Fünf vor Elf

Arbeitskämpfe in Nigerias Ölindustrie von ruben eberlein

»Die Regierung ist auf nahezu all unsere Beschwerden eingegangen und hat eine Menge Fragen geklärt. Wir sind zufrieden.« Doch Brown Ogbeifun, Präsident der Petroleum and Natural Gas Senior Staff Association of Nigeria (Pengassan), konnte sich am Donnerstag vergangener Woche nicht nur über Zugeständnisse hinsichtlich des geplanten Rentengesetzes und der überhasteten Privatisierung der maroden Raffinierien des Landes freuen. Nach mehreren Wochen strategisch eskalierender Streikdrohungen nahm Elf Nigeria, Tochterunternehmen der TotalElfFina, fünf nigerianische Angestellte in hohe Management-Positionen auf und kam so einer Kernforderung der Gewerkschaft nach.

Die sechs Tage zuvor in Reaktion auf den angekündigten Streik eingestellte Produktion, die ungefähr zehn Prozent der gesamten nigerianischen Ölförderung von knapp 2,5 Millionen Barrel pro Tag ausmacht, nahm Elf am Donnerstag vergangener Woche wieder auf. Ein Ende der Arbeitskämpfe ist dennoch nicht abzusehen. Auch anderen Ölkonzernen drohen die Gewerkschaften Pengassan und National Union of Petroleum and Gas Workers of Nigeria (Nupeng) mit Ausständen. Im Juni traten die Beschäftigten von Shell für zwei Tage in einen Warnstreik, um gegen angekündigte Entlassungen zu protestieren, die nach Befürchtungen der Gewerkschaften 30 Prozent der Beschäftigten den Job kosten könnten.

Der Firmenleitung des nigerianischen Ablegers von ExxonMobil stellten die Gewerkschaften am Montag der vergangenen Woche ein dreiwöchiges Ultimatum, die verstärkte Einstellung von ausländischen Arbeitern zu stoppen. Nach ihren Angaben hat sich zwischen 2002 und 2003 die Zahl der nigerianischen Beschäftigten in der Ölindustrie lediglich um zehn Prozent erhöht, während 40 Prozent mehr Ausländer beschäftigt worden seien. Viele von ihnen würden als Subunternehmer arbeiten.

Pengassan und Nupeng verfügen über eine erhebliche Verhandlungsmacht. 90 Prozent der Exporteinkünfte werden mit der Ölförderung erwirtschaftet. Die derzeit hohen Rohölpreise und neue Korruptionsvorwürfe gegen die Branche im Zusammenhang mit dem Bau einer Gasverflüssigungsanlage Mitte der neunziger Jahre dürften die Kompromissbereitschaft der Konzerne beflügeln.

Größere Sorge bereitet der Regierung der Dachverband Nigeria Labour Congress (NLC). Seit der forcierten Privatisierung der nigerianischen Wirtschaft nach dem Beginn der zweiten Amtszeit der Zivilregierung und der Abschaffung der Subventionierung von Kraftstoff im vergangenen Jahr inszenierte der NLC mehrere Generalstreiks. Er ist als einzige Organisation prinzipiell in der Lage, eine breite gesellschaftliche Mobilisierung gegen die wachsende Verelendung im Zuge der Liberalisierung auf die Beine zu bringen, da er auch die Interessen jener großen Mehrheit der Nigerianer vertritt, die sich außerhalb der formellen Wirtschaft durchs Leben schlagen müssen.

Das ist der Regierung ein Dorn im Auge. »Die Aufgabe der Gewerkschaften ist es, an der Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu arbeiten, und nicht, die Regierungslinie zu bekämpfen«, mahnte Präsident Olusegun Obasanjo. Per Gesetz sollen unter anderem die Entscheidungsbefugnisse des Zentralkomitees des NLC beschnitten und Urabstimmungen über Streikaktionen obligatorisch werden. Doch es ist zu bezweifeln, dass sich die Zivilregierung mit der geplanten Fragmentierung der Opposition gegen die soziale Ungleichheit einen Gefallen tut. Vielmehr könnte sie damit ihr eigenes Ende einläuten und einer erneuten offenen Machtübernahme durch das Militär den Weg bereiten.