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Geordneter Rückzug

USA. Auch bei Vertretern der US-Regierung wachsen die Zweifel, ob irgendwo im Irak noch Massenvernichtungswaffen verborgen sind. »Wir wissen es noch nicht«, erklärte Außenminister Colin Powell am Sonntag. Dem überraschenden Bekenntnis war der Rücktritt David Kays, des Chefs der US-Inspektorengruppe ISG, vorausgegangen. Eine »Massenproduktion« verbotener Waffen habe in den neunziger Jahren nicht stattgefunden, sagte Kay: »Ich glaube nicht, dass sie existiert haben.« In einem Interview mit dem Sunday Telegraph ergänzte er allerdings, dass »eine große Menge an Material vor dem Krieg nach Syrien ging«.

Zweifellos hat die US-Regierung die wenigen vorhandenen Kenntnisse über irakische ABC-Waffen maßlos dramatisiert und mit Erfindungen angereichert. Der Verbleib nachgewiesener großer Mengen an chemischen und biologischen Kampfstoffen ist jedoch ebenso ungeklärt wie die Frage, wieso das ba’athistische Regime mit den UN-Inspektoren nur unzureichend kooperiert haben soll, wenn diese Waffen tatsächlich zerstört wurden. Möglicherweise war dies der letzte strategische Fehler Saddam Husseins: Er wollte in der Uno Stimmung gegen den Krieg machen, aber gleichzeitig die Nachbarstaaten und die eigene Bevölkerung über sein militärisches Potenzial im Ungewissen lassen.

Enthaltet euch!

USA. Nicht nur über die Segnungen, die der Krieg im Irak und die Steuersenkungen für die Reichen den Amerikanern und der Menschheit gebracht haben, sprach Präsident George W. Bush in seiner Rede zum »State of the Union« am Dienstag der vergangenen Woche. Denn die Nation ist »stark und standhaft«, doch ihre Moral ist in Gefahr. »Aktivistische Richter« bedrohen die »Heiligkeit der Ehe«, sie erdreisten sich, auch Hochzeiten zwischen Homosexuellen zu gestatten. Auch für die Jugend hatte Bush einen guten Ratschlag parat: »Enthaltsamkeit ist für junge Leute der einzige sichere Weg, durch Geschlechtsverkehr sich ausbreitende Krankheiten zu vermeiden.«

Bush will die christliche Rechte, aber auch die Konservativen anderer Religionen für seine Wiederwahl gewinnen. Er vermied spezifisch christliche Bezüge, und bei der Lobpreisung der Rolle religiöser Institutionen in der Sozialarbeit würdigte er auch den Beitrag der Muslime. Obwohl Bushs moderner Konservatismus sich vom Rassismus der christlichen Rechten gelöst hat, soll die Trinität »Gott, Familie, Vaterland« die Grundlage seines reaktionären gesellschaftspolitischen Programms bilden.

Family Business

Liberia. War Princess, War Mistress? Bislang war die Führung von Bürgerkriegsparteien Männersache, so dass es nicht einmal einen Begriff für Frauen in dieser Position gibt. Doch am Dienstag der vergangenen Woche setzte Asha Keita-Conneh ihren Ehemann als Führer der Guerillaarmee Lurd ab. Manche Liberianer nennen sie nun »War Lady«, sie selbst bevorzugt den Titel »Friedensstifterin«.

»Wenn man ein großes Geschäft eröffnet und seinem Ehemann die Verantwortung übergibt, dann aber sieht, dass die Dinge sich falsch entwickeln, muss man ihn beiseite schieben«, erläuterte sie ihre Maßnahme. Sie gilt als »spirituelle Beraterin« Lansana Contés, des Präsidenten Guineas und wichtigsten Waffenlieferanten der Lurd, seit sie 1996 einen Putschversuch gegen ihn korrekt vorhersagte. Auch ohne magische Fähigkeiten kann man prophezeien, dass in der größten Guerillaarmee Liberias nun ein blutiger Machtkampf droht. Die meisten Lurd-Feldkommandanten unterstützen Keita-Conneh, doch ihr Gatte mag sich mit seiner Absetzung nicht abfinden. Gesandte der UN-Truppen, die das Friedensabkommen sichern sollen, versuchen nun, zwischen den verfeindeten Fraktionen zu vermitteln.

1 500 Prozent

Bolivien. Der größte Gewerkschaftsverband Boliviens, die COB, ruft für den 21. Februar zu einem landesweiten Streik gegen die Regierungspolitik auf und fordert die Schließung des Kongresses. Jaime Solares, Vorsitzender der COB, erklärte am Donnerstag, bei dem Streik würden auch Straßenblockaden stattfinden, um gegen eine pauschale Lohnerhöhung von drei Prozent für Staatsangestellte zu protestieren. Demgegenüber fordert die COB eine Erhöhung des Mindestlohns von derzeit umgerechnet 55 Dollar auf 820 Dollar pro Monat. Das entspricht knapp 1 500 Prozent.

Im Februar wird die »Schonfrist« für den neuen Präsidenten Carlos Mesa auslaufen, den Nachfolger des im November nach einem Aufstand mit 86 Toten gestürzten Sanchez de Lozada. Solares bezeichnete Mesas Administration als »Fortsetzung der Regierung des gestürzten Präsidenten«.

Killerkampagne

Kambodscha. Den Kampf gegen die sozialen Angriffe von Staat und Kapital auf Löhne und Arbeitsbedingungen zu organisieren, kann mitunter den Job kosten – oder auch das Leben. Der Vorsitzende der Freien Arbeitergewerkschaft Kambodschas, Chea Vichea, wurde am Donnerstag der vergangenen Woche in der Innenstadt Pnomh Penhs von einem motorisierten Killerkommando mit zwei Schüssen ermordet. Das Attentat ist der bisherige Gipfelpunkt einer Serie von politischen Morden an Vertretern der Opposition. So wurden drei Mitglieder der oppositionellen Sam Rainsy Party, die der Freien Arbeitergewerkschaft nahe steht, in den letzten Wochen ermordet.

Vichea hatte in den letzten zwei Jahren Streiks und Proteste kambodschanischer Textilarbeiter mitorganisiert und sich dabei wiederholt mit Vertretern der Sicherheitsbehörden angelegt. Die Textilbranche ist mit Jahresumsätzen von mehreren hundert Millionen US-Dollar der ökonomische Boomsektor Kambodschas, internationale Unternehmen wie Gap und Camel Trophy beschäftigen in den Sweat Shops mehr als 100 000 Arbeiter zu einem Durchschnittslohn von 30 US-Dollar im Monat.