Rosa Trikots

Die EM als Computerspiel und das beschädigte Ansehen Deutschlands von elke wittich

In ein paar Tagen wird es wieder passieren: Die deutsche Nationalmannschaft wird bei der Europameisterschaft in Portugal ein dem Spielverlauf absolut nicht entsprechendes Goal erzielen und irgendwo in der Nachbarschaft wird ein Mann bei selbstverständlich weit geöffnetem Fenster ganz laut »Tooooorr!« brüllen.

In diesem Schrei wird weit mehr als die Freude über einen höchst ungerechten Treffer mitschwingen: Er beinhaltet unter anderem neben bedingungsloser Liebe zu allem, was ein deutschlandfarbenes Trikot tragen kann, den bedingungslosen Willen zum Rechthaben.

Bleiben Tor und Sieg aus, nehmen die verhinderten Torschreier jedoch ganz gemein übel. Falls Rudi Völler aber dachte, er sei hin und wieder höchst ungerecht behandelt worden, dann irrt er.

Wie wirkliches Dissen von Nationaltrainern geht, kann man ungefähr jeden dritten Tag im deutschen Forum des Online-Computerspiels Hattrick.org anschauen.

Einige derer, die dort regelmäßig ihren Senf dazugeben haben nämlich ein Problem: Deutschland stellt mit »Kaalita« als erstes Land eine Bundestrainerin, die anders als ihr Real-Life-Kollege Rudi Völler nicht nur demokratisch gewählt wurde, sondern für die Dauer ihrer einjährigen Amtszeit auch noch von nichts und niemandem entlassen werden kann.

Gut, besonders erfolgreich sind die von Kaalita betreuten Kicker nicht. Gerade eben verpasste man die Qualifikation zur Hattrick-WM, aber von den Programmierern eines Computerspiels kann man eigentlich auch nicht erwarten, das sprichwörtliche unverdiente deutsche Fußballglück in Nullen und Einsen umgerechnet zu berücksichtigen.

Und trotzdem scheint es sie zu geben, Menschen, die alles bejubeln, solange nur Deutschland draufsteht, und die sich nicht entblöden, sogar Pixels anzufeuern. Nach jeder Niederlage verkünden sie höchst beleidigt, dass »das« ja wohl alles so nicht gehe.

Kaalita schweigt zu solchem Bullshit meistens, am vorletzten Freitag jedoch schlug sie zurück: Im Länderspiel gegen Rumänien »werden die wegen des WM-Quali-Aus beschämten deutschen Nationalspieler in Rosa spielen: für eine rosa Zukunft des Nationalteams!«

Ein unglaublicher Skandal sei diese Farbenwahl, schäumte man, das Ansehen Deutschlands sei gezielt in den Schmutz gezogen worden, und was solle denn nun bitteschön das Ausland denken?

Kaalita habe sich »mit den rosa Trikots nun völlig disqualifiziert und gezeigt, dass der Nationaltrainer-Posten für dich wirklich nur ›Fun‹ ist und dir die Außendarstellung Deutschlands sch…egal ist«, schrieb etwa ein besonders empörter Diskutant. »Das ist mehr als schade und ich finde, du solltest nun die Konsequenzen ziehen und zurücktreten.«

Unrecht haben kann eklig sein.