Wieder eine Vereinigung

Verhandlungen um Zypern

Auf eine bunte Fahne und eine Hymne ohne Text, deren »europäische Musik weder speziellen Bezug auf türkische noch griechische Traditionen nimmt«, hat man sich schon geeinigt. Läuft alles nach Plan, wird am 1. Mai ein formal vereinigtes Zypern der EU beitreten.

Auch die Grundzüge der angestrebten Einigung sind klar. Die türkischen Zyprer werden Land abgeben müssen, die griechische Seite wird auf die alleinige Machtausübung zu verzichten haben. Im wiedervereinigten Zypern werden beide Seiten über weitgehende Autonomie verfügen, international aber von einer gemeinsamen Regierung vertreten.

Doch der Teufel steckt im Detail und alle Beteiligten gestehen ein, dass die erste Phase der Verhandlungen – vor allem an der starren Haltung des türkischen Volksgruppenführers Rauf Denktas – gescheitert ist. Der zog es vor, der vom 24. bis 31. März in Burgenstock bei Luzern stattfindenden zweiten Phase, an der neben den beiden zypriotischen Gemeinschaften auch die Türkei und Griechenland teilnahmen, fern zu bleiben. Sein Mandat nahmen »Regierungschef« Mehmet Ali Talat und Denktas’ Sohn Serdar, der »Außenminister« des türkischen Teils Zyperns, wahr. Unterdessen startete Denktas in Nordzypern eine Kampagne für ein »Nein« bei den für den 20. April in beiden Teilen vorgesehenen Volksabstimmungen, da ein positives Votum zum »Untergang« des türkischen Nordzypern führe.

Der Rückzug Denktas’ von den Verhandlungen ist durchaus im Sinne des türkischen Regierungschefs Recep Tayip Erdogan. Er scheint die Hardliner im türkischen Sicherheitsrat überzeugt zu haben, dass die Lösung des Zypernproblems von großem Vorteil für die Türkei ist. Erdogan übte starken Druck auf Denktas aus, da eine Einigung die Voraussetzung zur Aufnahme türkischer Beitrittsverhandlungen mit der EU darstellt.

Aufgrund des internationalen Drucks auf beide Seiten, zu einer wie auch immer gearteten Vereinbarung zu gelangen, könnte es der türkischen Seite gelingen, beachtliche Verhandlungserfolge zu erzielen. So soll nach Informationen griechischer Diplomaten ein Text, den UN-Chefunterhändler Alvaro de Soto am Freitag präsentierte, das Problem des Rückkehrrechts der Flüchtlinge, des Verbleibs der eingewanderten türkischen Siedler und der Entmilitarisierung der Insel durch Formelkompromisse im Sinne der Türkei gelöst haben. Auch scheint die EU im Falle Zyperns eine unbegrenzte Einschränkung der in ihrer Gesetzgebung festgeschriebenen Freizügigkeit und des Niederlassungsrechts zu akzeptieren, um eine Zweidrittelmehrheit der türkischen Zyprer im Norden der Insel zu garantieren.

Sogar bei einem Scheitern der Viererverhandlungen spricht vieles dafür, dass es UN-Generalsekretär Kofi Annan, dem dann das Recht zusteht, die vorhandenen Lücken des Vertrags zu füllen, gelingen wird, beide Seiten letztlich zur Zustimmung zu bewegen. Und zwar aus dem einfachen Grund, weil sowohl Ankara als auch Athen eine Lösung anstreben. Die EU ihrerseits wird alles tun, um zu vermeiden, dass sich nach dem 1. Mai Teile eines EU-Landes unter militärischer Besetzung des Dauerbeitrittskandidaten Türkei befinden. Da die Mehrheit der türkischen Zyprer ihr Heil auf jeden Fall in der EU sieht, gilt ihre Zustimmung am 20. April als gesichert. Umfragen im griechischen Teil dagegen belegen, dass dort die Begeisterung nicht so groß ist. Mit einiger Propaganda und mehrmaliger Wiederholung der Abstimmung wird sich aber auch dieses Hindernis überwinden lassen.

ralf dreis, thessaloniki