Nachrichten

Alles für die Opfer

IG Farben. Von den NS-Opfern, von Schuld und Verantwortung war auf der Pressekonferenz der Stiftung IG Farbenindustrie viel die Rede. Rechtsanwalt Matthias Druba wiederholte am vorigen Freitag in Berlin immer wieder, wie sehr es den Überlebenden zu Gute kommen würde, wenn die jetzt angestrebte Klage der Stiftung gegen die Schweizer Großbank UBS Erfolg habe.

Dass die Stiftung versucht, im Namen der Opfer der IG Farben zu sprechen, ist allerdings nicht in deren Sinne. Freddie Knoller, ein ehemaliger Häftling im konzerneigenen Arbeitslager Auschwitz-Monowitz, erklärt: »Wir weisen alle Versuche der Stiftung IG Farbenindustrie zurück, im Namen der Überlebenden zu agieren.« 30 ehemalige Sklavenarbeiter der IG Farben verfassten eine Resolution, in der sie klar machten, dass sie »die einzigen rechtmäßigen Gläubiger« des Unternehmens sind.

Die Stiftung hofft, das Vermögen der Firma Interhandel, die in den zwanziger Jahren vom Chemiekonzern IG Farben gegründet, aber 1940 abgespalten wurde, einklagen zu können. Die Vorgängerin der UBS, die Schweizer Bankgesellschaft, soll sich nach dem Zweiten Weltkrieg angeblich widerrechtlich Vermögen der Firma Interhandel angeeignet haben. Die Frage, wie viele Prozent davon an NS-Opfer gehen würden, wurde auf der Pressekonferenz nicht beantwortet.

Freund der Schwachen

Union. Horst Köhler, promovierter Volkswirtschaftler und ehemaliger Geschäftsführender Direktor des Internationalen Währungsfonds, schickt sich an, das nächste Staatsoberhaupt Deutschlands zu werden. Seine Referenzen lassen keinen Zweifel daran, dass er der richtige Mann ist, um Deutschlands wirtschaflichen Aufschwung im Sinne einer »konzeptionellen Führung« zu begleiten.

Nur gibt es ein kleines Problem: Wie verleiht man dem souveränen, aber kühlen Köhler bloß den sozialen Anstrich, der für sein künftiges Amt unerlässlich ist? Darüber rätselt nach Angaben des Spiegel die Union. Die Antwort ist schon gefunden: Indem man ihn auf Tournee durch all die vorbildlichen Einrichtungen schickt, dank deren die Schwachen und Hilfebedürftigen am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können. So soll Köhler unter anderem in einer Behinderteneinrichtung seine sozialen Kompetenzen zeigen dürfen. Wenn das gelingt, wird wohl auch niemand mehr danach fragen, was der IWF unter seiner Federführung unter »sozial« verstanden hat.

Neue Pakete

Innere Sicherheit. Erinnern Sie sich noch an die Pakete, die Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) nach dem 11. September 2001 packte? Gleich zwei »Sicherheitspakete« wurden in Windeseile verabschiedet, nach denen zum Beispiel Menschen ohne deutschen Pass wegen der Mitgliedschaft in einer internationalen terroristischen Vereinigung bestraft werden können. Weiterhin dürfen AusländerInnen ausgewiesen werden, die als Gefahr für die freiheitlich-rechtliche Grundordnung angesehen werden.

Es braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, wie leicht es seitdem ist, unerwünschte Personen wieder loszuwerden. Aber ein neuer Anschlag erfordert neue Reaktionen. Derzeit ist das Bundesinnenministerium mit der Verschärfung der Abschieberegelung für »extremistische Ausländer« beschäftigt. Demnächst darf schon ausgewiesen werden, wer nur den Verdacht erregt, gefährlich zu sein. Die Union darf dabei ihre Wünsche diktieren. Der CSU-Vorsitzende Edmund Stoiber, dem der Umgang mit Terrorzellen »viel zu lasch« ist, soll mit seiner Partei darüber hinaus über »Heimatschutz-Bataillone« nachdenken, um Polizei, Katastrophenschutz- und Hilfsorganisationen militärisch zu unterstützen.

Keine Pause vorm Appell

Bundeswehr. No future? Das muss nicht sein. Auch weiterhin bietet sich die Bundeswehr als Hort für alle frühzeitig Gescheiterten und Perspektivlosen an. Nach einer Entscheidung des Bundeskabinetts dürfen 17jährige sich weiterhin freiwillig zum Wehrdienst melden. Bei der Diskussion über das UN-Protokoll zum Schutz für Kindersoldaten verständigte man sich darauf, das Einstiegsalter für den freiwilligen Dienst nicht auf 18 Jahre auszudehnen. So würden allzu lange Wartezeiten verhindert. Und das ist gut so, wenn man bedenkt, auf welche dummen Gedanken die Jugendlichen bei so viel Freizeit kommen könnten. Dann doch lieber zurückgreifen auf die deutsche Tradition staatlicher Allround-Betreuung: Und sie werden nicht mehr frei ihr ganzes Leben…

Im Gegensatz dazu wurde jedoch, gemäß dem UN-Protokoll, beschlossen, den Schutz vor einer Zwangsrekrutierung für Jugendliche unter 15 Jahren auf unter 18jährige zu erhöhen. Es wäre ja auch unpassend, wenn der Vormarsch der ultramobilen und jederzeit einsetzbaren Bundeswehr aufgrund der pubertären Quengeleien aknegeplagter Teenager zum Stillstand kommen müsste.

Deutsche Ferien

Sprachkurs für Migrantenkinder. Am Strand liegen, ein Eis in der Hand, ein sanfter Wind weht und die Sonne strahlt – Ferien. Das ist die Zeit, in der man Fünf gerade sein lässt und es bedeutungslos ist, ob das Adjektiv oder Partizip schwach gebeugt wird, wenn der bestimmte Artikel, ein Pronomen oder ein Zahlwort mit starker Endung vorangeht. Oder?

Bildungsforscher rund um den Bremer Bildungssenator Willi Lemke (SPD) haben herausgefunden, dass die Strände der Adria und der Ägäis keineswegs zum Studium deutscher Syntax stimulieren, und prompt reagiert: In Bremen sollen Migrantenkinder im August eine Sommerschule besuchen und dort vor allem ihre Deutschkenntnisse verbessern. Die Sommerkurse müssten den Staat auch gar nicht viel Geld kosten, meint der Bildungsforscher und Pisa-Studienleiter Jürgen Baumert. Schließlich dauere der den Lehrern tariflich bezahlte Urlaub weniger lang als die gesamten Schulferien. Der Unterstützung der GEW können sich Lemke und Co. also schon sicher sein.