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Der freundliche Forderer

Bundesagentur für Arbeit. Viele Männer waren im Gespräch für den frei gewordenen Posten, viele Böcke sollten zu Gärtnern gemacht werden, darunter sogar kurzzeitig Peter Hartz. Superminister Wolfgang Clement (SPD) suchte vergeblich in der Wirtschaft nach einer charismatischen Persönlichkeit, der Bundeskanzler wollte den Arbeitgeberpräsidenten Dieter Hundt und den DGB-Vorsitzenden Michael Sommer zumindest für den Verwaltungsrat der Bundesagentur für Arbeit (BA) gewinnen.

Dann wurde doch bloß der kommissarische Leiter und Finanzvorstand der BA, Frank-Jürgen Weise, zu Florian Gersters Nachfolger gekürt. Ob das eine echte Notlösung war? Schließlich hat Weise nicht nur die Beraterverträge persönlich unterzeichnet, wegen denen Gerster angeblich den Hut nehmen musste. Er geriet auch in die Kritik, weil er seinem ehemaligen Chef nicht gerade hilfreich zur Seite gestanden haben soll, sondern ganz im Gegenteil eine ihn entlastende Stellungnahme der Verwaltung zurückgehalten und damit nach Informationen der ARD »gegen ordnungsgemäße Verwaltungsgrundsätze« verstoßen haben soll. Kann man so jemandem die Bundesagentur für Arbeit in die Hand geben? Ja, man kann. Denn er ist so nett. Er soll gar nicht arrogant sein und ein so einnehmendes Wesen haben, dass sogar politische Gegner von ihm begeistert sind. Sicher wird er den guten Ruf der Nürnberger Behörde wieder herstellen und ihre Zweigstellen zu Orten machen, wo man gern hingeht.

Die neue, freundlichere (Zeit-) Rechnung bei der BA hat bereits begonnen, wie man an den aktuellen Arbeitslosenzahlen sehen kann. Ab sofort gelten die TeilnehmerInnen von Trainingsmaßnahmen statistisch nicht mehr als arbeitslos. Deshalb waren im Januar offiziell bloß 4 597 000 Menschen in Deutschland arbeitslos, 26 400 weniger als vor einem Jahr. Der Welt am Sonntag sagte Weise, die Arbeitslosenzahl könne bis Herbst sogar auf vier Millionen fallen, »wenn jetzt der Aufschwung kommt«. Wer wagt das zu bezweifeln?

Du fährst zu oft nach Heidelberg

Berufsverbot. Stell dir vor, du willst Lehrer werden, aber man lässt dich nicht. Erinnerungen an die siebziger Jahre werden wach. Da war doch mal was?

Mitte Dezember vergangenen Jahres teilte das Oberschulamt Karlsruhe dem Heidelberger Michael Csaszkoczy mit, das Innenministerium habe gegen seine Einstellung als Realschullehrer zum neuen Schuljahr Einspruch erhoben. Es bestünden Zweifel daran, ob er jederzeit bereit sei, für die freiheitliche demokraktische Grundordnung einzutreten. Die Zweifel hätten sich aus Informationen des Bundesamtes für Verfassungsschutz ergeben, die zehn Jahre lang gesammelt wurden.

Csaszkoczy ist seit Jahren aktiv in der Antifaschistischen Initiative in Heidelberg und setzt sich für das dortige Autonome Zentrum ein. Jetzt wartet er auf einen Termin für eine Anhörung, bei der er die Gelegenheit haben wird, die Zweifel an seiner Verfassungstreue auszuräumen. Faktisch unterliegt er damit zurzeit einem Berufsverbot, wie das Solidaritätskomitee gegen das Berufsverbot Michael Csaszkoczys in einer Pressemitteilung feststellt.

Die Verhinderung der Berufsausübung von Lehrern, Postbeamten und anderen Personen im öffentlichen Dienst, die als »radikal« gelten, hat eine Tradition in Deutschland, die man jedoch mit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte aus dem Jahr 1995 für beendet halten konnte. Damals erklärte das Gericht die Meinungs- und Vereinigungsfreiheit einer Lehrerin für eingeschränkt. Der so genannte Radikalenerlass trat 1972 in Kraft. Er zog 3,5 Millionen Regelanfragen beim Verfassungsschutz, rund 10 000 Nichteinstellungen und 130 Entlassungen nach sich.

Revision oder Abschiebung

Hamburger Terrorprozess. Ob Abdelghani Mzoudi in die Planung der Anschläge vom 11. September 2001 in New York eingeweiht war oder sogar seinen Teil dazu beitrug, weiß man nicht. Ebenso wenig weiß man, ob der in den USA inhaftierte »Cheflogistiker der Anschläge«, Ramzi Binalshibh, in seiner entlastenden Aussage für Mzoudi gelogen hat oder nicht. Zumindest konnte das Hamburger Oberlandesgericht die Mitgliedschaft Mzoudis in einer terroristischen Organisation nicht nachweisen und sprach ihn am vergangenen Donnerstag frei.

Sicher ist dagegen, dass Hamburg den Studenten möglichst schnell loswerden möchte. Einer Abschiebung nach Marokko, die der Hamburger Innensenator Dirk Nockemann angekündigt hat, steht nun aber im Wege, dass sowohl die Nebenklage als auch die Bundesanwaltschaft Revision einlegen gegen das Urteil. Jetzt kann nur noch mit Einwilligung der Bundesanwaltschaft abgeschoben werden.

Die Branche strahlt

Atomkraft. Auch wenn der Aufschwung auf sich warten lässt, hat die deutsche Atomwirtschaft keinen Grund zur Klage. Zwei Tage berieten sich Vertreter der Stromkonzerne, verschiedener Banken und diverser Atomforschungszentren in der vorigen Woche im Berliner Hotel Maritim. »Deutsches Atomforum« nennt sich die Versammlung, die guter Dinge in die Zukunft blickte. Schließlich will man die Erweiterung der Europäischen Union dazu nutzen, in Osteuropa neue Atomkraftwerke zu bauen. Bis ins Jahr 2009 soll in Finnland der von Siemens mitentwickelte Europäische Druckwasserreaktor ERP gebaut werden, später in Frankreich und vielleicht in Osteuropa, berichtete die Zeitung Neues Deutschland.

100 Atomkraftgegner des Berliner Anti-Atomforums demonstrierten gegen die Tagung. Und schon Ende Februar bzw. Anfang März wartet viel Arbeit auf die Feinde der strahlenden Technologie. In diesem Zeitraum soll ein Castor-Transport mit Atommüll vom Forschungszentrum Rossendorf bei Dresden nach Ahaus rollen.