»Nur ein paar Scheiben«

Interview mit einem Kreuzberger Glaser

Glaserei Arlt, Guten Tag.

Wir machen eine kleine Umfrage unter Kreuzberger Glasereien, ob sie durch den 1. Mai viele Aufträge bekommen.

Nee, ich bin so eine kleine Glaserei, da hat man zwar ein paar Läden an der Ecke, aber die sind eigentlich gut gesichert. Es ist eigentlich nicht so, dass wir da Aufträge bekommen. Die Hausbesetzerzeiten waren besser.

Da haben Sie die Auswirkungen des 1. Mai gespürt?

Hier im Kiez nicht direkt, aber am Kudamm schon.

Wissen Sie, welche Glasereien jetzt die Aufträge bekommen?

Ich weiß bloß, vor zwei Jahren zum Beispiel, als die Route Richtung Hermannplatz ging, da sind vorher Leute rumgefahren, haben den Läden schon Preise gemacht und sind hinter dem Demonstrationszug her mit Scheiben für Notverglasung. Einige lauern immer noch darauf. Es ist ja jedes Mal dasselbe: Viele denken, man macht hier ein großes Geschäft am 1. Mai, aber das ist eigentlich nicht so. Die Leute passen jetzt hier im Kiez schon auf, dass nicht irgendwelche wild gewordenen Kids die Scheiben vom Tante-Emma-Laden oder vom Café an der Ecke einschlagen. Da wir eine kleine Firma sind, kommen wir auch nicht an Kunden wie Plus oder Aldi oder Lidl ran. Da sind dann wieder große Firmen gefragt. Die machen dann schon mehr Geschäft.

Obwohl ja letztes Jahr auch kleinere Geschäfte hier und da zu Bruch gegangen sind, oder?

Soweit ich mitbekommen habe, waren nur bei diesem Autohaus die Fenster kaputt. Der Rest war ein paar Treppenhausscheiben oder Haustüreingänge. Die waren halt alle vorbereitet. Man hat dann schon die Bretter und Jalousien im Keller, die dafür sorgen, dass nichts kaputt geht.

Gehen Sie davon aus, dass der diesjährige 1. Mai gut für die Auftragsbücher sein kann?

Nee, nicht mehr. Ich denke nicht, dass es noch großartig zu Buche schlägt, weil ich der Meinung bin, alle verbarrikadieren sich schon vorher. Lidl und Plus haben richtige Stahljalousien. Das war mal, vor ein paar Jahren, als sie noch plündern konnten, aber die Zeiten sind vorbei. Man sieht ja mit diesem Mai-Fest, dass die Leute aus dem Kiez auch dagegen sind, wenn hier die Sache abläuft. Es wird versucht, darauf zu achten, nicht die Geschäfte kaputt zu machen, in denen man dann später sein Brot oder seine Zigaretten kaufen will. So eine Solidarität besteht hier schon.

Wie ist Ihr Verhältnis zum 1. Mai?

Es ist mir zu unpolitisch geworden, nur noch auf Randale aus. Ich wohne ja auch hier in Kreuzberg, aber sehe immer zu wegzukommen, weil es mir wirklich zu anstrengend ist. Früher war es noch politisch, da war noch eine Aussage dabei. Aber jetzt sind es einfach irgendwelche Kids, die nur noch Randale machen und plündern und ihre Fete feiern wollen. Irgendein besoffener Bierbüchsen-Punk steht immer dabei, der dann auch gleich einsteigt und schon heißt es: Die Punker und die Autonomen machen Randale.

interview: ove sutter