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Verwirrung im Tief

SPD. Was wollen eigentlich die 23 Prozent der Deutschen, die sich immer noch vorstellen können, bei der Bundestagswahl die SPD zu wählen? Die Hartz-Gesetze fünf bis zehn? Noch mehr Arbeitslose? Oder wünschen sie den endgültigen Niedergang Deutschlands, wie ihn die CDU befürchtet? Man weiß es nicht.

Das Problem der SPD sind jedenfalls die 77 Prozent der Bundesbürger, die nichts mehr mit ihr zu tun haben wollen. Die Antwort der Partei darauf fällt uneinheitlich aus, etwa was das Verhältnis zu den Gewerkschaften betrifft. Einerseits schilt man sie, andererseits will man mit ihnen kuscheln.

Bundeskanzler Gerhard Schröder sagte dem Spiegel, die Gewerkschaften sollten klären, »ob Leute, die inhaltlich nichts anzubieten haben, wie Herr Bsirske, ihre Strategie bestimmen sollen«. Aber es mehren sich auch die Stimmen aus der SPD, die den Streit mit den Gewerkschaften beenden wollen, und zwar am besten, indem die Gewerkschaften der SPD zustimmen. Die Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul sagte der Berliner Zeitung: »Wenn es einen Dauerkonflikt zwischen SPD und Gewerkschaften gibt, dann nutzt das immer nur den Konservativen.« Was bietet Wieczorek-Zeul den Gewerkschaften an? Das: »Die Entscheidungen sind gefallen. Es kann nicht darum gehen, nachträglich etwas zu verändern.«

Ihre Sicht auf die Dinge ist unkonventionell: »Ohne diese sozialdemokratisch geführte Regierung würde sich das neoliberale Wirtschaftsmodell auch in Europa durchsetzen.« Sind am Ende gar die Sozialdemokraten die eigentlichen Blockierer?

Top und Flop

Bundeswehr. Widersprüchliche Neuigkeiten gab es in der vorigen Woche auch von der Bundeswehr. Am Donnerstag stellte sie in Hammelburg den »Infanteristen der Zukunft« vor. Die Kosten für 160 »Basissysteme« für 1 600 Soldaten sollen 60 Millionen Euro betragen haben. Der »Infanterist der Zukunft« ist unter anderem ausgestattet mit einer Funkverbindung, einem modernen Maschinengewehr und Spezialkleidung. Er besitzt ein Fernglas mit integriertem Laser-Entfernungsmesser, einen Digitalkompass, einen GPS-Empfänger und eine digitale Landkarte. All das soll seine »Kampffähigkeit« steigern.

Aber auf die Erfolgsmeldung folgte sofort der Tiefschlag. Denn am Freitag wurde bekannt, dass das Informationstechnikprojekt der Bundeswehr mit dem Namen »Herkules« vorerst gescheitert sei. Das Verteidigungsministerium habe sich entschieden, die Gespräche mit dem Firmenkonsortium Isic 21 abzubrechen. Für die Modernisierung der Datenverarbeitung und der Kommunikationstechnik der Bundeswehr sind in den kommenden zehn Jahren 6,5 Milliarden Euro vorgesehen. Die kann sich jetzt möglicherweise das Konsortium aus Siemens, der Telekom und IBM verdienen, denn mit ihm will die Bundeswehr nun das Geschäft machen.

Streit unter Gleichgesinnten

Abschiebungen. Überraschenderweise sprach sich in der vorigen Woche die von der CDU gestellte Hamburger Landesregierung für ein begrenztes Bleiberecht afghanischer Flüchtlinge aus. Sie setze sich dafür ein, dass »wirtschaftlich und sozial integrierte« Afghanen in Deutschland bleiben dürfen, berichtete die Frankfurter Rundschau.

Am 7. und 8. Juli wird die Innenministerkonferenz in Kiel die Frage erörtern, was mit den etwa 65 000 afghanischen Flüchtlingen, die sich gegenwärtig in Deutschland aufhalten, geschehen soll. Neben dem Vorschlag aus Hamburg liegen noch zwei weitere vor. Das bayrische Innenministerium möchte »möglichst noch im Sommer« mit den Abschiebungen der Flüchtlinge beginnen. Das von der SPD geführte Schleswig-Holstein hingegen will auf die Abschiebung zurzeit völlig verzichten.

Aber da ist ja noch Bundesinnenminister Otto Schily (SPD). Er hat bei seinen Gesprächen mit dem afghanischen Präsidenten Hamid Karsai im Mai klargestellt, dass die Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland nur auf Zeit geschehe.

160 Luftballons

Bombendrohung. Mit viel Glück haben 160 Passagiere einer türkischen Chartermaschine in der vergangenen Woche die Landung ihres Airbus in München erlebt. Kurz nach dem Start der Maschine drohte ein Passagier, diese mit einer Bombe in die Luft zu sprengen. Daraufhin seien Kampfflugzeuge der Bundeswehr aufgestiegen, berichtete die türkische Tageszeitung Hürriyet. Für den Fall, dass der Airbus auf ein Kraftwerk hätte gestürzt werden sollen, erhielten die Piloten den Befehl, das Flugzeug abzuschießen. Doch der vermeintliche Attentäter, der aus der Türkei stammte und Liebeskummer hatte, gab auf.

Erst im Juli wurde das Luftsicherheitsgesetz, das den Abschuss von Passagierflugzeugen zur Abwendung tödlicher Gefahren regelt, vom Bundestag verabschiedet. Wie sich zeigt, kann die Abwendung einer tödlichen Gefahr manchmal ganz schön gefährlich sein.

Cosa Nostra in Perlach

CSU. An dieser Stelle noch ein kleiner Tipp für die SPD, was sie gegen ihren Mitgliederschwund unternehmen könnte. Die Kollegen von der CSU machen es vor. Einfach neue Mitglieder kaufen!

Am Dienstag voriger Woche wurden der Stadtrat Christian Baretti (CSU), der ehemalige Vorsitzende der Münchner Jungen Union, Rasso Graber, und die stellvertretende Vorsitzende des CSU-Ortsverbandes München-Perlach, Stephanie Lütge, wegen Fälschung von Aufnahmeanträgen vom Münchner Amtsgericht zu Geldstrafen verurteilt. Nach Auffassung des Gerichts war es das Ziel der Angeklagten, die Vorstandswahlen der Partei in Perlach im Februar vorigen Jahres zugunsten des Landtagsabgeordneten Heinrich Traublinger zu beeinflussen. Mindestens 500 Euro sollen neuen Mitgliedern gezahlt worden sein. Die Staatsanwaltschaft sprach in ihrem Plädoyer von mafiosen Strukturen in der Münchner CSU.