Den Brunnen im Dorf lassen

Ein NS-Denkmal in Freiburg gilt heute als zeitloses Kunstwerk zu Ehren aller Mütter. von vera stein

Viele Grüße aus Freiburg, wo Nazi-Brunnen wieder aufgestellt und gepflegt werden«, steht auf einer derzeit kursierenden Postkarte, die das Denkmal »Der deutschen Mutter«, übergossen mit brauner Farbe, zeigt. Darunter findet sich ein Rezept »von 1934« für die »Deutsche Mutter in brauner Soße«. Neben einer »arischen und erbgesunden Mutter« gehörten »Rassenlehre, Blut und Boden, Expansionswille, Bevölkerungspolitik, die natürliche Bestimmung der Frau« zu den Zutaten, die »in einem braunen Mutterkult« anzurühren seien.

Am 13. Mai 1946 befahl die alliierte Militärregierung, alle nationalsozialistischen Denkmäler in Deutschland zerstören zu lassen. Doch bis heute gibt es kaum ein Dorf, in dem nicht mit einem Denkmal »unserer Kriegstoten« gedacht wird und auch die »gefallenen Soldaten« des Zweiten Weltkrieges als Helden dargestellt sind.

Der Vorschlag, solche Gedenkstätten zu demontieren, wird selten geäußert. Und wenn, dann wird ein solches Ansinnen irritiert zurückgewiesen: Die Denkmäler seien schon immer da gewesen, sie dienten den Hinterbliebenen zum Trost, und sie gehörten zum historischen Bild der Stadt oder des Dorfes. In der Regel stehen die Denkmäler unbeachtet in den Provinzen und Städten herum und leisten ihren stillen Beitrag dazu, der Bevölkerung deutlich zu machen, dass die Deutschen ja vor allem Opfer gewesen seien.

Im südbadischen Freiburg aber wurde im Jahr 1998 ein Zeugnis der nationalsozialistischen Ideologie abgebaut: der Brunnen »Der deutschen Mutter«. Allerdings war der Grund dafür lediglich der Bau der neuen Bundesstraße 31. Im August 2003 wurde der Brunnen im Freiburger Stadtteil Oberwiehre wieder errichtet.

Als »Mutterbrunnen« oder gar »Mutter-Kind-Brunnen« wurde er vom Bürgerverein des Stadtteils erfreut begrüßt. Kaum jemand kennt die Skulptur unter dem Namen, mit dem sie von dem Bildhauer Hellmuth Hopp und dem Architekten Carl Anton Meckel im Jahr 1933 bei einem städtischen Wettbewerb eingereicht wurde. Dabei braucht man wenig Sachkenntnis, um die Ästhetik des Nationalsozialismus darin zu erkennen: die Übergröße, die typische pseudo-erotische Ausstrahlung von nationalsozialistischen Frauendarstellungen, das antikisierte Gewand, die Idealisierung der Mutterschaft. Doch die Stadt und der Bürgerverein Oberwiehre sind entschlossen, beide Augen fest zuzudrücken und das Denkmal »Der deutschen Mutter« als zeitlose Mutterdarstellung zu ehren, losgelöst von seiner politischen Aussage und dem Zusammenhang mit dem nationalsozialistischen Terror.

Dazu gehört schon einiges an Ignoranz. Zwar ist es richtig, dass es Ansätze eines Mutterkults bereits in der Weimarer Republik gab und er auch 1945 mit dem Ende des Nationalsozialismus nicht spurlos verschwand. Man denke nur an das Müttermanifest der Grünen von 1986, das sich vom feministischen Emanzipationsmodell abgrenzte und sich gegen das »Ghetto der Nichtmütter« und das »Aquarium der Karrierefrauen« wandte.

Das nationalsozialistische Mutterbild aber propagierte die Gebärfreudigkeit für Führer und Volk, »Erbgesundheit« und die »Reinheit der Rasse«. Noch vor der Einweihung des Brunnens am 1. Januar 1934 wurde das »Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses« erlassen, denn nicht jede Frau sollte Mutter werden. Zwangssterilisationen waren die Folge, deren Opfern in Freiburg kein Denkmal gebaut wurde.

Der Muttertag am 16. Mai 1934 wurde in Freiburg und Umgebung in großem Stil begangen. In Schulen, Gemeindezentren und auf öffentlichen Plätzen fanden Feierstunden in nationalsozialistischem Geiste statt. Auch die gleichgeschaltete Freiburger Presse widmete dem Muttertag ihre Aufmerksamkeit. Die Mutter wurde als »Kraftquelle des deutschen Staates« geehrt und die kinderreiche und erbgesunde Familie als Garantin der Zukunft und Unsterblichkeit des deutschen Volkes propagiert. Im Rundfunk beschwor Reichsminister Wilhelm Frick die deutschen Frauen, ihren natürlichen Pflichten der Mutterschaft nachzukommen und den Beruf aufzugeben. Adolf Hitler hatte seine Vorstellung von der Bestimmung der Frau bereits im September 1933 auf einer Tagung der NS-Frauenschaft in Berlin zum Ausdruck gebracht: »Was der Mann an Opfern bringt im Rahmen seines Volkes, bringt die Frau an Opfern für die Erhaltung des Volkes … Jedes Kind, das sie zur Welt bringt, ist eine Schlacht, die sie besteht für das Sein und Nichtsein ihres Volkes.«

In diesem Zusammenhang fand der Zierbrunnen »Der deutschen Mutter« 1934 seinen Platz in der Oberwiehre. Bei der Preisverleihung im Juni 1933 hieß es: »Bei diesem Entwurf ist (...) die künstlerische Gestaltung in ebenbürtiger Weise vereinigt mit einem der Gegenwart sehr nahe liegenden und zusagenden gedanklichen Inhalt.«

Bei der feierlichen Wiedereinweihung des »Mutter-und-Kind-Brunnens« am 8. August 2003 wurde über den »gedanklichen Inhalt« kein Wort verloren. Erst in der Folge kam es zu einer Auseinandersetzung, die sich auch in der Lokalpresse niederschlug. Einige linke StadträtInnen sprachen sich gegen das Denkmal aus. Die meisten DiskutantInnen verstanden das nicht. »Da müsste man ja vieles entfernen«, wendete der Vorsitzende des Bürgervereins, das SPD-Mitglied Thomas Oertel, ein. Die Vorsitzende der CDU, Martina Feierling-Rombach, mahnte: »Man muss doch die Kirche im Dorf und den Brunnen in seinem Stadtteil lassen.«

Nachdem das Denkmal seit dem vergangenen Sommer mehrfach mit Farbe eingedeckt und der Mutterfigur die Nase abgeschlagen wurde, soll die Kritik mit der eingangs erwähnten Postkartenaktion offenbar aufgefrischt werden.