Was verdient Ackermann?

Bloß keine Gerechtigkeitsdebatte! Die deutschen Manager verdienen, was sie verdienen, meint freerk huisken

Immer wieder machen Spitzenmanager und Aufsichtsratsmitglieder Schlagzeilen. Sie sollen sich unrechtmäßig bereichert, ihre Position im Management dazu ausgenutzt haben, sich Gehälter, Provisionen und Abfindungen in einer Größenordnung zu genehmigen, von der die berühmten kleinen Leute nicht einmal zu träumen wagen. Und gelegentlich wird daraus gar ein Skandal. Bild nimmt sich dann seiner an und legt der Leserschaft die Gerechtigkeitsfrage vor: Geht es dabei mit rechten Dingen zu? Ist dieser Verdienst noch leistungsgerecht? Verdienen »unsere« Manager, was sie verdienen?

Diese Fragen sind albern. Sie leben vom Vergleich der Managergehälter mit dem Einkommen von Arbeitern und Angestellten; ein Vergleich, der höflich ausblendet, wofür das gehobene Management bezahlt wird und woraus sich dessen Einkommen speist. Partout soll daran festgehalten werden, dass auch bei diesen Spitzenverdienern dem Lohn eine adäquate Leistung gegenüberstehen muss. Weil sonst ja jenes als Gipfel der Gerechtigkeit gepriesene Tauschprinzip verletzt wäre, das Gewerkschafter Tarifrunde für Tarifrunde zur Grundlage von Lohnforderungen machen.

Seit mehr als hundert Jahren lebt der gewerkschaftliche Kampf von der Einbildung, dass eigentlich im Lohn die ganze Arbeit bezahlt werden muss – als ob ein kapitalistischer Betrieb ohne Gewinn, d.h. ohne unentgeltlich angeeignete Arbeit zu kassieren, auch nur einen Arbeiter einstellen würde! Dass Arbeiter überhaupt nur deswegen für ihre Arbeit Lohn beziehen, weil sie dem Betrieb einen ordentlichen Batzen unbezahlter Arbeit abliefern – Mehrwert nennt man ihn auch –, dass die Leistungsgerechtigkeit also nichts als eine schlichte, wenngleich ausgesprochen funktionale Ideologie ist, haben die Gewerkschaften nie wahrhaben wollen.

Funktional ist sie, weil so den Lohnarbeitern jeder Gedanke an die einzig vernünftigen Maßstäbe ausgetrieben wird, an denen sich ihr Verdienst zu messen hätte: nämlich einmal daran, ob sich vom Lohn überhaupt ein einigermaßen vernünftiges Leben finanzieren lässt, und zum anderen an dem Kriterium, welchen Batzen an Reichtum ihre Arbeit im kapitalistischen Betrieb eigentlich Tag für Tag schafft. Aber das wären, ernst betrieben, geradezu aufrührerische Fragen, die sich in Zeiten fortschreitender Volksverarmung für den Weltmarkterfolg des nationalen Standorts wirklich nicht gehören.

Bei der Bezahlung von Managern geht es ohnehin um eine ganz andere Sorte von Arbeit. Manager erfüllen im Auftrag und zum Nutzen der Kapitaleigner die Funktion des Kapitalisten. Ihre Arbeit besteht darin, Entscheidungen zu fällen über die Arbeit, die andere Leute zu machen haben, diese zu kontrollieren und den Betrieb so zu organisieren, dass aus Arbeitern die Leistung herausgeholt wird, die die Eigentümer reich macht.

Manager sind Agenten der Aneignung der unbezahlten Arbeit, die die Belegschaft leistet. An dem Profit, den sie den Eigentümern hereinholen, werden sie nicht schlecht beteiligt. Dafür brauchen sie nicht zu kämpfen, denn die Eigentümer wissen schon, was sie an ihnen haben und was sie sich selber schuldig sind. Ein Konzern, der sich einen sündhaft teuren Sanierer leistet, einen weltweit ausgewiesenen Spitzenmann ins Haus holt, zeigt, wo er sich in der Konkurrenz sieht und demonstriert seine Finanzkraft.

So gesehen, repräsentieren die Bezüge der Spitzenleute immer auch zugleich Größe, Konkurrenzerfolg und Erfolgsanspruch des Unternehmens. Die Manager partizipieren also an der Vermehrung des Reichtums, der unter ihrer Aufsicht und Leitung den Lohnarbeitern abgepresst wird, d.h. am Zuwachs, die das Eigentum durch die Aneignung unbezahlter Arbeit zu verzeichnen hat. Und sie schreiben sich den Konkurrenzerfolg ihrer Firma als Leistung zu, für die sie einen gerechten Lohn verdienen. Wird ihr Unternehmen reicher, so verdankt sich das den weisen Entscheidungen der Unternehmensführung. Und weil vom Kapital und dem Gang seiner Geschäfte alles im Land abhängt – die Profite der Eigentümer, die Steuereingänge der Staatskasse und die berühmten Arbeitsplätze –, gelten die leitenden Aktivisten der kapitalistischen Geldvermehrung, im Unterschied zu all denen, die ja »bloß« die Arbeit tun, als die wahren Leistungsträger der Nation.

Die stattlichen Summen, die sich die Funktionäre des Kapitals für ihre Dienste genehmigen, neidet ihnen deswegen in der Regel auch so schnell keiner. Der kapitalistische Erfolg des Unternehmens rechtfertigt jede Bereicherung seiner Agenten. Allerdings gilt das auch umgekehrt: Wenn es mit dem Wachstum nicht klappt oder wenn das Management die Firma an ausländisches Kapital verscherbelt, dann haben die »Nieten in Nadelstreifen« ihr Unternehmen heruntergewirtschaftet, sich wie zum Hohn auch noch unanständig bedient oder den deutschen Standort verraten. Dann schlägt die große Stunde der »Geschädigten« und ihrer Anwälte von der schreibenden Zunft – an erster Stelle die Aktionäre, die sich um ihr Recht auf automatische Bereicherung betrogen sehen, an zweiter Stelle die Nation, die bei Pleiten um die Wirtschaftskraft ihres Standorts fürchtet, und ganz zum Schluss bekommt sogar einmal die protestierende Belegschaft recht. Sie darf ihre obligatorischen Papptafeln in die Fernsehkameras halten, auf denen sie den Verlust ihrer Arbeitsplätze beklagt und die wahren Schuldigen benennt: die Miss-Manager! Sonst und vorher geht deren Geschäft in Ordnung, ihr Gehalt gleichermaßen. Immerhin sorgen sie sich ja von morgens bis abends um nichts anderes als um deutsche Arbeitsplätze, für deren Erhalt die Arbeiter heute mal wieder ihren Gürtel um einige Löcher enger schnallen sollen.

Damit ist denn auch der letzte Unterschied zwischen den Vergütungen der Arbeiter und der Manager aufgedeckt. Die einen können schnell mal 60 Millionen einsacken und schädigen damit niemanden. Wenn aber Arbeiter drei Prozent Lohnerhöhung verlangen, ruinieren sie die deutsche Wirtschaft, die dann einfach keine Arbeitsplätze mehr schaffen kann.

Bleibt als Resümee festzuhalten: Manager verdienen, was sie verdienen. Für die erfolgreiche Erledigung der höchst ungemütlichen Funktion, den Betrieb in eine kapitalistische Gewinnmaschine zu verwandeln, werden sie aus dem Profit honoriert. An ihren Gehältern ist also der Gegensatz von Lohn und Gewinn abzulesen. Da gibt es nichts zu vergleichen.

Wer dennoch seine Einkünfte mit dem Einkommen dieser »Wirtschaftskapitäne« vergleicht, wer sich dabei über unberechtigte Bereicherung aufregt, aber sonst an den Leistungen dieser Funktionäre kapitalistischer Ausbeutung nichts zu kritisieren hat, der ist mit Bild und anderen Spitzenprodukten des deutschen Blätterwalds allemal gut bedient. Sie machen nämlich aus den Verdiensten der Kapitalbosse nur dann einen Skandal, wenn diese sich nicht ordentlich um den Erfolg Deutschlands verdient machen – einen Erfolg, der bekanntlich allemal auf die Kosten der zu Lohnarbeit verpflichteten deutschen Bürger geht.