Die Macht der drei G

Politische Gegner werfen der philippinischen Präsidentin Arroyo Wahlfälschung vor. Während die Stimmen ausgezählt werden, kursieren Putschgerüchte. von dorothy guerrero

Auf den Philippinen zählen Wahlkämpfe zusammen mit Schönheitskonkurrenzen, Basketball und Hahnenkämpfen zu den beliebtesten Freizeitbeschäftigungen. Für die meisten Filipinos war die Zeit vor den Wahlen am 10. Mai eine willkommene Ablenkung von ihrer alltäglichen Misere. Wie in der Vergangenheit machten die Kandidaten, die sich um die 17 000 nationalen und lokalen Ämter bewarben, aus dem 90tägigen Wahlkampf ein Festival.

Bei den im Stil von Unterhaltungsshows inszenierten Kampagnen wurden die politischen Reden zwischen Liedern, Tanzeinlagen, Sketchen und Auftritten gut bezahlter Film- und Fernsehstars gehalten. Wer an Wahlveranstaltungen teilnahm, wurde mit Mahlzeiten, T-Shirts und anderen Geschenken beglückt.

Es ist die Zeit, in der um ihre Wiederwahl bemühte Politiker ihrer Klientel etwas bieten müssen. Lokalpolitiker richten kostenlose Gesundheitszentren ein, lange vernachlässigte Bauprojekte werden plötzlich fertig gestellt. Mit den Namen und Bildern der Kandidaten geschmückte Lastwagen tauchen plötzlich in den Slums auf, um kostenlos ein paar Eimer Wasser an die Bewohner zu verteilen.

Doch der Wahlkampf ist nicht nur die Zeit der Freude über kleine Gefälligkeiten. Denn auch in diesem Jahr kamen die »drei G«, guns, goons and gold (Gewehre, Schläger und Gold), zum Einsatz. Die Kombination dieser Praktiken hilft den etablierten Politikern, die auf den Philippinen gepflegte Form der Demokratie zu erhalten. Gewehre und Schläger werden benutzt, um politische Gegner und ihre Unterstützer zu terrorisieren, während Gold, meist in Form von Geld ausgezahlt, dem Stimmenkauf dient.

Theoretisch ist der Waffenbesitz der Polizei und dem Militär vorbehalten. Doch viele Zivilisten, besonders auf der südphilippinischen Insel Mindanao, gehen mit Sturmgewehren und sogar Granatwerfern spazieren, und in einigen Städten zeigen sich kommunistische Guerrilleros offen mit ihren Waffen. Bis Mitte Mai zählte die Polizei 143 Tote bei Zwischenfällen im Wahlkampf, wesentlich mehr als bei der bislang blutigsten Wahl im Jahr 2001, die 111 Todesopfer forderte.

Die Wahlbeteiligung war mit 75 Prozent recht hoch, doch politische Inhalte spielten im Wahlkampf keine Rolle. Die Programme der Spitzenkandidaten, der amtierenden Präsidentin Gloria Macapagal Arroyo und ihres Herausforderers Fernando Poe jr., vermieden klare Aussagen zu politischen und wirtschaftlichen Fragen. Poe gab seine Pläne erst nach Beginn der Wahlkampagne bekannt, beide vermieden öffentliche Debatten. Der unabhängige, nicht mit der Präsidentin verwandte Senator Joker Arroyo nannte die Konkurrenz der beiden »eine Wahl zwischen einem korrupten und einem dummen Kandidaten«.

Arroyo wird vorgeworfen, öffentliche Gelder für ihren Wahlkampf verwendet zu haben. Poe dagegen hat die High School abgebrochen, er hatte vor seiner Kandidatur nie ein öffentliches Amt inne. Er verdankt seine Popularität, wie bereits der 2001 abgesetzte Präsident Joseph Estrada, seiner Karriere als Schauspieler. Poe ist seit den achtziger Jahren der unumstrittene »König des philippinischen Films«. Die meisten seiner 282 Filme »zeigen ihn gegen enorme Hindernisse kämpfend, um die Unterdrückten zu verteidigen«, vermerkt eine Biographie auf Poes Website.

Die anderen Kandidaten, der ehemalige Polizeichef Panfilo Lacson, der Senator Raul Roco und der Evangelist Eddie Villanueva, ein ehemaliger Marxist, blieben chancenlos. Ein neues Phänomen in der philippinischen Politik waren die Meinungsumfragen. Ihre Ergebnisse scheinen ganz den Platz von Programmen und politischen Debatten eingenommen zu haben. Es ging im Wahlkampf nicht um die Frage, wer am besten geeignet ist, das Land zu regieren, sondern wer bei den etwa alle drei Wochen durchgeführten Umfragen am besten abschnitt. Arroyo und Poe konzentrierten sich darauf, sich als die einzigen Kandidaten mit echten Gewinnchancen darzustellen. Die anderen drei Kandidaten formulierten klarere politische Ziele, erreichten aber nie gute Umfragewerte.

Der Wahlkampf ist sehr teuer, und es gibt weder eine öffentliche Finanzierung noch solvente Parteien. Kandidaten, die weit mehr ausgeben, als sie während einer Legislaturperiode verdienen, müssen auf andere Finanzquellen zurückgreifen. Diese Investition soll wieder hereingeholt werden und auch einen Profit abwerfen. Korruption ist in diesem System keine persönliche Verfehlung, sondern eine machtpolitische Notwendigkeit.

Arroyo, die 2001 die Präsidentschaft übernahm, nachdem ihr Vorgänger Estrada über Korruptionsvorwürfe gestürzt war, soll ihre finanziellen Probleme durch den Griff in die Staatskasse gelöst haben. Und das ist nicht der einzige gegen sie erhobene Vorwurf. Ihr fehlte ein demokratisches Mandat, doch bei ihrem Amtsantritt hofften viele Filipinos auf soziale Veränderungen. Ihre Politik wird jedoch als konzeptlos beurteilt, und weiterhin müssen 60 Prozent der filipinischen Wähler mit einem Dollar pro Tag auskommen.

Ihnen dürfte schwer zu vermitteln sein, warum die Wahlkommission umgerechnet 3,3 Millionen Euro für die Computerisierung der Wahl ausgab, die Stimmen nun aber doch von Hand ausgezählt werden müssen. Die Kommission hatte den Auftrag für die Zählmaschinen an eine offensichtlich unqualifizierte Firma vergeben. Probleme gab es auch bei der Wählerregistrierung nach dem neuen Voter’s Validation System. Das unabhängige Meinungsforschungsinstitut Social Weather Station (SWS) schätzt, dass 2,5 Prozent der Wähler ihre Namen nicht auf der Liste in ihrem Wahllokal finden konnten. 900 000 Filipinos sollen auf diese Weise von der Abstimmung ausgeschlossen worden sein.

Dass Arroyo zwei ihrer Anhänger zu Mitgliedern der Wahlkommission ernannte, trug ihr den Vorwurf der Fälschung ein. Doch auch unter Poes Anhängern und den mit ihm verbündeten Senatskandidaten finden sich Veteranen der Manipulation, die ihr Können bei vergangenen Wahlen unter Beweis gestellt haben.

Einer SWS-Umfrage zufolge errang Arroyo 41 Prozent der Stimmen, neun Prozent mehr als Poe. Dessen Anhänger präsentierten eine andere Umfrage, die ihrem Kandidaten neun Prozent Vorsprung zuspricht, und versammelten sich in der vergangenen Woche zu einem »Siegesmarsch«. Während die Stimmen ausgezählt werden, berichten die Medien täglich über Zwischenfälle, bei denen Wahlurnen verschwinden oder mutmaßlich siegreiche Kandidaten getötet werden. Nun verbreiten sich Gerüchte, dass ehemalige Generäle des 1986 gestürzten Militärdiktators Marcos einen Putsch vorbereiten.

Anfang Juni soll das offizielle Ergebnis bekannt gegeben werden. Die sozialen und wirtschaftlichen Probleme der Philippinen aber dürften wachsen, egal wer aus dem Festival als Sieger hervorgeht.