Platzverweis umsonst

Aktion vor der MoMA-Ausstellung

Angeblich »200 der bedeutendsten Meisterwerke des 20. Jahrhunderts aus dem Museum of Modern Art in New York« sind zurzeit in Berlin in der Neuen Nationalgalerie zu bestaunen. Seit dem 20. Februar wickelt sich deshalb tagtäglich eine endlos lange Schlange Schaulustiger um die gläserne Gebäudefassade und verlangt nach Einlass.

Da Deutschland es sich momentan nicht leisten kann, seine gesellschaftlichen Leistungsträger schutzlos dem Wetter auszuliefern, ist für Besserverdienende ein zusätzlicher Vip-Eingang eingerichtet worden. Wer 27 Euro Eintrittsgeld zahlt, muss nur wenige Minuten warten. Jedoch sind in Zeiten extremer Kürzungen von Sozialausgaben für viele schon die Eintrittspreise für die Normalbevölkerung unerschwinglich. Von daher war manch ein prekarisierter Kunstliebhaber besonders glücklich über die vielen rosa Plakate an den Häuserwänden der Stadt, auf denen in goldenen Buchstaben für den 17. April »Das MoMA umsonst« angekündigt wurde.

Wer sich an diesem Tag zum Ort des Versprechens begab, konnte zunächst freudig feststellen, dass die Besucherschlange entgegen allen Erwartungen nicht bis zum Potsdamer Platz reichte, sondern lediglich wenige Meter betrug. Als jedoch eine junge Angestellte den zahlreichen ausländischen Besuchern mehrsprachig zu erklären versuchte, warum der Vorplatz der Nationalgalerie bei strahlendem Sonnenschein von über hundert dick eingepackten Uniformierten belagert wurde, begann so manchem zu dämmern, dass hier irgendwas nicht mit rechten Dingen zuging. Tatsächlich wurden um einen herum lauter junge Leute ruppig des Platzes verwiesen, weil sie die Wartenden mit Infobroschüren versorgt hatten. Darin stand, dass der kostenlose Eintritt erst noch erkämpft werden müsse und man genau das im Rahmen der Kampagne »Mai-Steine – sag ja zum nein!« vorhabe. »Dem kapitalistischen Konkurrenzdruck stehen wir zunehmend vereinzelt gegenüber«, schreiben die Veranstalter der Aktionstage für sozialen Widerstand, weshalb der »Individualisierung von Kosten und Risiken der kapitalistischen Gesellschaft ein kollektiver sozialer Widerstand entgegengesetzt« werden müsse.

Und tatsächlich formierten sich gegen 16 Uhr die eben noch auf dem Vorplatz in der Sonne Dösenden und nahmen lautstark »MoMA für alle und zwar umsonst!« rufend Kurs auf den Eingangsbereich. Doch schon nach wenigen Metern wurde ihnen der Weg von zahlreichen Polizisten versperrt, die schließlich den Vorplatz räumten und die Ausstellung für geschlossen erklärten.

Nach einer weiteren Stunde Eisessen, Federballspielen und Jonglieren auf dem Fußgängerweg verkündete ein adrett gekleideter Herr in grauem Anzug mit Megaphon, dass man angesichts des schönen Wetters und der architektonisch misslungenen Umgebung einen kleinen Spaziergang einzulegen gedenke. Auf dem Weg traf man auf einige hundert weitere Flaneure, die sich zum Protest gegen die Berliner Verkehrsbetriebe und die Streichung des Sozialtickets zusammengefunden hatten. Bei Sonnenuntergang wurde die Veranstaltung schließlich vor der BVG-Zentrale beendet, um dort noch einmal gemeinsam den Forderungen nach freiem Eintritt und Nulltarif für alle Ausdruck zu verleihen.

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