Alles prima am Hindukusch

Wo deutsche Truppen mit dem Segen der UN agieren, herrscht Friede. So war es auf der Berliner Afghanistan-Konferenz zu hören. von sebastian sedlmayr

Die grün-weiß gestreiften Kleintransporter der Polizei gehören in Kabul mittlerweile genauso zum Stadtbild wie in Berlin. Schließlich ist die Bundesrepublik maßgeblich beteiligt am Wiederaufbau der afghanischen Polizei. Was die noch lernen muss, konnte die deutsche Polizei vergangene Woche dem afghanischen Präsidenten und weiteren Staatsgästen aus 56 Nationen vormachen. Rund 2 000 deutsche und etwa 500 extra angereiste »Sicherheitskräfte« bewachten die rund 700 Delegierten während der zweitägigen Afghanistan-Konferenz im Berliner Hotel Intercontinental. Und sie hatten Glück. »Es gab keine Zwischenfälle, keine Störungs- und Gefährdungshinweise«, erklärte die Pressestelle der Polizei stolz.

Aber nicht nur wegen des ruhigen Verlaufs strahlten nach den beiden Verhandlungstagen glückliche Gesichter in die Kameras. Die Versprechen der USA, Deutschlands, Japans und weiterer Geberländer haben die Erwartungen der afghanischen Übergangsregierung um Präsident Hamid Karsai teilweise übertroffen: Bis März 2005 wollen die Geber der Regierung des zerstörten Landes 4,4 Milliarden US-Dollar zur Verfügung stellen, bis März 2007 sollen weitere 3,8 Milliarden US-Dollar fließen.

Das ist zwar deutlich weniger, als Karsai und die Weltbank für nötig halten – nach ihren Berechnungen kostet das nation building in Afghanistan 27,5 Milliarden US-Dollar –, doch immerhin sind die insgesamt 8,2 Milliarden US-Dollar im Abschlussdokument der Konferenz schriftlich fixiert. Karsai sagte, die Hilfe werde dazu beitragen, »dass Afghanistan eines Tages auf eigenen Füßen stehen und der Staatengemeinschaft nicht mehr zur Last fallen wird«. Die Zusagen seien »sehr großzügig«, dankte Finanzminister Ashraf Ghani, der die Verhandlungen äußerst geschickt geführt hatte. Er hatte den Vertretern der Geberländer immer wieder zu bedenken gegeben, dass weniger Geld für Afghanistan auch weniger Sicherheit im Westen bedeute.

Die deutsche Regierung teilte die Freude der afghanischen Delegation. Schließlich konnte Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) als Gastgeber die »positive Entwicklung« in Afghanistan rühmen und das UN-Modell im »Kampf gegen den internationalen Terrorismus« gegen das unilaterale US-Modell »Shock and Awe« im Irak lobend hervorheben.

Schröder bezeichnete Afghanistan in seiner Eröffnungsrede als »Land im Aufbruch«. Er hob die »Schlüsselrolle« der Vereinten Nationen hervor, die »ihrer Verantwortung auf ganz hervorragende Weise gerecht geworden« seien. Und der grüne Außenminister Joschka Fischer betonte: »In nur zweieinhalb Jahren ist das Land von einem Hort des Terrors zu einem geachteten Mitglied der Völkergemeinschaft geworden.« Beide, Schröder und Fischer, wiesen auf das besondere »Engagement« Deutschlands in Afghanistan hin. Die Bundeswehr stellt rund ein Drittel der etwa 6 000 Soldaten, die unter der Führung der Nato die International Security Assistance Force (Isaf) bilden.

Die Vorlage für die Position der Bundesregierung hatte Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) bereits vor der Konferenz in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung gegeben: »In Afghanistan hat der Weltsicherheitsrat die Intervention gebilligt, und die Vereinten Nationen haben infolgedessen die zentrale Rolle beim politischen und wirtschaftlichen Wiederaufbau erhalten. Der Irak dagegen wurde ohne Zustimmung der Staatengemeinschaft angegriffen.« Deshalb, und weil »die Afghanen selbst« in vielen Landesteilen »die Verantwortung übernommen« hätten, sei der Irak »so unsicher, dass ich keine deutschen Entwicklungshelfer dort hinschicken kann, während wir in Afghanistan mit einer großen Zahl von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern präsent sind«.

Interessanterweise übernahm Wieczorek-Zeul neben Schröder und Fischer auch die wichtigste Rolle bei der Kommentierung des Treffens. Während sie die versprochenen Maßnahmen als Investitionen gegen den Terrorismus lobte, hielt sich Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) auffällig zurück.

Vielleicht war Struck noch irritiert von seinem neuen Auftrag. Denn ganz nebenbei, ohne Konsultation des Bundestags, wurde vergangene Woche in Berlin auch das Ziel des Isaf-Einsatzes geändert: Nicht mehr der Wahltermin, den Afghanistans Präsident Karsai wegen der unberechenbaren Sicherheitslage von Juni auf September verlegt hat, gilt nunmehr als Schlusspunkt der Militärpräsenz unter Führung der Nato. Nach der von allen Konferenzteilnehmern unterzeichneten »Berliner Erklärung« sollen die Isaf sowie die von den USA geführte Operation »Enduring Freedom« »so lange fortgesetzt werden, bis die neuen afghanischen Sicherheits- und Streitkräfte hinreichend etabliert und funktionsfähig sind«. Die Zeitspanne wird damit nahezu beliebig interpretierbar.

Zusätzliche Truppen will allerdings niemand schicken. Lediglich Italien hat sich prinzipiell bereit erklärt, ein »Wiederaufbauteam« nach Afghanistan zu schicken. Von solchen Wiederaufbauteams, im Militärjargon Provincial Reconstruction Teams (PRT) genannt, sind derzeit 13 in Afghanistan stationiert, zwölf davon im Rahmen von »Enduring Freedom«. Die Teams bestehen aus zirka 200 Soldaten und Zivilkräften. Deutschland leitet in Kundus das einzige Isaf-Team. Bis zum Sommer sollen acht weitere Teams hinzukommen, drei für »Enduring Freedom«, fünf für die Isaf.

Obwohl die Wiederaufbauteams bereits als Erfolgsmodell gefeiert werden, sind sie noch lange nicht ausgereift. Wegen Unklarheiten bei der Aufgaben- und Mittelverteilung sind die Teamkollegen einander oft nicht wohl gesonnen. So berichtete der sicherheitspolitische Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, Winfried Nachtwei, nach seinem jüngsten Afghanistan-Besuch, dass Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes mit Geringschätzung auf Bundeswehrsoldaten herabblicken. Zudem scheint häufig nicht klar, wer für zivile Aufgaben zuständig ist, und vor allem, welches Ressort die Kosten für Material und Personal zu übernehmen hat. In Frage kommen schließlich das Entwicklungsministerium, das Auswärtige Amt sowie das Verteidigungsministerium.

Jedenfalls zeigt die Bundeswehr am Hindukusch alle Qualitäten einer Friedenstruppe. Nach Auskunft des Generalinspekteurs der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan, sind zivile Aufgaben wie das Einrichten von Kindergärten die Lieblingsaufgaben der Soldaten. »Sie gefallen sich in dieser Rolle«, sagte er kürzlich bei einem Vortrag in Mannheim. Dabei kommen die friedliebenden Soldaten den eigens fürs Zivile bestellten Mitarbeitern des Auswärtigen Amts und des Entwicklungsministeriums allerdings in die Quere.

Während sich Soldaten und Zivilkräfte darum streiten, wer die nächste Schule baut, scheint sich für die Bekämpfung des Mohnanbaus noch niemand verantwortlich zu fühlen. Die »Zerstörung der Mohnfelder« sei »eine Aufgabe der afghanischen Polizei selbst, damit die Bevölkerung den Kampf gegen das Rauschgift nicht als einen Akt von außen wahrnimmt«, erklärte Wieczorek-Zeul der FAS. Doch die ist ja noch nicht fertig aufgebaut.

Auf der Berliner Konferenz suchten die Teilnehmer daher händeringend nach Konzepten gegen die Mohnwirtschaft. Denn der Verkauf des aus Schlafmohn gewonnenen Rohopiums, das als Basis für Heroin dient, macht inzwischen 40 Prozent der afghanischen Ökonomie aus. Und die Warlords, die derzeit größte Gefahr für den Aufbau eines annähernd demokratischen Staates, finanzieren sich maßgeblich über den Drogenhandel. Deshalb müssten den Bauern »wirtschaftliche Alternativen« geboten werden. Doch welche das sein sollen, darüber herrschte auch nach Abschluss der Konferenz Rätselraten. Mit Safran oder Orangen sind die Gewinnspannen des Opiums sicherlich nicht zu erzielen.