Schützt unsere Schüler!

In Heidelberg wird ein Lehrer, der sich in der Antikriegsbewegung engagiert, mit einem Berufsverbot belegt. von hansjörg fröhlich

Eigentlich wollte Michael Csaszkóczy seit Februar an einer Heidelberger Realschule unterrichten. Wenn er an seine Erfahrungen mit Schülern, Kollegen und Eltern während seiner Referendariatszeit denkt, kommt er zu dem Schluss: »Ich habe den richtigen Beruf gewählt, ich arbeite gern mit Kindern.« Im Dezember 2003 erhielt er jedoch einen Brief vom Oberschulamt, der seine Einstellung als Lehrer bis heute verhindert. »Ich habe es nicht glauben wollen, habe den Brief wochenlang mit mir herumgetragen und meinen Freunden und Kollegen gezeigt.«

Nach 20 Jahren gibt es in Baden-Württemberg wieder einen Fall von Berufsverbot. Dem 33jährigen Csaszkóczy wird die Einstellung in den Schuldienst mit der Begründung verweigert, es bestünden Zweifel an seinem Eintreten für die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Im vergangenen halben Jahr hat eine Allianz aus dem baden-württembergischen Innenministerium, dem Kultusministerium, dem Oberschulamt und dem Verfassungsschutz mit zum Teil fragwürdigen Mitteln eine Neuauflage des Radikalenerlasses gestartet und den Heidelberger Lehrer an der Ausübung seines Berufs gehindert.

Michael Csaszkóczy ist seit 1989 politisch aktiv. Er sieht sich selbst als »radikalen Linken, der keiner Partei anhängt und für den die Idee des Kommunismus nicht obsolet ist«. Unter anderem engagiert er sich in der Antikriegsbewegung, in der Antifaschistischen Initiative Heidelberg, im dortigen Autonomen Zentrum und für die Rote Hilfe. Im Jahr 2002 leistete er sein Referendariat an einer Realschule ab, ohne dass vom Oberschulamt Bedenken gegen seine Aufnahme ins Beamtenverhältnis geäußert wurden. Seit dem zweiten Staatsexamen im Sommer 2003 wartet Csaszkóczy nun auf seine Einstellung.

In dem Brief vom Oberschulamt Karlsruhe vom Dezember wurde er zu einem »vertieften Einstellungsgespräch« am 23. Dezember eingeladen, in dem es um seine »Mitgliedschaft in Parteien und Gruppierungen« gehen sollte. Es seien wegen verwertbarer Erkenntnisse des Innenministeriums aus den Jahren 1992 bis 2002 Zweifel an seiner Verfassungstreue aufgekommen. Woher diese »Erkenntnisse« stammten, wurde ihm nicht mitgeteilt, ebenso wenig wurde er über eine Akte des Verfassungsschutzes informiert, die dem Oberschulamt seit einem halben Jahr vorlag.

Da das Innenministerium in Stuttgart den Verfassungsschutz beauftragte, die Akte dem Oberschulamt zu überstellen, musste Csaszkóczy nicht darüber in Kenntnis gesetzt werden. Geschickt wurde so das Landesverfassungsschutzgesetz umgangen, das im umgekehrten Fall, wenn also das Oberschulamt die gesammelten VS-Berichte angefordert hätte, die vorherige Information des Betroffenen vorschreibt.

Das Gespräch wurde vom Oberschulamt schließlich ohne Begründung abgesagt. Nach mehrmaliger Nachfrage wurde Csaszkóczy mitgeteilt, es würden gerichtsverwertbare Tatsachen und neuere Erkenntnisse über ihn beim Verfassungsschutz eingeholt, die die Bedenken gegen seine Übernahme in den Schuldienst begründeten. Schließlich gab der zuständige Regierungsdirektor Brandner am 10. Januar den aktuellsten Eintrag aus der Akte preis. Csaszkóczy habe gemeinsam mit anderen versucht, einen Naziaufmarsch zu verhindern. Brandner räumte ein, dass dies allein nicht ausreiche, die Zweifel an der Verfassungstreue des Bewerbers zu begründen. Aber die Summe der Erkenntnisse spreche gegen Csaszkóczys Einstellung, die für den 1. Februar vorgesehen war.

Anfang März erhielt Csaszkóczy erstmals Einsicht in die Akte des Verfassungsschutzes, von dem er, wie sich herausstellte, seit zwölf Jahren überwacht wird. Die »Erkenntnisse« beziehen sich auf die Anmeldung mehrerer Demonstrationen gegen Neonazis und deutsche Kriegseinsätze sowie auf Interviews, die Csaszkóczy als Sprecher des Autonomen Zentrums Heidelberg gab. Strafrechtlich relevante Tatsachen liegen nicht vor. Aus den Akten wird außerdem ersichtlich, dass die Initiative für das Berufsverbot nicht vom Oberschulamt ausging, sondern vom baden-württembergischen Innenministerium und vom Kultusministerium.

Dieses beansprucht auch die letzte Entscheidung über eine Einstellung: »Es wird ferner gebeten, das Ergebnis des Einstellungsgesprächs dem Kultusministerium mitzuteilen und den Fall zur endgültigen Entscheidung vorzulegen.« Dieses »Einstellungsgespräch« fand am 21. April statt. Entgegen den Erwartungen Csaszkóczys und seines Anwalts machte die Kommission die Entscheidung nicht von konkreten Handlungen und Äußerungen des Lehrers abhängig, sondern von seiner Zugehörigkeit zur Antifaschistischen Initiative Heidelberg. Er wurde aufgefordert, sich zu deren im Internet veröffentlichten Selbstverständnis zu bekennen oder sich davon zu distanzieren.

Vor allem zwei Punkte des vier Jahre alten Grundsatzpapiers erregten den Unmut der Beamten. Zum einen die Formulierung: »Da wir unsere eigenen Interessen nicht an andere delegieren wollen und davon überzeugt sind, dass sich auf parlamentarischem Weg an den herrschenden Unterdrückungsverhältnissen nichts Grundlegendes ändern lässt, arbeiten wir parteiunabhängig und basisdemokratisch in der außerparlamentarischen Opposition.« Zum anderen die Rede von einer »Militanz, die sich durch angemessene Zielgerichtetheit, permanente Selbstreflexion, konsequente Abwägung und hohes Verantwortungsbewusstsein der Agierenden auszeichnet, als legitimes Mittel im Kampf um Befreiung«.

Csaszkóczy war nicht bereit, sich pauschal davon zu distanzieren und legte stattdessen eine differenziertere Stellungnahme vor. Die Kommission vermittelte jedoch den Eindruck, dass die Entscheidung gegen die Einstellung bereits gefallen sei. »Das ist reine Gesinnungsjustiz, nach meinen Aktivitäten wurde gar nicht gefragt«, sagt Michael Csaszkóczy. Sein Anwalt Michael Heiming vermutet, die Befragung sei »einfach abgehakt« worden, um das Verfahren formal nicht als fehlerhaft angreifbar zu machen.

Die »Erkenntnisse« aus dem »vertieften Einstellungsgespräch« wurden dann dem Kultusministerium in Stuttgart vorgelegt. Das Komitee für Grundrechte und Demokratie, die Bunte Linke Heidelberg, die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) und die grüne Landtagsabgeordnete Theresia Bauer haben inzwischen in Briefen an die Kultusministerin Annette Schavan ihr Befremden über den Vorgang ausgedrückt.

Politische Berufsverbote wurden in Westdeutschland 1972 von der sozialdemokratischen Regierung unter Willy Brandt eingeführt. Der so genannte Radikalenerlass fand bis ins Jahr 1979 bei 11 000 Berufsverbotsverfahren Anwendung. 3,5 Millionen Menschen wurden überprüft, 1 250 Bewerber um eine Stelle im Staatsdienst wurden abgelehnt. Nach 1990 wurden Berufsverbote über Personen aus der ehemaligen DDR verhängt. 1995 verurteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die deutsche Praxis als Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention.

Doch das wird Michael Csaszkóczy nicht helfen. Der Weg durch die gerichtlichen Instanzen kann zehn Jahre dauern. Für Csaszkóczy bedeutet das Berufsverbot eine völlige »Neuorientierung im Berufsleben«. Trotzdem steht für ihn fest: »Das hat definitiv keinen Einfluss auf mein weiteres politisches Engagement.«