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Diktieren und verlegen

Buchmarkt. Mit der bauernfängerischen Parole »Alle Welt spricht über ihn. Wir lassen ihn selbst zu Wort kommen« bewirbt der Kasseler Kleinverlag edition defacto die deutsche Ausgabe eines Romans mit dem Titel »Zabiba und der König«.

Wessen unterdrückten Worten der Verlag da zur publizistischen Freiheit verhelfen will, glaubt man kaum. Der Verfasser des Buches, das eine »äußerst subtile Wanderung auf den Pfaden des Politisch-Philosophischen, verhüllt in ein Liebesmärchen aus 1001 Nacht« sei, ist angeblich Saddam Hussein. Der Verlag erkennt in dem bizarren Schriftstück, das bereits in Frankreich publiziert und von der dortigen Kritik als unlesbar qualifiziert wurde, ein großartiges Manifest, das vollgepackt sei mit Reflexionen über »den Beitrag der Frau zur sozialen und nationalen Entwicklung«, »die Schaffung politisch aktiver Zwischenstellen zur Untermauerung der Glaubwürdigkeit eines Regimes« und über »die Unvermeidlichkeit der Volksregierung«. Zugleich wage der Verfasser eine »mutige Betrachtung der Sexualität in der arabischen Gesellschaft«.

Mit der ästhetisch brutalen Veröffentlichung verfolgt der Verlag seine Programmatik weiter, das aktuelle Zeitgeschehen seit dem 11. September für ein rechtsextremistisches Weltbild auszudeuten. So wurde für das Vorwort zur deutschen Ausgabe von »Zaiba und der König« Gilles Munier eingespannt, der dem Komitee Amitiés franco-irakiennes, einer Ansammlung von Revisionisten und Rechtsextremen, vorsteht. Laut Verlagsangabe schrieb Munier den Begleittext »mit Bewilligung und Empfehlung von Saddam Hussein«. Weitere Titel des aktuellen Programms stammen von dem Verschwörungstheoretiker Thierry Meyssant (»Der 11. September 2001: Der inszenierte Terrorismus. Auftakt zum Weltbrand?«).

Der Mann, der den Dubiosesten der Dubiosen ein verlegerisches Forum bietet, heißt Pierre Krebs, ist ein gebürtiger Franzose und als Vorsitzender des Thule-Seminars eine Größe im deutschen Rechtsextremismus.

Kaufen und entlassen

Frankfurter Rundschau. Auf den Titel »unabhängige Tageszeitung« wird das Blatt in Zukunft wohl verzichten müssen. Denn die angeschlagene Frankfurter Rundschau steht auf dem Einkaufszettel der SPD ganz oben. Zumindest möchte die parteieigene Holding Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft (DDVG) kurzfristig mit Mehrheitsbeteiligung bei der Rundschau einsteigen. Und dann hat sich die Unabhängigkeit der Zeitung, die bislang ganz freiwillig einen sozialdemokratischen Kurs fährt, faktisch erledigt.

Richtig toll sind die Perspektiven, die der Kaufanwärter den Beschäftigten der Zeitung bieten kann, aber auch nicht. Die SPD plant, mit der Rundschau ähnlich rigoros umzuspringen wie mit dem Land, das sie momentan regiert. »Ich gehe davon aus, dass es einen Abbau des Personalbestandes gibt, der über die ursprünglichen Vorstellungen des Geschäftsführung noch hinausgehen könnte«, sagte Schatzmeisterin Inge Wettig-Danielmeier.

Dürfen die das? Eine Tageszeitung kaufen? Will sich unser italophiler Bundeskanzler jetzt an Berlusconi orientieren? Schreibt der Kanzler die Kommentare zum Kanzler demnächst selbst? Die Schatzmeisterin der SPD sagte dazu schon mal, was sie wohl sagen musste: Die FR werde eine unabhängige Stimme bleiben.

Schweigen und strafen

Bild. Das passt ja. Kaum hat Gerhard Schröder verkündet, dass er mit Bild und stern kein Wort mehr sprechen wird, kauft seine Partei sich eine eigene Zeitung. Aber natürlich hat das eine mit dem anderen nichts zu tun. Gar nichts? Immerhin geht es in beiden Fällen um Pressefreiheit und deren Gefährdung und darum, wer wem im Mediendschungel gewogen ist. Bild-Chef Kai Diekmann ist bekanntlich dem alten Kanzler deutlich mehr gewogen als dem aktuellen Kanzler.

Gern ließ sich Altkanzler Kohl kürzlich in seinem zur »Memoiren-Werkstatt« geadelten Tiefparterre im Oggersheimer Einfamilienhaus von Kai Diekmann zu seiner gerade erschienenen Biografie »Erinnerungen« interviewen. Müssen die Bild-Leser also künftig mit dem Retro-Look von Helmut Kohl vorlieb nehmen und werden sie zurück in die achtziger und neunziger Jahre gebeamt, weil nur der alte, nicht der amtierende Regierungschef mit dem Krawallblatt spricht?

Genau das wollen die Mitglieder der Bundespressekonferenz (BPK) verhindern. Sie protestierten in der vergangenen Woche offiziell gegen den Interview-Boykott von Schröder. Mehrere Redaktionen, darunter die Berliner Zeitung und die taz, hatten sich bei der BPK über die medienpolitsche Mimosenhaftigkeit des Bundeskanzlers beschwert. Es könne »heute Bild und Stern, morgen aber jeden anderen treffen«, so Uwe Vorkötter, Chef der Berliner Zeitung. Ihr Engagement stellte taz-Chefin Bascha Mika allerdings unter einen Vorbehalt: »Das bedeutet noch lange nicht, dass die taz die Boulevardmethoden von Bild verteidigt.« Einsatz für die Pressefreiheit hin oder her: Auch in Zukunft wird sich der Kanzler wohl die Freiheit nehmen, nicht mit der taz und anderen, noch linkeren und noch kleineren Blättern zu sprechen. Und so endete die letzte Woche für die taz wieder einmal, ohne dass sie ein Kanzler-Interview bekommen hätte. Aber immerhin gab es ein Kanzler-Berater-Interview . Peter Glotz, Ex-Medienbeauftragter der SPD und heute als Professor in St. Gallen tätig, beriet den Kanzler unaufgeforderterweise via taz-Gespräch. Die Schweigsamkeit des Medienkanzlers gegenüber missliebigen Zeitungen nannte er einen Fehler. Professoren-O-Ton: »Solche Boykotte sind Formen kommunikativer Verweigerung.«