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Geraubte Freiheit

Schweden. Erst drei Jahre nach dem EU-Gipfel in Göteborg beginnen die schwedischen Behörden zu ermitteln, was im Juni 2001 tatsächlich geschah. Zwar wurden mehrere Ermittlungsverfahren gegen Polizeibeamte, die auf Demonstranten geschossen hatten, eröffnet, doch die meisten dieser Verfahren wurden wieder eingestellt. Nur in einem Fall, der immerhin sehr prominent ist, führten die Ermittlungen zu einem Gerichtsverfahren: Seit vergangener Woche steht der damalige Polizeipräsident Hakan Jaldung wegen Freiheitsberaubung von Demonstranten vor Gericht. Jaldung ließ ein Gymnasium, das die Stadt Göteborg extra zur Verfügung gestellt hatte, damit die Teilnehmer der Protestaktionen eine Schlafstatt fanden, noch vor dem Gipfelbeginn absperren und rund 650 Aktivisten 20 Stunden lang festhalten.

Die Abriegelung des Gebäudes durch eine aus Containern gebildete Mauer war von der Staatsanwaltschaft nicht genehmigt worden. Jaldung hatte die Maßnahme mit einer Hausdurchsuchung begründet, die jedoch nie stattfand. Ein dringender Tatverdacht bestand nicht, für die Polizei handelte es sich nur um ein »allgemeines Gefahrenbild«. Jaldung ist sicher nicht der Einzige, der für den gewaltsamen Verlauf des Gipfels verantwortlich ist. Aber immerhin steht er jetzt wenigstens vor Gericht.

Dichte Schotten

Irland. Wenn die europäischen Innenminister wie vergangene Woche in Dublin zusammentreffen, um die Vereinheitlichung des europäischen Asylrechts voranzutreiben, bedeutet das für Flüchtlinge nichts Gutes. Auf die Forderung des UN-Flüchtlingskommissars Ruud Lubbers, mehr Einwanderer und Asylsuchende zuzulassen und in diesen Bereichen mehr Geld auszugeben, reagierten die Minister mit dem weiteren Ausbau der Festung Europa. Es wurde beschlossen, in den kommenden zwei Jahren zusätzliche 30 Millionen Euro für Abschiebungen bereit zu stellen.

Außerdem schlug der irische Justizminister Michael McDowell vor, zukünftig Flugzeuge anzumieten, um festgenommene Illegalisierte und abgelehnte Asylbewerber aus mehreren EU-Ländern zugleich abzuschieben. Die Innenminister der Benelux-Staaten kündigten an, innerhalb der nächsten zwei Wochen den ersten gemeinsamen Abschiebeflug durchzuführen.

Ein weiterer Vorschlag kommt vom deutschen Innenminister Otto Schily. Er möche die Staaten, die ihre Staatsbürger nicht wieder aufnehmen wollen, mit Sanktionen belegen.

Gerechte Bilanz

Frankreich. Der französische Staatspräsident Jacques Chirac will den Arbeitern der staatlichen Bahnbetriebe das Streiken verbieten. Wenn schon nicht ganz, so doch wenigstens »teilweise«. Geht es nach ihm, soll künftig die Aufrechterhaltung des öffentlichen Verkehrs während eines Streiks per Gesetz erzwungen werden, sofern die Bahnbediensteten dazu nicht »freiwillig« bereit sind. Es sei an der Zeit, »eine gerechte Bilanz zwischen zwei Verfassungsprinzipien zu ziehen, dem Recht auf Streik und der Aufrechterhaltung des öffentlichen Verkehrs«, erklärte er. Eine Mehrheit der Franzosen stimmt dieser Aushöhlung des verfassungsmäßig garantierten Streikrechts zu.

Gegen dieses Gesetzesvorhaben und den Plan, 3 600 Stellen bei der Staatsbahn abzubauen, richtete sich in der vergangenen Woche ein 36stündiger Streik der französischen Bahnarbeiter, der große Teile des französischen Bahnnetzes lahm legte. Bereits im vergangenen Jahr kam es in Frankreich wegen der Rentenreform und der damit verbundenen Erhöhung der Lebensarbeitszeit zu wochenlangen Massenmobilisierungen und Streiks. Ministerpräsident Jean-Pierre Raffarin konnte sich damals mit seinem Vorhaben durchsetzen.

Patriarchale Ignoranz

Spanien. Wer kennt ihn nicht, den patriarchalen Topos von der Frau im Minirock, die sexuelle Übergriffe durch ihr »aufreizendes Äußeres provoziert«? Wer indes glaubt, solche Urteilsbegründungen gehörten längst der Vergangenheit an, sei auf das jüngste Urteil eines Madrider Gerichts hingewiesen. Richter Javier Paul Collado wies kürzlich die Klage einer 22jährigen Marokkanerin wegen Misshandlung durch ihren Ehemann mit der absurden Begründung ab, die Klägerin sei für ein Opfer häuslicher Gewalt »zu gut angezogen«.

Auch die Flucht in ein Frauenhaus legte er zum Nachteil der Frau aus. So etwas passe nicht »zu dem Verlust jeglicher Initiative, der misshandelte Ehefrauen kennzeichnet«. Die Urteilsbegründung legte außerdem besonderen Wert auf die äußere Erscheinung der Klägerin. Sie sei »während der dreitägigen Verhandlung nicht nur geschminkt, sondern auch jeden Tag anders gekleidet, mit Ringen und kostbaren Armreifen« vor Gericht erschienen. Das stimme nicht mit dem Bild einer Frau überein, die monatelang Gewalt erleiden musste.

Bin ich schön?

Italien. Zwei bekannte amerikanische Chirurgen tauchen auf. Plötzlich verschwindet der Premierminister für drei Wochen von den Bildschirmen. Von einer Klinik in der Schweiz ist die Rede. Und alles geschieht top secret. Das Resultat ist heute von der italienischen und der internationalen Öffentlichkeit zu bewundern: Es handelte sich bei der geheimen Staatsaktion um eine Schönheitsoperation.

Der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi sieht neuerdings deutlich jünger aus. Das behaupten zumindest etliche italienische Medien, die in der vergangenen Woche die Politikberichterstattung durch andere Kompetenzen ersetzten. Die Tränensäcke und die Augenfalten seien weitgehend verschwunden, auch sein Hals sehe deutlich straffer aus, stellten die Experten fest. Berlusconi beteuert hingegen, er habe nur etwas abgenommen. Ein wenig Eitelkeit erlaubte er sich dennoch vor seinen Ministern: »Habt ihr gesehen, wie schön ich bin?«, fragte er am vergangenen Samstag während der Feier zum zehnjährigen Geburtstag seiner Partei Forza Italia.