Nachrichten

Polen will hoffen

Polen. Das hat sich der polnische Ministerpräsident Leszek Miller fein ausgedacht. Er wird in die Geschichtsbücher als derjenige eingehen, der Polen am 1. Mai in die EU geführt hat. Einen Tag später will er dann zurücktreten, verkündete er am Freitag der vergangenen Woche. Miller war in den vergangenen Monaten in die Kritik geraten, weil er in verschiedene Korruptionsskandale verwickelt sein soll. Zudem verfügte seine sozialdemokratische Regierungspartei SLD seit dem Bruch der Koalition mit der Bauernpartei vor 13 Monaten über keine Mehrheit mehr im Parlament. Den schwersten Stoß versetzten Miller allerdings die eigenen Genossen. In der Nacht zum Freitag verließen mehr als 27 Abgeordnete und Senatoren die SLD und gründeten die Sozialdemokratie Polen (SDPL). »Guter Staat, starkes Europa und linke Regierung«, lautet ihr Motto.

Die Spaltung der SLD ist das Resultat einer lange andauernden Krise. Wie Parlamentspräsident Marek Borowski als Vorsitzender der neuen Partei erklärte, hätten in den vergangenen zweieinhalb Jahren vier Millionen Mitglieder die SLD verlassen. Nach jüngsten Umfragen hat die Regierung nur noch eine Zustimmung von fünf Prozent. Die SDPL will sich jetzt auf die nächste Parlamentswahl vorbereiten, die spätestens im Herbst 2005 angesetzt werden muss. »Polen braucht eine moderne Linkspartei, Polen braucht Hoffnung«, sagte Borowski.

XY ungelöst

Frankreich. Wird das Rätsel der mysteriösen französischen Bahnerpresser bald aufgeklärt sein? Zunächst sah es so aus. Am Mittwoch wurde nahe dem ostfranzösischen Troyes erneut ein Sprengkörper neben einem Bahngleis gefunden. Daraufhin traf ein Brief der Erpressergruppe AZF an die Regierung ein. Darin hieß es, es werde »Schlimmeres passieren als in Spanien«, falls die Regierung nicht eine Summe von rund sechs Millionen Euro bezahle. Am selben Tag wurden drei Verdächtige verhaftet. Sie wohnten in der Nähe jener Orte, an denen die Briefe aufgegeben wurden. Am Freitag räumten die Ermittler jedoch ein, der Verdacht lasse sich nicht erhärten.

Der Aufklärung näher scheinen die Terrordrohungen der unbekannten Gruppe der »Diener Allahs des Mächtigen und Weisen« zu stehen, die in der Woche vor den Regionalwahlen ausgesprochen wurden. Die Ermittler fanden heraus, dass viele der von der Gruppe benutzten Formulierungen ähnlich auch in rund 30 Drohbriefen an lokale und regionale Behörden auftauchen. Sie stammen von französischen Rechtsextremisten.

Kommunaler Urnengang

Türkei. Bei den Kommunalwahlen in der Türkei ist es am vergangenen Sonntag zu zahlreichen Schlägereien und Schießereien gekommen, bei denen mindestens sechs Menschen starben. Im Südosten des Landes wurde der Bruder eines Kandidaten der Regierungspartei AKP bei einer Prügelei mit Anhängern des oppositionellen Linksbündnisses getötet; ein Bürgermeisterkandidat wurde erschossen. Maskierte Angreifer schossen in Igdir auf einen Bus, der Wähler ins Wahllokal bringen sollte. Auch dabei starb ein Mann. In verschiedenen Städten lieferten sich Anhänger der Sozialdemokratischen Volkspartei und Leute der AKP brutale Schlägereien. Bei einem Anschlag auf ein Büro der Oppositionspartei CHP wurden in Denizli zehn Menschen verletzt. Bei einem Handgemenge zwischen zwei Kandidaten um den Posten eines Gemeindevorstehers in der Stadt Malatya gab es einen Toten und fünf Verletzte. Da soll sich noch jemand über Wahlmüdigkeit und Politikverdrossenheit beschweren! Bereits in der Nacht zum Samstag wurde in Istanbul in einem AKP-Büro ein lokaler Polizeichef erschossen. Am Samstag kam es ebenfalls in Istanbul zu einem Streit um Wahlplakaten, bei dem ein Mensch getötet und fünf verletzt wurden.

Auf den Leib gescannt

Großbritannien. So viel Durchsicht macht froh. Ein Sprecher von Scotland Yard erklärte vergangene Woche, es sei denkbar, dass es bald einen kleinen Scanner gebe, mit dem die Polizei unbemerkt kontrollieren kann, was wir in unseren Taschen und unter unserer Kleidung tragen. Per Röntgenstrahl könne so aus einiger Entfernung quasi eine Leibesvisitation vorgenommen werden. Im Moment ist das wunderbare Gerät allerdings noch über zwei Meter hoch und 500 Kilogramm schwer, reichlich sperrig also für die verdeckte Ermittlungsarbeit. Zum ersten Mal wurde der Scanner am Freitagabend bei einer Razzia in zwei Pubs in London eingesetzt. Von einem unbemerkten Einsatz konnte natürlich nicht die Rede sein. Der Scanner darf bisher auch nur mit Wissen und Einwilligung der Durchsuchten benutzt werden. 34 Personen wurden in den Pubs wegen Rauschgifthandels, Waffenbesitzes und Kartenbetrugs festgenommen, ohne dass Beamte in ihren Taschen wühlen mussten.

Symbolische Kandidatur

Portugal. José Saramago will es noch einmal wissen. Der 81jährige Literaturnobelpreisträger wird bei den Europawahlen für die portugiesische KP antreten, allerdings nur symbolisch auf einem chancenlosen Listenplatz. Saramago schloss sich bereits 1969 der damals verbotenen Kommunistischen Partei an. Bekannt wurde der linksradikale Schriftsteller mit teilweise provokanten Werken wie »Das Memorial«, »Hoffnung im Alentejo« und »Die Stadt der Blinden«. Zuletzt sorgte Saramago allerdings für Aufsehen, als er 2002 bei einem Besuch in Israel erklärte, über Ramallah schwebe der »Geist von Auschwitz«, der Ort werde in ein »Konzentrationslager« verwandelt. Von seinen Äußerungen distanzierte er sich auch nach scharfer Kritik jüdischer Schriftstellerkollegen wie etwa Amos Oz nicht. Nun darf man gespannt sein, mit welchen Inhalten der Seniorkommunist seinen Wahlkampf bestreiten wird.