Kanzler dir deine Meinung

in die presse

Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion im Bundestag sieht die Bild-Zeitung einen »schäbigen Kurs« gegen die Regierung fahren, andere SPD-Mitglieder glauben, dass diese Zeitung gezielt »Minderheitenmeinungen« einsetze, Regierungssprecher Béla Anda schließlich sagte, die Bild-Zeitung gebe der Regierung »nicht den Hauch einer Chance auf eine differenzierte oder gar faire Berichterstattung«.

Tatsächlich ist es so, dass die größte deutsche Tageszeitung kaum ein gutes Wort für die Regierungspolitik findet. Dabei geben sich der Kanzler und seine Getreuen alle Mühe, das zu tun, was die Bild-Kommentatoren fordern: jene so genannten Reformen durchzuführen, die das bisher gekannte deutsche Sozialsystem nur noch als Karikatur seiner selbst zurücklassen werden.

Das Ausmaß der Verärgerung ist kaum zu erklären, schließlich war Anda einst selbst bei der Bild-Zeitung, und auch der Kanzler hatte seinerzeit, 1998, in den ersten rot-grünen Koalitionsverhandlungen immer wieder die jeweilige Bild-Ausgabe zu Rate gezogen, um den Grünen ihre Forderungen auszureden. Zudem hat, wie der Spiegel meldete, das Forschungsinstitut »Medien Tenor« herausgefunden, dass Die Zeit oder der Stern viel kritischer über die Regierung schrieben, als die gescholtene Bild. Zudem muss sich eine Zeitung von dieser Größe als Anwalt derer gerieren, die sie kaufen, so dass Kürzungen im Sozialbereich stets kritisiert wurden, um sie später wieder einzufordern, allerdings mit anderen Worten.

Die SPD also müsste es besser wissen. Doch in ihrem Wahn, das Richtige zu tun, darin zum ersten Mal einer sozialistischen Regierung nicht unähnlich, glaubt sie nicht, dass die Klientel tatsächlich rumort, und suggeriert sich daher eine Schmähkampagne herbei. Es kann ja auch nicht sein, dass wirklich jemand die Praxisgebühren ungern bezahlt.

jörg sundermeier