McKinsey-Linke

Von der neuen Regierung Indiens sollte man nicht viel erwarten von matthias becker

Vieles kann man Leninisten vorwerfen, eines nicht: die so genannte Regierungsverantwortung zu scheuen. Aber gerade das scheint sich bei den indischen Kommunisten gerade abzuspielen. Entgegen allen Voraussagen haben die indischen Parlamentswahlen einen Linksruck gebracht. Die left front, ein Bündnis von vier Parteien, erzielte mit zwölf Prozent das beste Ergebnis ihrer Geschichte. Die stärkste darunter ist die Kommunistische Partei Indiens (Marxisten), die im südlichen Bundesstaat Westbengalen seit 27 Jahren regiert.

Dennoch werden sich die Parteien der linken Front nicht an der Regierung beteiligen. Stattdessen wollen sie die Allianz unter Führung der Kongresspartei von außen unterstützen und so »die Interessen der arbeitenden Menschen vertreten, das säkulare Fundament Indiens verteidigen und die imperialistische Durchdringung unserer Gesellschaft bekämpfen«, wie es in der Erklärung des Zentralkomitees der CPI (M) heißt. Nur der kleinste Bündnispartner, die Revolutionäre Sozialistische Partei (RSP), sicherte der neuen Regierung nicht im voraus ihre Unterstützung zu.

Die Erfolge der Kommunisten waren der eigentliche Grund für die panische Reaktion an der Börse in Bombay, die in der Woche nach Bekanntgabe des Ergebnisses zeitweise Kurzstürze von 20 Prozent verzeichnete. Dabei verhalten sich die Parteimarxisten, wo sie an der Macht sind, durchaus kooperativ. Bei einem Treffen mit Industriellen in Bombay im vergangenen Jahr versicherte der bengalische Ministerpräsident Buddhadeb Bhattacharjee, die Unternehmer müssten vor Streiks keine Angst haben. Tatsächlich kann die kommunistische Partei, die dank der ihr angeschlossenen Gewerkschaft CITU über großen Einfluss bei den Arbeitern verfügt, effektiver für Stabilität sorgen als jede andere. In Westbengalen und Kerala wirbt sie nicht nur um ausländische Investoren, sondern betreibt selbst eine Privatisierung des immer noch recht großen Staatssektors. Beraten wird sie dabei von der Agentur McKinsey. Auf diese real existierende Wirtschaftspolitik angesprochen, argumentierte Bhattacharjee: »Als Marxisten ist es unsere Leitlinie, die Produktivkräfte zu entwickeln. Rückstand und Armut bedeuten nicht Kommunismus!«

Wo sie an der Macht sind, stützen sich CPI und CPI (M) nicht nur auf Industriearbeiter, sondern auch auf Kleinhändler und die Bauern, und wollen selbst für den so genannten neuen Mittelstand wählbar werden, der begreift, dass die dramatisch anwachsende gesellschaftliche Ungleichheit auch für stabiles Wachstum Gefahren birgt.

Vertreter der Linksparteien argumentieren vor allem taktisch: Es gehe darum, den Hindunationalisten der BJP nicht die Rolle der Opposition zu überlassen. Vor allem aber wollen die kommunistischen Parteien nicht mit der Wirtschaftspolitik der künftigen Regierung in Verbindung gebracht werden. Denn es war die Kongresspartei, die während ihrer Regierungszeit 1991 die Privatisierung der großen Staatsbetriebe und die Öffnung des davor protektionistisch geschützten Marktes für ausländisches Kapital begann.

Der damalige Finanzminister Manmohan Singh war für diese Politik maßgeblich verantwortlich und will sie nun als neuer Ministerpräsident weiterführen. Mit ihm eine Koalitionsregierung zu bilden, birgt für die linken Parteien zu große Risiken. Der Spagat zwischen Klassenkampfrhetorik und kapitalfreundlicher Wirtschaftspolitik mag lokal funktionieren, für ganz Indien wäre er nicht durchzuhalten.