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Kugeln in der Kuppel

Irak. »Wir haben den Schrein Imam Alis nicht angegriffen«, versicherte Brigadegeneral Mark Kimmitt. »Wir respektieren weiterhin die von den Geistlichen gezogene rote Linie.« Bei den Kämpfen zwischen US-Truppen und der Miliz des schiitischen Islamisten Muqtada al-Sadr war die goldene Kuppel des Schreins von vier Kugeln getroffen worden. Offenbar unzufrieden mit den schleppenden Verhandlungen zwischen schiitischen Geistlichen und Sadr über eine friedliche Lösung, hatten die Besatzungstruppen in der vergangenen Woche Stellungen der Milizen in verschiedenen Städten angegriffen.

Möglicherweise soll die Offensive Sadr nur zu größerer Kompromissbereitschaft und einer Auflösung seiner Miliz zwingen. Die wichtigsten schiitischen Organisationen und die meisten Geistlichen lehnen Sadrs Konfrontationskurs ab, und am Dienstag der vergangenen Woche hatten in Najaf etwa 1 000 Schiiten für den Rückzug der Milizen aus der Stadt demonstriert. Dennoch ist der Angriff ein großes politisches Risiko, zumal die US-Truppen im sunnitischen Falluja einem ehemaligen ba’athistischen General die Verantwortung für die Sicherheit übertrugen und die bewaffneten Aufständischen faktisch amnestierten. Da der US-Verwalter Paul Bremer auch eine Rehabilitation von Ba’athisten angekündigt hat, die nicht direkt an den Verbrechen Saddam Husseins beteiligt waren, könnte ein härteres Vorgehen gegen Sadr als Parteinahme gegen die Schiiten gewertet werden.

Gelehrte und Erneuerer

Al-Qaida. Mit »hoher Wahrscheinlichkeit« sei es Musab al-Zarqawi persönlich gewesen, der dem US-Amerikaner Nicholas Berg den Kopf abschnitt, glaubt die CIA nach der Analyse des in der vergangenen Woche veröffentlichten Videos des Mordes. Bislang hatte die CIA allerdings behauptet, Zarqawi habe durch einen Bombenangriff in Afghanistan ein Bein verloren und im Irak eine Prothese erhalten. Der Mörder Bergs trägt jedoch keine Prothese.

Ob persönlich beteiligt oder nicht, unzufrieden dürfte Zarqawi über die Herausstellung seiner Rolle nicht sein. Denn er ist bemüht, sich als Führungsfigur des islamistischen Terrors neben oder auch an der Stelle von Ussama bin Laden zu etablieren. Mit der Enthauptung Bergs, die ausdrücklich als Rache für die Folterung irakischer Gefangener bezeichnet wurde, haben islamistische Terroristen schnell reagiert. Die Debatte über die Demokratie als mögliche Lösung der Probleme der islamischen Welt sei nun endgültig beendet, frohlockt die mit al-Qaida sympathisierende Gruppe al-Mujahirun: »Die Episode Abu Ghraib hat die Arbeit für Sheikh Ussama bin Laden und andere Gelehrte und Erneuerer viel leichter gemacht.«

Gefährlicher Job

Russland. Drei von vier tschetschenischen Präsidenten starben eines gewaltsamen Todes. Überlebt hat allein der separatistische Präsident Aslan Maschadow, der von Russland eingesetzte Präsident Achmed Kadyrow dagegen starb Anfang Mai bei einem Bombenanschlag. Ein Gesuch tschetschenischer Politiker und Geistlicher an die russische Regierung schlägt vor, das in der Verfassung vorgeschriebene Mindestalter für das Präsidentenamt herabzusetzen, um dem 27jährigen Sohn eine Kandidatur zu ermöglichen. Ramzan Kadyrow scheint es allerdings nicht eilig zu haben, die Amtsnachfolge seines Vaters anzutreten. Auf die Frage, ob er Präsident werden wolle, sagte Kadyrow jr.: »Ich habe nicht die Absicht.«

Der Ernennung zum Vizeregierungschef widersprach Kadyrow jedoch nicht. Um seinen Clan sammeln sich die prorussischen Tschetschenen, und seine mehrere Tausend Kämpfer zählende Miliz, der von Menschenrechtsorganisationen Massenmord, Entführungen und Folter vorgeworfen wird, ist für Russland eine willkommene Hilfe. Die lebensgefährliche Aufgabe, eine verhasste Regierung zu repräsentieren, überlässt Kadyrow aber vorerst dem ehemaligen Premierminister Sergej Abramow.

Dichten statt regieren

Indien. Premierminister Atal Bihari Vajpayee wird in Zukunft wieder mehr Zeit für sein Hobby, die Poesie, haben. »Ich möchte wieder Gedichte schreiben«, sagte er nach seinem Rücktritt in der vergangenen Woche. Überraschend hatte Vajpayees hindu-nationalistische BJP die Wahlen verloren. Präsident Abdul Kalam beauftragte Sonia Ghandi von der siegreichen Congress-Partei mit der Regierungsbildung.

Dass die BJP sich nicht glaubwürdig vom militanten Hindu-Nationalismus distanziert hat, dürfte ihr ebenso geschadet haben wie beschönigende Slogans über die wirtschaftliche Lage, die die arme Bevölkerungsmehrheit nicht überzeugten. Die Congress-Partei hat angekündigt, die Privatisierungen zu verlangsamen, sie wird möglicherweise gemeinsam mit linken Bündnispartnern wie der Kommunistischen Partei regieren. Auf diese Aussichten reagierte die Börse von Bombay mit dem größten Kursverlust seit drei Jahren. Man werde ein »günstiges Klima« für die »Investorengemeinschaft« schaffen, versuchte Manmohan Singh, der gute Chancen auf den Posten des Finanzministers hat, die Geschäftswelt zu beruhigen. Die Privatisierungspolitik war Anfang der neunziger Jahre von einer Congress-Regierung begonnen worden.

Spielen statt einsitzen

USA. Eigentlich hätte Brian Strahl sich am vergangenen Freitag vor Gericht wegen Unterschlagung und Geldwäsche verantworten müssen. Doch der Angeklagte hatte eine bessere Idee. Er setzte sich in Las Vegas an den Spieltisch und pokerte. In einem Fax teilte er dem Gericht mit, er habe bereits am ersten Tag 5 000 Dollar gewonnen, mit denen er selbstverständlich die durch seine illegalen Geschäfte Geschädigten ausbezahlen wolle. Bei diesem Tempo bräuchte der Profispieler nur knapp ein Jahr, um seine Schulden zu begleichen. Richter James N. Citta aber wusste die reumütige Eigeninitiative nicht zu schätzen und erließ einen Haftbefehl.