Dummheit verjährt nicht
Auf den Plakaten prangte über Schwarzweiß-bildern von Massengräbern, Flüchtlingstrecks und grausam zugerichteten Leichen in schwarzen Lettern: »Polen und Tschechen, herzlich willkommen in der EU! Unsere Justiz arbeitet bereits fleißig, denn Mord verjährt nicht!«
Geklebt wurden diese Plakate, auf denen die Umsiedlung der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg angeprangert und die polnische Bevölkerung grausamer Unrechtstaten bezichtigt wird, Ende Juli von drei deutschen Männern in der polnischen Kleinstadt Boleslawiec, 50 Kilometer hinter der deutsch- polnischen Grenze.
Die polnische Polizei nahm die drei aus Ostsachsen, darunter Jürgen Hösl-Daum, den Stadtratsabgeordneten der rechtsgerichteten Deutschen Sozialen Union (DSU) in Görlitz, fest und beschlagnahmte einen Kleinbus voller Flugblätter und Plakate.
Die Plakataktion ist Teil einer Kampagne »gegen das Vergessen«, die der 26jährige Hösl-Daum mit einem Rundschreiben ins Leben rief. Man wolle »kreuz und quer durch Deutschland, seine völkerrechtswidrig abgetrennten Ostgebiete und im Kernland der Vertreiberstaaten (...) umherfahren und an die deutschen und bis heute ungesühnten und verschwiegenen Opfer erinnern«.
Am 1. Mai diesen Jahres verteilten Hösl-Daum und seine Gefolgsleute bei den Feiern zur Aufnahme Polens und Tschechiens in die EU in Görlitz Flugblätter und klebten Plakate. In seinem Rundschreiben warnte Hösl-Daum auch vor einer »neuen Umsiedlung«, da viele Ostdeutsche nach Westdeutschland zögen und dafür Polen und Tschechen nach »Mitteldeutschland«.
Gleichzeitig grenzte er sich von der Politik Erika Steinbachs, der Vorsitzenden des Bundes der Vertriebenen, ab. Er spricht sich gegen den von ihr geforderten Bau des Zentrums gegen Vertreibungen aus. »Wir brauchen kein Zentrum gegen Vertreibung, in dem Hutus und Tutsis, Bosnier und Polen bemitleidet werden.« Steinbach sei inzwischen ein »Zahnrad der biologischen Lösung des Vertriebenenproblems«.
Der 26jährige Hösl-Daum, der aus Nürnberg stammt und lange Jahre Mitglied der CSU war, ist stellvertretender Bundesvorsitzender der Schlesischen Jugend (SJ), des Jugendverbandes der Landsmannschaft Schlesien, und Geschäftsführer der SJ in Görlitz. Bereits im Mai 2003 war er in Polen vorläufig festgenommen worden, weil er – fleißig, fleißig – mit zwei weiteren Mitgliedern der Schlesischen Jugend 700 Holzkreuze mit der Aufschrift »Niemcy 1945-46« (»Deutsche 1945-46«) an Straßen bei Wroclaw aufgestellt hatte.
Der Görlitzer Oberbürgermeister Rolf Karbaum (parteilos) bedauerte Hösl-Daums Aktion in Polen. »Mich bedrückt, künftig in einem Stadtrat sitzen zu müssen, in dem ein solcher Mann anwesend ist«, sagte er dem Radiosender Faktuell. Bei einem Besuch im polnischen Zgorzelecer sagte Karbaum nach Angaben der Sächsischen Zeitung, er könne aber auch »deutsch-unfreundliche Dinge nennen«, von denen er in den vergangenen Monaten gehört habe.
Die DSU steht hinter Hösl-Daum. Ihr Kreisvorsitzender in der Oberlausitz, Christfried Wiedemuth, sagte dem Radiosender Faktuell, ein Ausschlussverfahren gegen Hösl-Daum stehe vorerst nicht zur Debatte. Hösl habe nichts Illegales getan und im Übrigen nur Recht. Christoph Wylezol, der Vorsitzende der Schlesischen Jugend, sagte, man habe »durch einen Anwalt den Ausschluss Hösls aus der Organisation prüfen« lassen. In der Jungen Freiheit erzählte er jedoch im vorigen Jahr noch freimütig, dass er selbst an der Holzkreuzaktion beteiligt gewesen sei.
In Polen ermittelt nunmehr die Staatsanwaltschaft gegen die Plakatkleber. Im Fall einer Verurteilung drohen den Männern, denen Aufruf zum Rassenhass und Verunglimpfung der polnischen Nation vorgeworfen wird, Geld- oder Haftstrafen von drei Jahren.