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Die Karriere des Hugo Chávez von wolf-dieter vogel

Vom Soldaten zum Putschisten, vom Knacki zum Präsidenten – die Karriere von Hugo Chávez Frías ist ungewöhnlich, aber nicht beispiellos. Linksnationalistische Militärs aus den unteren Bevölkerungsschichten haben in Lateinamerika häufig eine wichtige Rolle in der Politik gespielt. Als Chávez, der Sohn eines Indígena, 1970 in die Militärakademie eintrat, stellten in Peru und Panama sozialreformistische Armeeangehörige die Regierung.

An ihnen orientierte sich Chávez. Anfang der achtziger Jahre scharte er Militärs um sich, gründete die Revolutionäre Bolivarianische Bewegung und suchte Kontakt zu linken Organisationen. Nach dem Vorbild des Unabhängigkeitskämpfers Simón Bolivar sollte die Bevölkerung Lateinamerikas gegen imperialistische Ausbeutung zusammengeschweißt werden. Zehn Jahre später, 1992, scheiterte der damalige Oberst der Fallschirmjäger mit einem Putsch und landete vorübergehend im Gefängnis. Zwei Jahre später suchte er neue Verbündete. Und das mit Erfolg, 1998 siegte Chávez als Kandidat mehrerer Linksparteien in den Präsidentschaftswahlen.

Seither sitzt der Linksnationalist im Regierungspalast Miraflores von Caracas – allerdings mit recht häufig wechselnder Besetzung. Chávez ist dafür bekannt, Minister nach Gutdünken auszutauschen. Viele strategisch wichtige Posten – Geheimdienstler, Botschafter, Minister – besetzte er mit Kollegen aus dem Militär. Ein guter Teil seiner ehemaligen Mitstreiter ist nicht zuletzt wegen seines eigenmächtigen Handelns in der Opposition gelandet. So etwa der heute wirtschaftsliberal ausgerichtete Gründer der Bewegung für den Sozialismus, Teodoro Petkoff, und einige ehemalige Guerilleros.

Der Präsident hat sie alle politisch besiegt, zumindest bislang. Im Jahr 2000 wurde er von 59 Prozent der wählenden Bevölkerung in seinem Amt bestätigt. Nur knapp zwei Tage lang schien seine Macht zu wanken. Im April 2002 versuchte sich die Opposition an einem Putsch, der aber wegen der Gegenreaktion der venezolanischen Armutsbevölkerung und der mangelnden Unterstützung des Militärs scheiterte.

Der Ausgang des Referendums vom vorletzten Wochenende macht Chávez wohl zu einem der am besten legitimierten Staatschefs der Welt. Kaum ein Politiker eines demokratisch verfassten Staates kann nach sechs Jahren Amtszeit auf eine Zustimmung von knapp 60 Prozent der wählenden Bevölkerung bauen.

Auch deshalb beschimpfen ihn seine politischen Gegner auf der internationalen Bühne als einen Populisten. Sie nehmen Chávez übel, dass er mit schaupielerischem Talent vormacht, was jeder von ihnen ganz selbstverständlich tut: seiner Wahlklientel das Blaue vom Himmel zu versprechen. Dass er im Gegensatz zu seinen Kollegen ernsthafte Schritte unternimmt, um wenigstens einige Versprechen zu erfüllen, animiert wiederum seine Fans, dem Mann gleich das Markenzeichen des Revolutionärs an die Brust zu heften.

Das ist zweifellos übertrieben. Chávez selbst lässt jenseits seiner radikalen Attacken auf »die Oligarchie und den Imperialismus« keinen Zweifel daran, dass die grundlegende Umwälzung der Eigentums- und Herrschaftsverhältnisse nicht auf dem Plan steht. Sein selbstherrliches Vorgehen, seine Ein-Mann-Show und seine militärische Geschichte lassen schwerlich einen anderen Schluss zu. Dennoch verschafft Chávez Basisorganisationen mehr Freiräume. Vielleicht nutzen sie diese auch, um sich für Zeiten zu wappnen, in denen sie sich vor ihren derzeitigen Mäzenen schützen müssen.