Absailers Pläne

Schwarzeneggers Gouverneurswerdung hat in Österreich einen Trend ausgelöst: Sportler drängen in die Politik. von martin schwarz, wien

Er ist »Sportler des Jahrhunderts«, dreifacher Olympiasieger und siebenfacher Weltmeister und bald vielleicht Bürgermeister des Tiroler Wintertourismus-Gulags Kitzbühel: Toni Sailer, mittlerweile 68 Jahre alt und dennoch agil wie eh und je, will am 7. März zu den Gemeinderatswahlen antreten und den bisherigen FPÖ-Bürgermeister Horst Wendling aus dem Rathaus werfen. Schließlich hat der Millionär Sailer eine ganze Menge Vorbilder. Arnold Schwarzenegger konnte jahrzehntelang auch nicht mehr, als schlechtes Englisch sprechen und seinen gestählten Körper ölen, wurde aber dennoch Gouverneur des Großraums Hollywood, auf Landkarten auch unter dem Namen Kalifornien zu finden. Und selbst in Österreich hat es einmal ein Sportler weit gebracht. Patrick Ortlieb, ebenfalls alpiner Skiweltmeister, kandidierte 1999 auf der Liste der Freiheitlichen Partei Jörg Haiders für den österreichischen Nationalrat, wo er bis zu den vorgezogenen Neuwahlen im Jahre 2002 nicht weiter auffiel. Außer vielleicht einmal und das weniger in der Politarena: irgendwann einmal während seines anstrengenden Abgeordnetenjobs lernte er im Parkhaus des Flughafens Innsbruck eine fesche Frau kennen und soll sie gleich an Ort und Stelle vernascht haben.

Aber Sailer, darauf legt er Wert, ist kein Schwarzenegger. »Ich sehe nur wenige Parallelen zwischen Schwarzenegger und mir. Er hat seine Heimat verlassen und ist erst im Ausland etwas geworden. Für mich war Kitzbühel immer das Nächste. Und ich weiß, ich kann hier etwas bewegen«, sagte Sailer in einem Interview mit der österreichischen Promi-Postille News. Eine wichtige Rolle in Sailers Leben als alternder Wanderpokal spielt vor allem »sein bester Freund«, der aber nicht zwei, sondern vier Beine hat, recht einsilbig spricht und behaart ist wie Adriano Celentano zu Beginn der 80er Jahre: ein Wolfsspitz. Überhaupt hat Sailer ein recht enges Verhältnis zur Natur und will Kitzbühel zu einer grünen Oase machen, wiewohl es alljährlich zwischen November und März eher die weiße Hölle ist. Tausende Touristen und hunderte Prominente von Verona »Ich hab mein erstes Kind« Feldbusch bis Franz »Ich hab scho wieder ein Kind« Beckenbauer wälzen sich winters durch das Städtchen, besonders übrigens in den Tagen rund um die weltberühmte Hahnenkamm-Abfahrt.

Doch das ist Sailer eben nicht genug; er will »die Saison verlängern«. Denn daran mangelt es in Kitzbühel. Solange meterhoher Schnee die vom Massentourismus abgewrackte Umgebung in gnädiges Weiß hüllt, herrscht Hochsaison. Ist aber erst der Schnee weg, herrscht gar keine Saison mehr. Deshalb will Sailer ab 7. März als Bürgermeister Kitzbühel zum kulturellen Zentrum zwischen Wien, Salzburg und München machen. Eine Kongresshalle soll erbaut werden und ein Kulturzentrum. Wie er das finanzieren will? Natürlich mit der Bonität seines Namens. »Die zehn reichsten Männer der Welt sollen mir Geld geben, um meine Projekte zu verwirklichen«, stellte Sailer kürzlich seinen ausgeklügelten Finanzierungsplan vor. Also kauft Bill Gates ihm eine Kongresshalle und vielleicht borgt – wiewohl kein Mann, aber dennoch mit großer Klappe ausgestattet – Julia Roberts, die bestbezahlte Schauspielerin aller Zeiten, dem Toni auch noch ein Kulturzentrum. Dabei kommt es aber dem gewieften Bergfex darauf an, Kitzbühel nicht noch mehr zuzubetonieren. »Das Grün ist unser größter Reichtum«, hat der Toni schon vor Jahren gesagt.

Schön. Aber in welcher Funktion er das gesagt hat, erklärt die Relevanz dieses Mottos: als Präsident des Golfclubs nämlich. Dagegen ist auch gar nichts einzuwenden, denn für Golfer ist Grün tatsächlich die Hoffnung. Weiß auch der Toni: »Golfplätze schaden der Landschaft nicht, sondern bewahren sie.« Stimmt wirklich. Es gibt keine schöneren Biotope als Golfplätze mit drei Zentimeter hoch geschnittenem englischen Rasen, wie er überall zwischen Australien und Schweden eben vorkommt. Blöd ist für Sailer bloß, dass die Umgebung von Kitzbühel nicht allzu viel Platz für Golfplätze bietet, denn da stören die Berge. Ein Dilemma. Jedenfalls will Sailer, ein Mann, der offensichtlich mit sozialdemokratischer Attitüde ausgestattet ist, die Golfplätze der Umgebung auch für den Mann von der matschigen Kitzbüheler Straße öffnen: »Ich hab mich schon dafür eingesetzt, dass jeder die Möglichkeit hat, Golf zu spielen, vom Postboten bis zu Franz Beckenbauer.«

Es wird ein Vergnügen, unter Sailers Herrschaft der Verwandlung Kitzbühels vom elitären Wintersportort zur alpinen Commune zuzusehen, wo die Kultur blüht wie einst der Enzian und der Briefträger den Beckenbauer mit einem Hole-in-One erstaunt.

Dabei ist es natürlich schade, dass Sailer seine Talente nur regional einsetzen kann, denn als künftiger Bürgermeister von Kitzbühel wird er bundespolitisch wohl wenige Akzente setzen können. Schon vor Monaten nämlich, so verrät uns der ehemalige Schneepflug, hätten ihn Freunde darauf angesprochen, doch als Bundespräsident zu kandidieren. Aber – und das ist ein gutes Argument – Bundespräsidenten residieren nicht mit ihrem besten vierbeinigen Freund in einer bäuerlichen Villa in irgendeinem Alpental, sondern eben in der prächtigen Hofburg in Wien, und sie wäre für Sailer eben zu weit von Kitzbühel weg. Jetzt besteht die große politische Gefahr, dass im April die 54zähnige ewig lächelnde und politisch wolfsspitzbegabte österreichische Außenministerin Benita Ferrero-Waldner, die Julia Roberts der Senioren, zur Präsidentin gewählt wird. Ein großartiges Jahr droht der österreichischen Innenpolitik: Schneerutscher Sailer herrscht über Kitzbühel, baut Kulturzentren und Kongresshallen und Golfplätze, und in Wien lächelt sich Benita Ferrero-Waldner durch ihre Amtszeit.

Die Chancen für Sailer, den Job als Kitzbüheler Bürgermeister zu kriegen, stehen übrigens nicht mal so schlecht. Der Amtsinhaber Horst Wendling ist zwar als FPÖ-Kandidat ins Rathaus eingezogen, hat sich aber im letzten Oktober aus der Partei verabschiedet und muss nun ebenso wie Sailer als unabhängiger Kandidat in den Wahlkampf ziehen. Bloß ist Wendling eben nicht Olympiasieger und Weltmeister. Und ob sein bester Freund wenigstens ein Wolfsspitz ist, lässt sich nicht eruieren. Ergo hat Wendling kaum eine Chance, gegen den matt schillernden Sailer politisch zu glänzen. Denn politisches Talent muss man als Bürgermeister von Kitzbühel ohnehin nicht haben. Deshalb könnte Sailer seinen Wolfsspitz auf den Posten des Vizebürgermeisters setzen.

Die politischen Talente der nächsten Generation stehen übrigens schon bereit. Hermann Maier könnte Ferrero-Waldners Job als Außenminister übernehmen und dann in einigen Jahren seinen Antrittsbesuch bei Steffi Graf in Berlin machen.