Radelnde Reklame

Sponsoren der Tour de France

Die Tour de France ist ein gigantisches Werbeereignis. Vor dem Radlerfeld kriecht eine Schlange von 200 Fahrzeugen über den Asphalt, die sich 20 Kilometer hinzieht. 600 Helfer präsentieren 42 Sponsoren, die – großzügig, wie sie sind – elf Millionen Werbegeschenke verteilen lassen. Nach dem Reklametross strampeln sich die wirklichen Protagonisten ins Licht der Öffentlichkeit. Aber sie sollen nicht nur schnell radeln, sondern dabei auch die verschiedensten Firmen in gutem Licht erscheinen lassen. Sponsoren kleiden die Teams in bunte Leibchen. Bonbons, eingepackt in glitzerndes Papier. Die Farbenpracht soll mit Nachdruck auf die Sponsoren hinweisen, was bei dem Gewirr von Blau, Gelb und Rot allerdings deutlich misslingt. Wenn das Peloton an den Zuschauern vorbeibraust, lässt es die Radsportbegeisterten häufig ratlos am Straßenrand zurück.

Was verbirgt sich beispielsweise hinter dem kryptischen Namen AG2R? Es handelt sich um eine französische Versicherung, was man in unseren Breiten nicht unbedingt wissen muss. Als Sponsoren finden sich außerdem Banken wie die Rabobank, Kreditinstitute wie Crédit Agricole und die belgische Lotterie. Eine Verbindung zwischen Sponsor und Sport, vom Geld abgesehen, sucht man vergebens. Außer vielleicht bei T-Mobile. Schließlich fahren die Rennradler mit einem kleinen Knopf im Ohr, der eine direkte Kommunikation mit dem Team ermöglicht, was eine zwingende Voraussetzung ist, um heutzutage im Radsport erfolgreich zu sein. Ob die Firma Phonak ein ähnliches Kalkül leitete, als Radsponsor einzusteigen, bleibt Spekulation. Die Schweizer, die ihre Tourpremiere feiern, stellen Hörgeräte her. Der immerwährende Durst der Fahrer wird im Team Gerolsteiner angeblich mit Mineralwasser gelöscht. In Wirklichkeit sind die Flaschen mit isotonischen Getränken gefüllt, aber das tut der »sinnvollen« Platzierung des Produktes keinen Abbruch.

Die Mannschaft von Saecco wird, so sollte man meinen, von einer Unmenge Espresso angetrieben, die der Kaffeemaschinenhersteller zur Verfügung stellt. Zum Cappuccino gibt es auch Gebäck. Man kann sich gut vorstellen, wie sich französische Bäcker sonntags aufs Rad schwingen und die Brötchen, frisch, warm und duftend, frei Haus liefern. Dass der französische Backwarenhersteller Brioches la Boulangère, ebenfalls Sponsor der Tour, diesen Service tatsächlich anbietet, muss jedoch bezweifelt werden.

Bei Davitamon sind es Vitaminpräparate, die die Fahrer zu Schnelligkeit antreiben. Der zweite Sponsor des Teams, Quick Step, wirbt für Fußbodenbeläge. Und das ist noch lange nicht das Ende des facettenreichen Sponsorentreibens: IT-Dienstleister, Entwickler von Computeranwendungen, Anbieter von Ferienwohnungen oder Saatgut – alle sind sie ohne jeglichen Bezug zum Velo. Wie ein Automobilhersteller (Rover) auf die Idee kommt, sich an die größte Radsportveranstaltung der Welt anzuhängen, wird wohl sein Geheimnis bleiben. Immerhin hat sich der Autofelgenhersteller Alessio dieses Jahr mit dem Fahrradbauer Bianchi zusammengetan und wirkt nicht ganz so deplatziert. Und die US Postal will wieder beweisen, dass sie die schnellsten Fahrer im Feld hat; wenn ihnen da mal nicht der Sponsor des Sprintstars Alessandro Petacchi in die Quere kommt. Fassa Bortolo stellt Zement her.

amir el-ghussein