Nachrichten

Randaliererschreck

1. Mai-Prozess. Wer plant, übers Wochenende zum 1. Mai nach Berlin zu fahren, sollte vorsorglich etwas länger Urlaub nehmen. Möglicherweise gelingt es nicht wie geplant, nach den Feierlichkeiten wieder pünktlich in der Universität oder am Arbeitsplatz zu erscheinen. Das Berliner Landgericht verurteilte in der vorigen Woche einen 22jährigen Fleischerlehrling aus Berlin-Hohenschönhausen in zweiter Instanz zu zwei Jahren Haft ohne Bewährung. Er soll einen Pflasterstein geworfen haben.

Da es sich nach Aussage des Angeklagten bei dem Wurfgeschoss vielmehr um eine schwarze Plastikdose gehandelt habe, war sein Anwalt nach dem ersten Urteil in Revision gegangen. Damals war der Mann zu einer Strafe von vier Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Weil sogar die Staatsanwaltschaft mit ihrer Forderung nach acht Monaten auf Bewährung weit hinter dem letztendlichen Urteil zurückgeblieben war, wollte der Anwalt des Angeklagten zunächst seinen Ohren nicht trauen: »Ich dachte erst, der Richter läuft Amok.«

Vielleicht war dieser aber auch vollständig bei Sinnen und wollte lediglich etwaige Besucher der diesjährigen Veranstaltungen zum 1. Mai abschrecken.

First we take Düsseldorf

FDP. Dass Deutschland unmittelbar ein Regierungswechsel bevorsteht, glaubt gewiss die eine oder der andere. Falsch ist es jedoch, die größte Gefahr für Rot-Grün in der CDU zu sehen. »Wenn die Regierung in Düsseldorf fällt, dann fällt auch die Regierung in Berlin vor 2006«, erklärte der Parteivorsitzende der FDP, Guido Westerwelle, auf dem Landesparteitag in Hagen. Und die FDP will genau das.

Zwar macht der nordrhein-westfälischen FDP das Erbe Jürgen Möllemanns finanziell zu schaffen. 1,6 Millionen Euro an Schulden soll der ehemalige Vizevorsitzende der FDP seinem Landesverband nach Angaben des Schatzmeisters Paul Friedhoff hinterlassen haben. Aber immerhin war die FDP in Nordrhein-Westfalen dank des charismatischen »Israelkritikers« dort ihrem Projekt 18 mit 9,3 Prozent der Stimmen bei der Bundestagswahl ganz schön nahe gekommen.

Bei der Landtagswahl im nächsten Jahr soll nach dem Beschluss des Landesvorstandes der Landesfraktionsvorsitzende Ingo Wolf zum Spitzenkandidaten gekürt werden. Der hat sich anders als der verstorbene Jürgen Möllemann nicht die Juden als Hauptfeinde ausgesucht, er will vor allem gegen die »Ökodiktatur« der grünen Landesumweltministerin Bärbel Höhn vorgehen.

Weiter dienen

Wehrpflicht. Den deutschen Justizbehörden ist ein gewaltiger Schlag gegen eine international operierende militärische Gruppierung gelungen. Das Kölner Verwaltungsgericht kam in der vorigen Woche zu dem Schluss, dass die Einberufungspraxis der Bundeswehr generell als »rechtswidrig und willkürlich« einzustufen sei. Ein 21jähriger Bonner Student hatte gegen seine Einberufung zum Wehrdienst geklagt. Da mittlerweile weniger als die Hälfte der in Frage kommenden Männer zum Kriegsdienst herangezogen werde, sei der »Grundsatz der Wehrgerechtigkeit« verletzt, urteilte das Gericht.

Wer nun glaubt, dem mehrmonatigen Soldatenalltag bei fettigem Essen und miserabler Unterbringung noch leichter zu entkommen, könnte sich jedoch getäuscht sehen. Bundesverteidigungsminister Peter Struck (SPD) kündigte bereits an, Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen zu wollen. Auswirkungen auf die momentane Einberufungspraxis habe das Urteil ohnehin nicht, denn schließlich sei das Kölner Verwaltungsgericht nur »eines von hundert«, hieß es aus dem Verteidigungsministerium.

Suicide Nazi

Naziterror. Dass die vom Bayerischen Innenminister Günther Beckstein als »Braune Armee Fraktion« bezeichnete Münchener Neonazigruppierung um Martin Wiese rein gar nichts mit der RAF gemeinsam hat, war ohnehin schon klar. (Jungle World, 40/03) Neue Informationen unterstreichen, dass alle, die das schon wussten, sich auch wirklich nicht getäuscht haben.

Im Herbst fand die Polizei bei Mitgliedern der »Kameradschaft Süd« 14 Kilo Sprengstoff. Bisher war bekannt, dass die Gruppe um den 27jährigen Neonazi Wiese einen Anschlag bei der für den 9. November vorgesehenen Grundsteinlegung des Jüdischen Gemeindezentrums am Münchner St. Jakobs-Platz plante. Den Sprengstoff wollten die Rechtsextremisten zu diesem Zweck im Kanalsystem unter dem Platz deponieren.

Nach einem Bericht des Focus habe darüber hinaus eine inhaftierte 16jährige Frau aus Baldham bei München in Verhören zu Protokoll gegeben, einem ihrer Kameraden vorgeschlagen zu haben, sich auf dem belebten Marienplatz mit einem Sprengstoffgürtel in die Luft zu jagen. Generalbundesanwalt Kay Nehm will im Frühjahr Anklage wegen Unterstützung und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung erheben. Elf Mitglieder der »Kameradschaft Süd« sollen geplant haben, die bestehende Gesellschaftsordnung zu beseitigen und eine Nazi-Diktatur zu errichten. Weitere Fünf Verdächtige sollen die Neonazis logistisch unterstützt haben.

Geburtstagsgeschenk

Anschlag. Pünktlich zu »Führers Geburtstag« am 20. April verübten Unbekannte einen Anschlag auf die Bundeszentrale der NPD in Berlin-Köpenick. Gegen zwei Uhr nachts parkten sie einen angeblich gestohlenen Firmenwagen vom Typ Renault auf dem Fußweg vor dem Hauseingang und zündeten ihn an. Das mit Autoreifen beladene Fahrzeug brannte völlig aus und beschädigte die Gebäudefassade der NPD-Zentrale in der Seelenbinderstraße 42. Obwohl Anwohner von drei Explosionen berichteten, wurde niemand verletzt.

Im Anschluss an die Tat nahm die Polizei mehrere Personen fest, die jedoch mittlerweile nicht mehr unter Tatverdacht stehen und wieder freigelassen wurden. Ein Bekennerschreiben liegt bislang nicht vor.