. In ihrem Rundbrief Forward schreibt die Arbeiterkommunistische Partei: »Im Irak vergeht keine Woche, in der nicht Unschuldige von den Maschinengewehrsalven und Bomben dieser ›Widerstandsgruppen‹ zerfetzt werden.« Entschieden kritisiert die Partei die westliche Unterstützung des gewaltsamen Widerstands im Irak. Auch mit dieser Kritik sollte sich die Antikriegsbewegung in München auseinandersetzen.

Infos unter www.no-nato.de