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Traumpartei gesucht

Gewerkschaften. Es ist ein schöner Traum, den manche Gewerkschafter da offensichtlich träumen. Der Traum von einer Partei, die sich nicht nur sozialdemokratisch nennt, sondern auch sozialdemokratische Politik macht. Die in den härtesten Tarifauseinandersetzungen treu an der Seite der Gewerkschaften steht und die Rechte der Arbeiterschaft mutig verteidigt. Eine Partei, die für soziale Gerechtigkeit streitet und nicht um Ministersessel.

Eine solche Partei gibt es in Deutschland nicht. Also liegt der Gedanke nahe, sie zu gründen. Einem Bericht der Süddeutschen Zeitung zufolge wird in den Gewerkschaften darüber diskutiert, eine linkspopulistische Partei aus Gewerkschaftern und Globalisierungskritikern ins Leben zu rufen, sie werde bereits »nahezu konspirativ vorbereitet«. Diese Pläne würden zwar immer wieder dementiert, die Gerüchte aber hielten sich beständig. Und die Gewerkschaftsführung beobachte dies argwöhnisch.

Ähnliche Vorhaben wurden der Jungle World auch aus Berlin bekannt. Hier gab es offenbar Treffen von Gewerkschaftern, auf denen über ein Volksbegehren beraten wurde, um die rot-rote Koalition vorzeitig aus dem Amt zu hieven. Sollte es erfolgreich sein, will man mit einer linken Liste bei Neuwahlen antreten. Dabei hätte das Ergebnis der Hamburger Bürgerschaftswahl die Träumenden längst aufwecken müssen. Satte 1,1 Prozent der Wählerstimmen erhielt die linke Liste Regenbogen dort.

Zweifel über Zweifel

Motassadeq-Prozess. Die strafrechtliche Verfolgung möglicher Helfer der Attentäter vom 11. September 2001 gestaltet sich in Deutschland immer schwieriger. Nachdem im vergangenen Dezember bereits Abdelghani Mzoudi auf freien Fuß gesetzt worden war, hob in der vorigen Woche der Bundesgerichtshof in Karlsruhe das Urteil gegen Mounir Motassadeq auf (Jungle World, 52/03). Dieser war im Februar 2003 zu 15 Jahren Haft wegen Beihilfe zum Mord in 3 066 Fällen verurteilt worden. Die Richter zeigten sich überzeugt, dass Motassadeq die finanziellen Geschäfte der Attentäter um Mohamed Atta, der so genannten Hamburger Zelle, erledigt und ihre Abreise in die USA getarnt hatte. Nun muss der Fall vor dem Oberlandesgericht Hamburg neu verhandelt werden.

Der Bundesgerichtshof begründete die Aufhebung des Urteils damit, dass die Beweiswürdigung der Hamburger Richter einer rechtlichen Prüfung nicht standhalte. Ein Anführer der Terrorgruppe, Ramzi Binalshib, der in den USA inhaftiert ist, habe nicht vernommen werden können, außerdem habe die Bundesregierung den Einblick in Vernehmungsprotokolle Binalshibs, die dem Bundeskriminalamt und dem Bundesnachrichtendienst vorlägen, verweigert.

Nur ein bisschen Sprengstoff

Rechtsextremismus I. Der bayerische Innenminister Günter Beckstein (CSU) sprach von der Gefahr der Entstehung einer »Braunen Armee Fraktion«, als im September die Münchner Polizei bei einer Gruppe von Neonazis 1,7 Kilo TNT sicherstellte. Die Gruppe um den Rechtsextremisten Martin Wiese hatte einen Anschlag auf die Grundsteinlegung für das jüdische Gemeindezentrum in München geplant.

In der vorigen Woche wurden nun vom Landgericht Neuruppin die Lieferanten des Sprengstoffs, zwei junge Männer aus dem uckermärkischen Brüssow, verurteilt. Sie konnten nach der Verhandlung gemütlich nach Hause gehen, denn beide kamen mit Bewährungsstrafen davon. Der 25jährige Marcel K., bei dem die Polizei neben Sprengstoff auch Pistolen gefunden hatte, erhielt ein Jahr und neun Monate auf Bewährung, der 24jährige Steven Z. erhielt ein Jahr auf Bewährung. Der Richter sagte in der Urteilsbegründung: »Beide haben glaubhaft versichert, dass sie über die eigentlichen Anschlagspläne nicht informiert waren.« Und das bisschen Sprengstoff hat man in der Uckermark eben zu Hause.

Optisch rechts

Rechtsextremismus II. Auch im Raum Magdeburg wohnen unpolitische Rechtsextreme. So griff in der vorletzten Woche ein 16jähriger Neonazi einen 17jährigen Antifaaktivisten in Quedlinburg auf offener Straße mit einem Messer an. Der Angegriffene musste im Krankenhaus operiert werden. Noch in derselben Nacht drang der Neonazi mit zwei Kameraden in das Krankenhaus ein, sie konnten jedoch vom Klinikpersonal verscheucht werden.

Der Sprecher der Polizei in Halberstadt, Ullrich Wagner, spricht von einer »Einzeltat«. Der Täter »gebärdet sich zwar von der Optik her als Rechtsradikaler«, sei aber keiner »verfestigten Struktur zuzuordnen«. Bei dem 16jährigen wurden ein Klappmesser und ein Totschläger mit Hakenkreuz gefunden. Der angegriffene Antifaschist sagte der Volksstimme, er kenne den Täter gut, dieser gehöre zur rechten Szene Magdeburgs und sei schon öfter dabei gewesen, »wenn uns die Rechten aufgemischt haben«.

Am Sonntag der letzten Woche schlug dieselbe Gruppe Neonazis dann mit Baseballschlägern die Haustür eines 17jährigen ein. Als die Polizei die Täter überwältigte, gaben sie an, auf dem Weg zu einem linken Treffpunkt zu sein, um »Deutschland vor den Zecken zu retten«. Sie brüllten: »Sieg heil!« Die Polizei nahm die drei Einzeltäter vorläufig fest.

Was sich anbahnt

Bahn AG. Langsam muss es selbst dem eingefleischten Liebhaber der Bahn klar geworden sein: Die Bahn AG will ihre Kunden loswerden. Besonders in Berlin und in ländlichen Regionen sollen demnächst wieder »notwendige Personalmaßnahmen sozialverträglich erfolgen«. Die Bahn plant nach Informationen der Gewerkschaft Transnet, rund 100 Verkaufsstellen zu schließen und 1000 Arbeitsplätze abzubauen. Das Motto lautet offenbar: Wenn die Züge eh Verspätung haben, kann der Kunde ja derweil im »Reisezentrum« in der Schlange stehen.