Nachrichten

Verletzte Menschenrechte I

Frankreich. Wer beschuldigt wird, die Deportation von 1 700 Juden während des Zweiten Weltkriegs organisiert zu haben, ist allemal besser dran als ein »gewöhnlicher« Straftäter. Denn nach wie vor bleibt Maurice Papon in den Augen vieler Mitglieder der französischen Staatsklasse ein konservativer Ehrenmann, der nach dem Krieg das Amt des Polizeipräsidenten von Paris und eines Ministers bekleidete. Doch 1998 wurde Papon wegen seiner Rolle als Mitarbeiter der Präfektur von Bordeaux (1942 bis 1944) belangt und zu zehn Jahren Haft verurteilt. Das Gefängnis von innen gesehen hat er dennoch nur kurze Zeit. Aus gesundheitlichen Gründen blieb er bis zur Verhandlung seines Berufungsverfahrens im Oktober 1999 frei und setzte sich in einen luxuriösen Schweizer Wintersportort ab. Der Oberste Gerichtshof lehnte seinen Berufungsantrag ab, weil Papon sich selbst der Verhandlung entzog. Am vergangenen Donnerstag bekam der alte Staatsverbrecher jedoch mit seiner Forderung Recht, den Prozess gegen ihn noch mal aufzurollen. Seine Menschenrechte seien vom Obersten Gerichtshof verletzt worden. Papon wird der Verhandlung als freier Mann beiwohnen.

Verletzte Menschenrechte II

Türkei. Still ist es geworden um Abdullah Öcalan, den Führer der kurdischen PKK, der auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali eine lebenslange Haftstrafe absitzt. Nun meldete sich das Anti-Folterkomitee des Europarates im Fall Öcalan zu Wort. Die Haftbedingungen des PKK-Chefs seien inakzeptabel, da es seinen Verwandten nur alle drei Monate erlaubt sei, ihn zu besuchen.

Die Türkei geriet im Zuge der Diskussionen um ihren EU-Beitritt wiederholt wegen Menschenrechtsverletzungen auf Polizeirevieren und in Gefängnissen sowie der staatlichen Praxis des »Verschwindenlassens« politischer Aktivisten in die Kritik. Im November 2003 wurde die Todesstrafe offiziell abgeschafft. Die Generalsekretärin von amnesty international Deutschland stellte im Februar jedoch während eines Besuches in Istanbul fest, ihre Organisation erhalte »weiterhin beunruhigende Berichte über Folter und Misshandlungen von Häftlingen sowie über erhebliche Beeinträchtigungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit vor allem bei Menschenrechtsverteidigern und politisch Andersdenkenden«.

Die Anklage tritt zurück

Den Haag. Das Verfahren gegen Slobodan Milosevic vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal droht unter Umständen zu scheitern. Vergangene Woche erklärte der Vorsitzende Richter Richard May seinen Rücktritt aus gesundheitlichen Gründen. Das gesamte Gerichtsverfahren steht nun zur Disposition, da eine Berufungskammer über die Einsetzung eines neuen Vorsitzenden Richters entscheiden muss. Ohne die Zustimmung des Angeklagten ist dieser Vorgang jedoch nicht möglich.

Milosevic, dessen Gesundheit ebenfalls angeschlagen ist, könnte diese Rechtsklausel nutzen, um den Prozess noch vor Beginn der Anhörung der Zeugen der Verteidigung im kommenden Juni platzen zu lassen. Der Prozess müsste in diesem Fall neu aufgerollt werden. Ob er dies zu tun gedenkt, bleibt vorerst unklar. Zumindest seine vollmundige Erklärung, ab 8. Juni so hochrangige Zeugen wie den ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton, den deutschen Kanzler Gerhard Schröder und den britischen Premier Tony Blair als Zeugen der Verteidigung vorladen zu lassen, spricht gegen diese Annahme.

Verdienste um den Staat

Tschechien. Der ehemalige Staatspräsident Edward Benes soll nach dem Willen des tschechischen Parlaments für seine »Verdienste um den Staat« geehrt werden.

Benes unterzeichnete als Präsident der Tschechoslowakei 1945 die nach ihm benannten Dekrete zur Ausweisung der Sudentendeutschen. Er begründete diese Maßnahme mit der bedeutsamen Rolle der Sudetendeutschen bei der Zerschlagung der CSR im Jahr 1938 und ihrer aktiven Kollaboration mit den Besatzungsbehörden bei der Verfolgung und Vernichtung von Juden und antifaschistischen Partisanen in der Folgezeit.

Wüste Kritik an dem Vorhaben des tschechischen Parlaments kam aus dem Spektrum der Berufsvertriebenen. So polterte Bernd Posselt, der Bundesvorsitzende der Sudetendeutschen Landsmannschaft, das Gesetz sei eine Verhöhnung von Millionen Vertriebener, und forderte den tschechischen Senat und den Staatspräsidenten Vaclav Klaus, die der Vorlage noch zustimmen müssen, dazu auf, »dieses reaktionäre, vergangenheitsorientierte und nationalistische Gesetz zu stoppen, das ein miserabler Start der Tschechischen Republik in der Europäischen Union wäre«.

Ende eines großen Tages

Mazedonien. Der vergangene Donnerstag sollte ein großer Tag für Mazedonien werden. In Dublin war die formelle Überreichung des mazedonischen EU-Beitrittsgesuchs geplant. Dazu sollte es nicht kommen, denn am Morgen desselben Tages stürzte die Maschine des mazedonischen Präsidenten Boris Trajkovski nahe dem bosnischen Dorf Bitonja ab. Trajkovski, der auf dem Weg zu einer Konferenz in der südbosnischen Stadt Mostar war, kam dabei zu Tode. Innerhalb von 40 Tagen muss nun ein neuer Präsident gewählt werden.

Trajkovskis ganzer Ehrgeiz galt der Annäherung Mazedoniens an die EU. Durch das Abkommen von Ohrid gelang es ihm im Jahr 2001 zudem, einen drohenden Bürgerkrieg zwischen albanischen UCK-Separatisten und der Regierung abzuwenden.

In Ohrid vereinbarten die Konfliktparteien damals unter Aufsicht von EU, Nato und USA weitreichende rechtliche Zugeständnisse an die albanische Minderheit. In einer Präambel zur Verfassung wurde Mazedonien nicht länger allein als Nationalstaat der slawischen Mazedonier, sondern als Staat aller in Mazedonien lebenden ethnischen Gruppen bezeichnet.