Bsirske schluckt die FTD

in die presse

Business as usual in der Financial Times Deutschland vom 5. Februar. Den Tunnelblick auf die ökonomischen Sachzwänge gerichtet, berichtet sie, dass Oracle das Angebot für die feindliche Übernahme von Peoplesoft erhöht. Aber ist in der Nachricht von Oracle nicht selbst ein Orakel versteckt?

In einem kleinen Kasten steht es: Frank Bsirske, der Vorsitzende von Verdi, ist heute Chefredakteur der FTD. Auf Seite zwei ist zu lesen, dass es sich um einen Rollentausch handelt. Die Seite gehört ganz dem Gewerkschaftsführer: Auf einem Foto hält er ein Kantinentablett in der Hand, auf einem anderen blickt er mit drei FTD-Redakteurinnen gleichberechtigt auf einen Bildschirm. Die Paradigmenwechsel sind augenfällig, die Übernahme der Produktionsmittel muss der Redaktion zum Greifen nah erscheinen. Gleichzeitig zeichnet sich eine neue politische Linie ab, denn der Stromkonzernchef Utz Claassen von EnBW bekennt sich zur Mitbestimmung.

Eine Nachlässigkeit macht den Erfolg zunichte. Frank Bsirske lässt in der Redaktionskonferenz den »Finanzen«-Mittelteil achtlos passieren: Börsentendenzen und Fondsberichterstattung lassen die revolutionäre Ungeduld der Leserschaft erlahmen. Das Bild einer Schillerbüste vor Deka-Investment wird mit einer gewöhnlichen Geschmacklosigkeit untertitelt: »Geist trifft Kapital.«

Frank Bsirske hält noch einmal dagegen. »Vier Prozent sind notwendig«, ketzert er zu den Tarifverhandlungen. Dann schreibt er einen Satz, den in der FTD noch niemand gelesen hat: »Die Arbeitskraft ist nicht eine Ware wie jede andere.« Unvermittelt steht die kapitalistische Produktionsweise, die selbst ihre Erzeuger zum Ding macht, vor dem Tribunal. Wo, wenn nicht in der Presse, gilt die Macht des Wortes? Der herrschende Diskurs ist umgekehrt, weil satte Liberale den beinharten Gewerkschafter ans Ruder ließen. Noch einmal erscheint das Orakel, Sanofi will Aventis schlucken, der Kleine den Großen. Aber: »Aus der Feindschaft könnte eine wunderbare Freundschaft werden.« Aha, the FTD are not changing und Frank Bsirske hat eine nette Dienstleistung vollbracht.

winfried rust