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Libyen/Großbritannien. »Wendet euch reuig an euren Herrn und ergebt euch ihm, bevor die Strafe über euch kommt«, empfiehlt der Koran. Mit dem Herrn ist eigentlich Gott gemeint, aber zur Not tut es auch der britische Premierminister Tony Blair. Seitdem der libysche Staatschef Muammar al-Gaddafi Entschädigungszahlungen für die Opfer libyscher Terroranschläge zugesagt und auf Massenvernichtungswaffen verzichtet hat, schreitet die Normalisierung der Beziehungen zur westlichen Welt rasant voran. Blair, der dabei eine Pionierrolle übernehmen will, wurde bei seinem Besuch in Libyen in der vergangenen Woche von Gaddafi mit einer Schmeichelei begrüßt: »Sie sehen jung aus.« Danach sprach man über die Belohnung für Gaddafis reuige Umkehr.

Blair will Gaddafi für den »Krieg gegen den Terror« rekrutieren. Damit der neue Verbündete al-Qaida nicht mit leeren Händen gegenüber steht, will Blair britischen Presseberichten zufolge libysche Offiziere ausbilden lassen und würde auch gern wieder Waffen liefern, wäre da nicht das lästige EU-Embargo. Wohl nicht zufällig am Tag des Besuchs unterzeichnete der britisch-niederländische Shell-Konzern einen Vertrag über die Nutzung libyscher Öl- und Erdgasquellen.

Islamistischer Dialog

Sudan. Auch das islamistische Militärregime im Sudan, das einst Ussama bin Laden beherbergte, gibt sich kompromissbereit. »Im politischen Dialog« wolle man den Konflikt in der ostsudanesischen Provinz Darfur lösen, der in den vergangenen Monaten 10 000 Menschen das Leben kostete und mehr als 800 000 zur Flucht zwang. Amnesty International kommt jedoch zu einer etwas anderen Bewertung: »Die Zentralregierung erlaubt verbündeten Milizen, eine Strategie der gewaltsamen Vertreibung durchzuführen.« Mukesh Kapila, der UN-Koordinator für den Sudan, sprach von »ethnischen Säuberungen« und erklärte: »Die Regierung weiß genau, was geschieht, und sie kann die Milizen beeinflussen.«

Bereits im Kampf gegen die südsudanesische SPLA, mit der derzeit Friedensverhandlungen geführt werden, bediente sich das Regime der Hilfe arabischer Milizen. Da sich die islamistischen Generäle keine Illusionen über ihre Beliebtheit in Darfur machen, sehen sie alle Zivilisten als potenzielle Oppositionelle und behindern die Hilfslieferungen.

Ein weiterer Sargnagel

Venezuela. Der Machtkampf zwischen der linksgerichteten Regierung Chávez und der Opposition hat im Obersten Gerichtshof seine Fortsetzung gefunden. Die Kammer des Gerichts, die für Verfassungsfragen zuständig ist, hat am Dienstag der vergangenen Woche eine kürzlich gefällte Entscheidung der Wahlrechtskammer aufgehoben. Diese hatte mehr als 800 000 vom Nationalen Wahlrat (CNE) nicht anerkannter Unterschriften für ein Referendum gegen Präsident Hugo Chávez für gültig erklärt. Nach der neuen Entscheidung müssen die Stimmen nun doch überprüft werden.

Die Opposition versucht, Chávez mittels eines Referendums aus dem Amt zu jagen. Um das Quorum von 2,4 Millionen Stimmen zu erreichen, hat sie lediglich bis zum 19. August Zeit. »Für die Opposition ist die Entscheidung der Verfassungskammer ein weiterer Sargnagel«, kommentierte José Cerritelli, ein Analyst der Investmentbank Bear Sterns in New York.

Keine Umarmung

Haiti. Es sei eine »Politik der Absicherung«, 37 hohen Funktionären der Ende Februar gestürzten Regierung Jean-Bertrand Aristides die Ausreise zu verbieten, erläuterte Justizminister Bernard Gousse eine der ersten Maßnahmen der neuen Regierung. Alles weitere sei Sache der Justiz. Der Nachweis, dass führende Mitglieder der Regierung Aristides an kriminellen Geschäften beteiligt waren, soll offenbar den dubiosen Machtwechsel nachträglich legitimieren. Weit weniger Eifer zeigt die neue Regierung bei Ermittlungen gegen die unter anderem aus Kriminellen und Rechtsextremisten bestehende bewaffnete Opposition gegen Aristide. Premierminister Gérard Latortue bezeichnete sie als »Freiheitskämpfer«.

Dieses recht eigenwillige Urteil ist einer der Gründe für die Weigerung des regionalen Staatenbundes Caricom, die neue Regierung Haitis offiziell anzuerkennen. »Man kann keine Regierung umarmen, die Leute umarmt, die eine Regierung mit Gewalt gestürzt haben«, erklärte Fred Mitchell, der Außenminister der Bahamas. Zudem sind die Caricom-Staaten verärgert, weil sie an der Haiti-Politik nicht beteiligt wurden. Selbst die politisch und wirtschaftlich eng mit den USA verbundenen Bahamas mochten diesmal den Wünschen George W. Bushs nicht folgen. Die US-Regierung hatte die Caricom-Staaten zur Anerkennung der Regierung Latortues aufgefordert.

Späte Entschädigung

Japan. Überraschend hat ein Distriktgericht in Niigata in der vergangenen Woche elf ehemaligen chinesischen Zwangsarbeitern eine Entschädigung in Höhe von 88 Millionen Yen (knapp 700 000 Euro) zugesprochen. Insgesamt wurden während des Zweiten Weltkrieges etwa 800 000 Asiaten zur Zwangsarbeit nach Japan verschleppt. »Fast 20 Prozent starben binnen weniger Monate. Diese Entscheidung zeigt ein tiefes Verständnis dieser Realität«, kommentierte Osamu Kaneko, der Anwalt der Kläger.

Bislang hatten sich die meisten Gerichte der Auffassung der Regierung angeschlossen, dass sämtliche Schadenersatzansprüche durch internationale Verträge hinfällig geworden seien. Der Richter Noriyoshi Katano will die Regierung zu einer Entschädigungszahlung verpflichten, weil Japan es versäumt habe, die extremen Arbeitsbedingungen zu verbessern. Das Urteil von Niigata könnte ein Präzedenzfall für andere anhängige Klagen werden. Die Regierung nannte es »hart«, die Transportfirma Rinko findet es »unpassend«.