Die SPD wird unsichtbar

Eine Partei neuen Typs von stefan wirner

Bärbel Dieckmann, die sozialdemokratische Oberbürgermeisterin von Bonn, hat pfiffige Ideen. Für ihre Wiederwahl bei den nordrhein-westfälischen Kommunalwahlen am 26. September wirbt sie mit Plakaten, auf denen kein Hinweis auf ihre Partei zu finden ist. Statt des Logos der SPD prangt ein gelbes Herz mit der Aufschrift »Bonn« auf ihren Plakaten. Auch die Kandidaten der SPD in St. Augustin und Bergneustadt werben nach einem Bericht des Spiegel um Wähler, ohne sich als Sozialdemokraten zu erkennen zu geben. Wird die SPD unsichtbar?

Verständlich ist es, dass sich manche Sozialdemokraten derzeit gerne verstecken. Denn das Desaster der Reformpolitik wird offenbar. Während die Kollegen in Ostdeutschland eifrig protestieren, sitzt das SPD-Mitglied alleine zuhause und knirscht mit den Zähnen.

Die parteiinternen Gegner Gerhard Schröders wollen da Abhilfe schaffen und greifen zu klandestinen Mitteln: zum Kettenbrief. Sie verschicken E-Mails, in denen zum Sturz Schröders aufgerufen wird. Man wolle dessen »zerstörerische Offensive« stoppen und die Rücknahme von Hartz IV und der Gesundheitsreform durchsetzen, heißt es in dem Rundbrief.

Auch Oskar Lafontaine macht mit beim Aufstand der anständigen Sozialdemokraten. Wenn Schröder nicht zurücktrete, erwäge er die Unterstützung einer linken Wahlinitiative, sagte er dem Spiegel.

Man kann sich die Parteiführung vorstellen, wie sie im stillen Kämmerlein im Berliner Willy-Brandt-Haus sitzt und sinniert. Selbstverständlich kann sie nicht von der Reformpolitik lassen, die die Unternehmerverbände angeordnet haben. Was tun? Bleibt nur geschickte Rhetorik. Für die ist Generalsekretär Klaus-Uwe Benneter zuständig. Er unterstellte Lafontaine flugs »eitle Selbstgefälligkeit«, den Kritikern der Arbeitsmarktreformen attestierte er »Hysterie«.

Aber was wird aus der SPD, wenn immer mehr Wähler »hysterisch« werden, weil sie um die Sparbücher ihrer Kinder und um ihre Wohnungen fürchten? Vielleicht greift die Parteiführung ja die nordrhein-westfälische Idee auf und zieht im Jahr 2006 ohne ihr Logo auf den Plakaten in den Bundestagswahlkampf. Nur wo nichts draufsteht, ist SPD drin.