Wer soll das bezahlen …

Argentinien verhandelt direkt mit privaten Anlegern, die bis zum Finanzcrash zu traumhaften Konditionen investierten. von thomas guthmann

Die argentinische Regierung laboriert noch immer an den Folgen des Finanzcrashs von Ende 2001. Vergangene Woche hat sie Termine mit privaten Anlegervereinigungen angesetzt, um über die Außenschulden direkt zu verhandeln. Weil der argentinische Staat die Zahlungen eines großen Teils seiner Schulden seit Dezember 2001 eingestellt hat, sind die privaten AnlegerInnen auf den Barrikaden. Nur wenige von ihnen sind bisher bereit, unter bestimmten Bedingungen auf einen Teil ihrer Ansprüche zu verzichten.

Zu den wenigen, die sich einen Teilschuldenerlass vorstellen können, gehört die deutsche Anlegervereinigung IG Argentinien. Sie ist bereit zu verzichten, wenn Argentinien das erlassene Geld für soziale Zwecke verwendet. Andere private AnlegerInnen, die sich unter dem Dach der Hypovereinsbank organisiert haben, halten nichts davon, Argentinien einen Teil der Schulden zu erlassen. Ihr Vertreter Jörg Wagner wies auf einer im März abgehaltenen Veranstaltung zum Thema lakonisch darauf hin, dass AnlegerInnen Geld investierten würden, um Gewinn zu machen, und nicht, um Gutes zu tun. Den Vorschlag der IG Argentinien hielt er schlicht für »nicht praktikabel«. Deutsche AnlegerInnen halten etwa fünf Prozent der argentinischen Anleihen.

Die meisten der weltweit etwa 500 000 privaten Käufer argentinischer Staatsanleihen sehen das ähnlich wie Wagner. Sie sind genervt von einem Staat, in dem sie in den neunziger Jahren ihr privates Kapital zu vorwiegend traumhaften Konditionen investierten und der jetzt nicht zahlt. Argentinien ist pleite, und seit Argentinien seine schwerste Wirtschaftskrise durchmacht, lebt mehr als die Hälfte der Bevölkerung in Armut. Als Argentiniens Wirtschaft Ende 2001 kollabierte, platzte auch die Blase der Traumanlagen.

Seitdem warten private AnlegerInnen darauf, dass die fälligen Zinszahlungen für ihr verliehenes Geld geleistet werden. Zwar hat die argentinische Regierung im September auf der Konferenz des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Dubai einen Vorschlag gemacht; der aber hat die privaten AnlegerInnen auf die Barrikaden gebracht. In Dubai schlug Argentinien vor, die betroffenen Schulden auf 25 Prozent ihres Nominalwertes zu reduzieren. Das bankrotte Land verlangte weiter, dass die seit dem »Default«, der Einstellung der Schuldenzahlungen am 31. Dezember 2001, fälligen Zinsen nicht mehr bezahlt werden müssen. Mit dem Ausfall der Zinszahlungen für die letzten zwei Jahre sehen die privaten AnlegerInnen ihre Anlagen um 90 Prozent entwertet.

Sie versuchen seither, über verschiedene Wege Druck auf die argentinische Regierung auszuüben. Im Februar betonten die G-7-Finanzminister auf ihrem Treffen in Miami, Argentinien müsse seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommen. Hans Eichel reiste sogar eigens am 18. Februar nach Buenos Aires, um sich für die deutschen AnlegerInnen bei Präsident Kirchner einzusetzen. Schließlich gab auch der IWF, der größte internationale Gläubiger, seine Zurückhaltung auf und machte die Bewilligung weiterer Kredite von der Lösung des privaten Schuldenproblems abhängig.

Von den insgesamt 134 Milliarden US-Dollar Schulden des Landes bei privaten Anlegern werden derzeit 95 Milliarden nicht bedient. Betroffen sind Anleihen, die Argentinien auf den internationalen Finanzmärkten ausgegeben hat. Sie wurden von privaten Anlagefonds gezeichnet, bei denen auch KleinanlegerInnen ihr Geld investiert haben.

Bedient hat Argentinien bisher bestimmte private Schulden. So bezahlte Argentinien größtenteils seine Verbindlichkeiten gegenüber den argentinischen Rentenkassen, um deren Kollaps zu verhindern. Auch die Raten an den IWF sind bisher immer termingerecht überwiesen worden. Die privaten AnlegerInnen beklagen sich daher auch, dass sie zu KreditgeberInnen zweiter Klasse werden, deren Rechte vom argentinischen Wirtschaftsministerium nicht beachtet werden.

Wirtschaftsminister Roberto Lavagna hingegen hat ganz andere Probleme. Er muss eine Lösung finden, die die privaten AnlegerInnen zufrieden stellt und zugleich den Handlungsspielraum des argentinischen Staates vergrößert. Bisher hat Lavagna die privaten AnlegerInnen links liegen lassen. Der noch unter der Regierung Duhalde ins Amt gekommene Wirtschaftsminister versuchte zunächst, das einheimische Finanzsystem zu sanieren. Dazu gehörte auch die Umstrukturierung der 2001 durch den so genannten Corralito (Laufstall) eingefrorenen Bankguthaben in Schuldverschreibungen und eine Entschädigungszahlung an die vom Corralito betroffenen nationalen Banken. In einem zweiten Schritt wurden Verhandlungen mit dem IWF aufgenommen, um eine unverzügliche Zahlungseinstellung der multilateralen Kreditinstitution zu vermeiden.

Die privaten Gläubiger mussten bis zur Dubai-Konferenz des IWF warten, um ein Angebot von Lavagna zu erhalten. Mit dieser Strategie konnte der Wirtschaftsminister, der in Nestor Kirchners Kabinett auch für die Finanzen zuständig ist, bisher einigermaßen erfolgreich den Handlungsspielraum des argentinischen Staates erhalten. In den direkten Gesprächen zwischen Regierung und privaten AnlegerInnen in Buenos Aires will Lavagna sich nun auch um eine Einigung mit dieser Gläubigergruppe bemühen. So will er für die Frühjahrstagung des IWF Ende April gut Wetter machen.

Es ist aber nicht nur der Druck vom IWF, der Argentinien dazu bringt, jetzt auch auf dem Feld der privaten AnlegerInnen auf eine Einigung zu dringen, es sind auch die zunehmenden Erfolge der Gläubiger vor internationalen Gerichten. Der US-amerikanische Investmentfonds EM Limited hat bereits bei einem New Yorker Gericht erstritten, dass argentinische Besitztümer in den USA gepfändet werden können. Kann sich Argentinien nicht mit den Gläubigern einigen, wird das Land möglicherweise mit einer Pfändungswelle konfrontiert. Aus diesem Grund sagte Präsident Kirchner vergangenes Jahr angeblich einen Besuch in der Bundesrepublik ab, denn er musste befürchten, dass deutsche Gläubiger das Flugzeug der argentinischen Luftwaffe beschlagnahmen lassen würden.

Um das zu vermeiden, hat Argentinien ein Interesse, sich mit den geprellten Gläubigern gütlich zu einigen. Vor den Gesprächen hat Wirtschaftsminister Lavagna den privaten Gläubigern ein konkretes Angebot gemacht: die Umwandlung der Anlagewerte in so genannte Par oder Discount Bonds. Bei den ersteren bleibt der Nominalwert von 100 Prozent erhalten, die Zinserträge sinken jedoch, und die Laufzeit verlängert sich. Bei den Discount Bonds dagegen bleibt es bei der Reduktion auf 25 Prozent des Nominalwertes, dafür erhalten die AnlegerInnen höhere Zinsen und eine kürzere Laufzeit. Dabei deutete Lavagna an, dass sich Argentinien auch mit einer Reduktion auf 40 bis 50 Prozent zufrieden geben könnte.

Nicht zuletzt wegen dieser Andeutung verliefen für die Regierung Kirchner die Gespräche mit den Privatgläubigern gut. Alle Seiten stimmten weiteren, für Mai vorgesehenen »technischen Gesprächen« zu, um konkrete Verhandlungen vorzubereiten. Selbst die PrivatanlegerInnen, die massiv mit Klagen gedroht hatten, haben sich nunmehr auf den Verhandlungsweg eingelassen. Sollten diese Verhandlungen erfolgreich sein, wäre es das erste Mal, dass sich ein bakrotter Staat unabhängig von den internationalen Finanzinstitutionen mit privaten Gläubigern auf einen Schuldenerlass geeinigt hätte.