Ins Wasser gefallen

Dem Schwimmer Ian Thorpe unterläuft ein Frühstart

»Ein Freund schickte mir sofort danach eine SMS, die aus einem einzigen Wort bestand: Ooops. Ein adäquater Ausdruck, der die ganze Situation zusammenfasst«, sagte Ian Thorpe kurz nach seinem Missgeschick.

Der Weltklasseschwimmer war bei der australischen Olympiaqualifikation ausgerechnet vor dem Start des 400-Meter-Vorlaufs vom Startblock geplumpst. Der Platscher sah nicht nur blöde aus, sondern bedeutet auch, dass Thorpe keine Chance haben wird, bei den Olympischen Spielen von Athen da zu starten, wo er seit 1997 ungeschlagen ist.

Denn vom Startblock zu fallen, wird nach den Regeln des Verbandes als Fehlstart gewertet, worauf die sofortige Disqualifikation steht. Da die australische Olympia-Qualifikation streng ist, hat Thorpe keine Chance mehr, der Schwimmer mit den meisten Goldmedaillen zu werden.

Thorpe nahm die Entscheidung nach zwei abgeschmetterten Protesten hin und erklärte, er wolle auf keinen Fall, dass sein Freund Craig Stevens, der bei dem Rennen Zweiter wurde, nun auf seinen Start in Athen verzichte: »Craig hat seine Sache gut gemacht, ich werde ihn auf keinen Fall bitten, für mich Platz zu machen.«

So könnte der Fall erledigt sein – schließlich erwischt es bei jedem großen Sportereignis immer irgendeinen Favoriten –, wenn der Thorpe’sche Platscher nicht in Australien als nationale Angelegenheit empfunden würde.

Die Regeln müssten geändert werden, fordern die Kommentatoren der großen Zeitungen unisono, es sei entsetzlich unfair, dass bereits ein Fehlstart zur Disqualifikation führe. Dabei wure diese one-strike-Regel eben aus Fairnessgründen eingeführt. Früher provozierten Schwimmer gern Fehlstarts, um die Konkurrenz nervös zu machen.

Als erste Umfragen zeigten, dass eine Mehrheit der Australier sehr bestürzt über den Verlust der sicher geglaubten Medaillen ist, mischte sich Premierminister John Howard ein. Er sei »tief bestürzt«, und es sei »eine Tragödie, dass einer der größten Schwimmer unseres Landes auf seiner Lieblingsstrecke nicht bei Olympia starten darf«. Er respektiere zwar »die Unabhängigkeit des Schwimmverbandes und der Olympia-Verantwortlichen«, aber er wette, »dass sie einen ehrenvollen Weg finden werden, mit einer Sache umzugehen, die aus Pech resultiert und tragisch für das ganze Land ist«. Was ihnen andernfalls drohe, sagte der Premier übrigens nicht.

Thorpe und seinem Team scheinen solche Reaktionen unheimlich zu sein. Sein Coach Tracye Menzies erklärte jedenfalls: »Vor drei Wochen verlor unser Yoga-Trainer bei einem Surfunfall ein Auge. Es ist schade, dass Ian über die 400 Meter nicht antreten darf, aber er ist gesund. Manchmal ist es wichtig, dass man die Dinge in die richtigen Relationen rückt.«

kim bönte