Der große Diplomat

ich-ag der woche

Manche nennen ihn einen Terroristenfreund, andere schlicht einen Verbrecher. John Negroponte, der neue Botschafter der USA im Irak, wird immer wieder von Bedenkenträgern attackiert. Denn in den achtziger Jahren hat er die rechtsextremen Contras in Nicaragua und Todesschwadronen in Honduras unterstützt. Nörgelnde US-Parlamentarier konnte er nur beruhigen, indem er ihnen einige Details seiner Aktivitäten vorenthielt.

Dennoch hat UN-Generalsekretär Kofi Annan Recht, der Negroponte »einen großen Diplomaten« nennt. Ein großer Diplomat lügt nicht. Stattdessen spricht er wie Negroponte: »Tatsächlich könnte einiges von dem, was ich jetzt sage, auf dem Versuch basieren, die Vorfälle zu rekonstruieren, nachdem ich sie mit einigen Individuen lange nach den Ereignissen diskutiert habe.«

Ein Diplomat muss flexibel sein. In Honduras sollte Negroponte rechtsextreme Milizen aufbauen, im Irak soll er bei ihrer Bekämpfung helfen. Seine Größe bewies er durch die Fähigkeit, zur Rechtfertigung seiner Aktivitäten in Honduras Sätze von zeitloser Gültigkeit zu formulieren, die er im Irak nur wiederholen muss.

Essenziell bei jeder US-Intervention ist die Beteuerung: »Wir haben gewiss keine Anstrengung unternommen, um Menschenrechtsverletzungen zu verheimlichen.« Wird man beschuldigt, etwas versäumt zu haben, behauptet man: »In diesem Durcheinander war es nicht möglich, so etwas zu tun.« Und wenn die Intervention nicht so läuft wie geplant, hilft immer noch das Resümee: »Es gab wegen der Handlungen der Vereinigten Staaten weniger Leiden, als es gegeben hätte, wenn wir die Arme verschränkt und nichts getan hätten.«

jörn schulz