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Zu früh gefreut?

Frankreich. Nachdem der prominente Gefangene, Cesare Battisti, im März aus der Untersuchungshaft entlassen worden war, glaubten viele, er sei endgültig »gerettet«. Aber am Mittwoch voriger Woche stand die Eröffnung des Hauptverfahrens an, in dem erst geklärt werden soll, ob das Auslieferungsersuchen der italienischen Regierung rechtmäßig ist. (Jungle World, 11/04) Staatsanwältin Sylvie Petit-Leclair bejahte bereits deutlich die Rechtmäßigkeit des Auslieferungsbegehrens. Was bleibt, ist ein delikates Rechtsproblem: Ein Pariser Gericht hatte bereits 1991 die Auslieferung Battistis, der in Italien in Abwesenheit zu lebenslänglicher Haft verurteilt worden war, abgelehnt. Nach geltenden Regeln ist dieses Urteil rechtskräftig, und gegen dieselbe Person kann nicht ein zweites Mal in derselben Auslieferungssache verhandelt werden. Doch die Staatsanwältin befand spitzfindig: 1991 habe man über die Auslieferung wegen eines entsprechenden Ersuchens des italienischen Staates verhandelt, 2004 verhandele man dagegen wegen vorliegender Urteile von italienischen Gerichten. Diese Argumentation spiegelt mit Sicherheit die Position des konservativen Justizministers Dominique Perben wider. Richter sind in Frankreich zwar nicht weisungsgebunden, Staatsanwälte aber schon. Das Urteil soll am 30. Juni gesprochen werden.

Durchgefallen

Polen. Das Ergebnis sei besser gewesen als erwartet, erklärte der polnische Staatspräsident Aleksander Kwasniewski etwas lahm, nachdem sein Wunschkandidat bei der Vertrauensabstimmung im Parlament durchgefallen war. 262 von 450 Abgeordneten hatten sich Freitagnacht gegen Marek Belka vom Bündnis der Demokratischen Linken (SLD) als neuen Ministerpräsidenten ausgesprochen. Das Parlament muss nun innerhalb von zwei Wochen einen neuen Kandidaten für das Amt finden. Kwasniewski will erneut Belka vorschlagen. Zwar würde diesem bei der erneuten Abstimmung eine einfache Mehrheit ausreichen, aber auch davon ist nicht auszugehen. Die Oppositionsparteien spekulieren lieber auf vorgezogene Neuwahlen. Alle Umfragen deuten nämlich auf eine herbe Wahlniederlage der Regierungsspartei SLD. Ihr wird u.a. vorgeworfen, nicht effektiv genug gegen die Arbeitslosigkeit vorzugehen. 20 Prozent der Bevölkerung haben keine Arbeit.

Die SLD besitzt im Parlament keine Mehrheit und die Arbeiterpartei, die mit ihr koaliert, hatte vor der Abstimmung Zugeständnisse verlangt. So sollte Belka einen Zeitplan für den Truppenrückzug aus dem Irak vorlegen. In seiner Rede vor der Abstimmung erklärte er aber nur, er hoffe, die 2400 Soldaten Anfang kommenden Jahres zurückzuholen. Er äußerte sich zudem enttäuscht über mangelndes wirtschaftliches Engagement aus den USA in Polen und die ausbleibenden Lockerungen bei den Visumsbestimmungen. Offensichtlich hatte sich seine Regierung von ihrem Kampfeinsatz im Irak mehr Gegenleistungen versprochen.

Amerikanische »KZ-Schergen«

Österreich. Nein, diesmal ist es nicht jemand aus der FPÖ, der mit Verharmlosungen oder Relativierungen des Nationalsozialismus von sich reden macht. Diesmal ist es die Spitzenkandidatin der ÖVP für die Europawahl, Ursula Stenzel. Während des Wahlkampfauftakts am vergangenen Freitag erklärte sie zu den Folterungen im Irak: »Wir sehen, wie leicht es geht und wie die Zivilisation – auch die amerikanische, auch die europäisch-abendländische Kultur – keinerlei Schutzschild davor bietet, dass man in Charaktereigenschaften fallen kann, in bestimmten Extremsituationen, die den KZ-Schergen um nichts nachstehen.«

Wettrüsten

EU-Rüstungsexporte. Die »Top Five« im europäischen Rüstungsgeschäft, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Schweden, bestreiten momentan ein Drittel des weltweiten Waffenhandels. Das geht aus einem Bericht der Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) hervor, der am Freitag vergangener Woche veröffentlicht wurde. Besonders kritisiert wird darin zudem die Lieferung von Überwachungstechnologie aus Deutschland nach Turkmenistan, wo eine ähnliche Technik zur politischen Repression benutzt werde, und dass sich eine italienische Firma in China an der Herstellung von Fahrzeugen beteiligte, die als mobile Hinrichtungsstätten benutzt würden. Tschechien wurde Vorgeworfen, Waffen nach Sri Lanka und Jemen geliefert zu haben. Ein Sprecher des tschechischen Verteidigungsministeriums meinte dazu lapidar, der Bericht stelle keine Alternativen vor. Der einzige Vorschlag sei, Waffen gar nicht zu verkaufen, und das sei nicht realistisch.

Krawalle statt Kindern

Italien. Neben Banken, Autos und dem Vertrauen in die Staatsgewalt scheint während des G8-Gipfel 2001 in Genua auch etwas anderes beschädigt worden zu sein: die Sexualität der Stadtbewohner. Das zumindest will eine Studie des italienischen Andrologiekongresses beweisen, die vergangene Woche veröffentlicht wurde.

Die Geburtenrate in Genua sei neun, zehn und elf Monate nach dem Gipfel um fast 30 Prozent gesunken, schreibt der Studienleiter, Professor Aldo de Rose, im Abschlussbericht. 402 Personen wurden in den vergangenen drei Jahren im Rahmen der Studie befragt, 120 von ihnen behaupteten, während der G8-Tage keine Lust auf Sex gehabt zu haben. Das sei eine deutliche Stressreaktion auf die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizei, erklärt der Professor. Das Ziel der Studie sei es gewesen, am Beispiel von Genua zu beweisen, dass Demonstrationen, Gewalt, Straßenschlachten u. ä. schwer wiegende psychosomatische Wirkungen haben können. Der Vorwurf könnte vor Gericht hart klingen: Verhinderung der Fortpflanzung der Nation, oder so ähnlich. Daher liebe Streetfighters, das nächste Mal dran denken: Kinder, statt Krawalle, oder make love, not war. Oder so.