Ich bin ein Mensch, sagt die katholische Kirche. Ich bin ein medizinischer Meilenstein, sagt Genforscher Robert Lanza. Ich bin ein moralisches Dilemma, denkt der Sozialdemokrat. Ich bin das Symbol der Biomacht Asien, schreibt der Spiegel.
Ich bin nur fünf Tage alt, zweihundert Zellen groß, aber meine Kerne sind schon ganz erwachsen. Hwang Woo Suk und seine Kollegen haben mir den erwachsenen Kern eingepflanzt, ich bin ein Klon. Meine Stammzellen können jetzt zu Blutkörperchen, Nerven oder Gehirnzellen wachsen. Vielleicht. Vielleicht wachsen auch nur behaarte Blinddärme, farbenblinde Augen oder Milch spendende Kopfhaut. Wie man mir die richtigen Gene anschaltet, weiß noch niemand.
Und was ich dazu sage? Nichts! Ich kann nicht sprechen, nicht glauben, nicht entscheiden. Ich kann nichts, aber ich könnte alles werden. Ich könnte ein Moraltheologe werden, eine Leber, ein verkümmerter Zellhaufen, eine Molekularbiologin, ein Herz, ein Mann mit unerfülltem Kinderwunsch oder ein Krebsgeschwür. Ich könnte. Ich bin das pure Potenzial. Ich bin die totipotente Blastocyste.
ferdinand muggenthaler
