Ich leide wirklich

Popliteraten haben noch echte Gefühle. Die müssen heraus. Ein Bekenntnis. von jörg sundermeier

Liebe Leute, Fans, Freunde, was weiß denn ich. Ja, es stimmt, was zu lesen ist. Ich bin drogenabhängig. Ja, ich weiß, das habe ich schon allerorten geschrieben, doch diesmal bin ich hier nicht mein Erzähler-Ich oder sowas, sondern mein wirkliches. Ich also.

Das war nämlich schlimm. Mit mir. Und mit euch aber auch. Ich habe die Kontrolle verloren. Ich war verliebt in Franziska Gernegut, Sie kennen sie alle. Nein, ihr kennt die alle. Weiß man ja.

Na, egal, jedenfalls, als ich der Bild, dem Schweizer Blick, der Bunten und dem stern Interviews gab, in denen ich ganz deutlich zu meiner Liebe stand, da wurde es schwierig. Es ging mir nämlich schon damals scheiße. Will sagen: es war nicht mehr gut mit mir. Ich war das Opfer, damals schon, einer allgemeinen Anfeindung. Dabei hatte ich mir nichts zuschulden kommen lassen. Ich hatte lediglich einen Roman veröffentlicht, der sehr gut war, doch gleich gab es dann Neider. Das Feuilleton besteht aus lauter Bestien, die achten gar nicht mehr auf den Text, Texte sind denen völlig egal, die achten nur auf die Menschen, also nicht auf das, was dahinter steckt, sondern auf die Oberfläche, und gut aus sehe ich ja. Das können die nicht leiden, das mit dem Text, wenn der gut ist, und das mit dem Aussehen auch nicht, und Erfolg, da werden die sehr neidisch in der Branche, glauben Sie mir, glaubt mir, meine ich. Ich weiß das, ich habe selbst im Feuilleton gearbeitet. Und hart, ganz lange, richtig ausgebeutet wurde ich dort mit meinen Texten, ganz leer gesogen, diese ganze Medienwelt, die reißt so an einem, Mannmann.

Die gingen mit mir jedenfalls hart ins Gericht, die Feuilletons, mit diesem Roman, und waren dabei sehr ungerecht. Gleich zu Anfang. Das habe ich mir damals zu Herzen genommen, denn ich war ja kaum protegiert worden von meinen Schulfreunden, die heute dicke Posten besetzen, in den Feuilletons, wo die einfach Verrisse durchgewunken haben, in denen es dann abging, ganz gemein, weil feindselig gegen mich, gleich von Anfang an. Ich war nie gemein und immer nett im Feuilleton, ich habe mich da anders verhalten, weil mich interessierten die Medien ja, aber Berti und Flori, Poppi und Nobbi, die waren nicht mehr nett, jedenfalls nicht zu mir, diese Arschgeigen, dabei waren die doch selbst der letzte Scheiß in der Schule. Aber das sagt man ja eben nicht als feiner Mensch, nur die, auf die war eben selbstredend kein Verlass.

Nun bin ich Medienprofi, eigentlich, weil ich war bei Funkfilmfernsehen und immer gut zu meinen Angestellten, und überhaupt ging es mir nie um die Kohle und so, es ging mir um das ganz Große dahinter, die Oberfläche hinter der Oberfläche, wie ich das nenne, es ging darum, das jetzt mal total zu durchschauen. Da braucht es schon so Ironie und Distanz, einerseits. Da musste ich mich aber andererseits eben selber da reinsetzen in so einen Sessel, so einen Chefsessel, von wegen der Chancengleichheit und dass man auch was mitfühlt gewissermaßen, und auch bei sich selbst sieht: Mensch, das bist du ja jetzt auch, so ein Typ, der Entscheidungen trifft, und dann sind es die falschen eben auch manchmal, das bringt ja der ganze Betrieb mit sich, jedenfalls, das muss man auch mal durchmachen. Wenn die Kohle stimmt, merkt man das ja auch gar nicht, erst später merkt man es, das ist so was von einer Täuschung da, in diesem Biz, auch Selbsttäuschung, ja, das kriegt man zunächst gar nicht so stark mit, wenn man das nur von innen analysiert.

Und man muss da doch rein, in das System, weil, sonst geht das nicht mit der Kritik, dann macht man so abstraktes Zeug, das nichts weiß, nichts wissen will, während wenn man da reingeht, dann kommt das, dass man da eben nicht nur so von außen drauf herabguckt, sondern so human analysiert und eben merkt, hallo, die Nina oder der Rainald oder wie die jetzt immer heißen, also das sind eben auch Menschen bei all der ganzen Blamage, und irgendwie ist die Blamage auch das Menschliche daran oder darin. Nur dass man das natürlich dann schon herausstellen muss, die Blamage, denn so ein Text muss ja auch eine Story haben oder einen Inhalt oder ein Ereignis oder so, jedenfalls muss sie funktionieren, wenn man das aufschreibt. Aber ich hab das immer gesehen, das Gefühlte.

Und, ja, ich bin auch selbst hart ins Gericht gegangen mit den ganzen Pappnasen und Arschlöchern und was noch so rumstinkt im Fernsehen und im Zeitungskram und den sonstigen Medien, logo, nur muss ich sagen, ich war dabei trotzdem immer fair zu den Leuten. Ich habe sie nie Arschlöcher genannt, so ganz direkt, und das schon gar nicht in meinen Büchern (by the way: da erscheint übrigens gerade was Neues von mir). Das wäre mir auch zu blöd, so das Wort Arschloch, selbst wenn’s ein Arschloch ist, man hat ja einen Namen und irgendwie Bildung und will auch was werden im Alter.

Weil ich jetzt aber plötzlich mit Franziska Gernegut zusammen war, da brach das dann über mich ein, dass ich das mal hier und da beiläufig erwähnt hatte, und plötzlich gab das so einen Druck, also gegen mich jetzt, Wahnsinn, da griff ich zur Flasche, zum Koks und was es sonst noch so auf den Partys gab, wo ich immer war, und das hat dann gar nicht geholfen, weil die Franziska, die hatte sich das anders vorgestellt mit mir und fühlte sich so ausgewertet, so missbraucht dabei. Mann, echt, ich hab die geliebt, nur ist die doch natürlich auch mein Material, mein ganzes Leben ist mein Material, ich meine, wofür mache ich denn den ganzen Scheiß, wenn nicht für das Schreiben oder so.

Aber ich wurde ja vom ersten Buch an verrissen, wie es gar nicht normal ist, so ein Scheißhohn da plötzlich von diesen Leuten mit diesen Fratzen und dieser kranken Sicht auf die Welt, in der es immer nur Medien, Medien, Medien gibt, und die mich plötzlich einfach da zu Stoff ihrer Schmiererei machten und mich überwachten wie die Geier, wenn ich mal was kaputtgetreten habe bei der Goldenen Kamera-Verleihung oder war es der Robert Koch-Preis oder was, die immer mit ihrem Scheißpreisgeld, da habe ich das doch einfach mal genutzt für einen öffentlichen Protest. Ich habe das ganz bewusst gezeigt, so leicht ist sie nicht zu kaufen für eure Medien, die Jugend, das habe ich ja jetzt auch mehrfach geschrieben in meinen Büchern. Jedenfalls waren das am Ende doch immer auch so Aus-dem-Bauch-Aktionen, diese Auftritte, die wurden dann aber auch gleichwie ausgeschlachtet, und das hält man doch echt nicht durch.

Jedenfalls ist das dann völlig eskaliert mit diesen Angriffen, als ich auf diesen Partys war und mal einfach nur ruhig gefeiert habe, und immer haben alle mir aufgelauert, also jetzt Bild und stern und Blick und so und haben mich nach Franziska gefragt, doch die hat ja echt Schluss gemacht, wegen ihrem Missbrauchscheiß, was ja auch mehr so ein Totschlagargument gegen Schriftsteller ist und auch andere. So. Und ich so: wie?, die wühlen jetzt in deinem Innersten, du bist irgendwie nur noch so eine Nummer für die, ein Ding, die stellen dich einfach so aus, und deine Seele. Und wie dir das geht, wenn die das schreiben, das kümmert die einen Dreck. Und da habe ich gedacht, nun, ok, dann gibst du halt noch mal den dicken Max, und einfach Scheiße erzählt, wenn ich dann voll genug war von dem ganzen Mist, den man da frisst, und das, wollte ich nur sagen an dieser Stelle, tue ich nie wieder, übrigens, schreib ich gerade drüber, wie das ist.

Und gleichzeitig, das wusste ja niemand, war dieses eine Buch über Franziska und mich, und das andere über meine Medienfreunde und wie die mich allein stehen lassen mit ihrer Rücksichtslosigkeit, das war beides misslungen, das ging einfach nicht mehr, und ich also immer weiter rein den Stoff, und da merke ich plötzlich: ich brauche das. Ich gehe voll verzweifelt zum Arzt und sage, das ist jetzt keine Rollenprosa mehr, Mann. Doch der blickt’s nicht. Und das wurde dann immer konkretere Wirklichkeit und betraf nur mich, und ich konnte es doch auch niemandem sagen, damals.

Verstehen Sie, also ihr? Weil nämlich, das geht ja nach hinten los, wenn man so rücksichtslos gegen sich selbst schreibt, da macht man sich auf eine Weise nackt, dass man friert, und man merkt das ganz allein. Überhaupt habe ich viel gelitten in den letzten Monaten. Und jetzt bin ich aber davon runter und schrei das auch jedem zu in seinem Scheißstudio und seiner Redaktion, dass die das kapieren und dass die das drucken, dass die das merken, dass man einen Menschen nicht so fertig machen kann und den einfach wie Material ausschlachten. Mach ich ja auch nicht, obwohl ich ja Gelegenheit dazu gehabt hätte. Aber nein, ich bin da diskret, weil ich hab nämlich Tiefe und nehm an dieser Oberfläche nicht teil, dieser Scheiße. Darüber schreibe ich übrigens gerade auch, dass man dagegen ankämpfen muss, weil es um Ehrlichkeit geht und nicht um irgendwie Distanz. Darum auch dieser Artikel hier, das muss ja alles mal raus, damit man nicht nachher denkt, ich wär nur Oberfläche. Und irgendwie Unterhaltung. Ist mir doch scheißegal, wer Oberfläche ist und was der denkt, ich bin es nicht. Nein, ich denke und fühle nämlich auch so wie Sie oder ihr. So bin ich. Und ich will geliebt werden dafür, verdammt. Habt mich lieb. Ich bin einer von euch.