Das Schweigen der Mullahs

Der Terror und die muslimischen Reaktionen

Die Stellungnahmen fallen allerorten gleich aus. Man ist entsetzt und überrascht von der Gewalt, mit der »Rebellen« im nordossetischen Beslan vorgegangen sind. Oder zumindest wäre man das gerne. Denn ernsthaft überrascht darüber, dass islamistische Terroristen auch vor dem Mord an Schulkindern nicht zurückschrecken, kann nur sein, wer die letzten Jahre im Tiefschlaf verbracht hat.

Keine Woche vor der Geiselnahme sprengten Suicide Bomber der Hamas zwei Busse im israelischen Bersheva in die Luft, im Irak schnitten die Entführer zwölf nepalesischer Gastarbeiter ihren Geiseln die Kehlen durch. Wie die Kinder von Beslan waren sie gänzlich unschuldig zu Opfern geworden und wurden doch zugleich von ihren Mördern bewusst ausgewählt. Die Ansar al-Sunna erklärte zu den Morden im Irak, sie hätte »Allahs Gesetz befolgt und ungläubige Buddhisten getötet, die gekommen sind, um den Christen und Juden zu dienen«.

Wann immer Terroristen im Namen des Islam morden, erklären sie sich postwendend zu Widerstandskämpfern. Der »eigentliche Terror« gehe von anderen aus. Aslan Maschadow, »Präsident der Tschetschenischen Republik«, erklärte kürzlich in einem Interview, die Mittel der »Freiheitskämpfer« seien seiner Meinung nach »nicht als Terror zu bezeichnen«.

Mit dem Massaker in Beslan wollte Maschadow dann doch nichts zu tun haben. Doch wie diese Mittel aussehen, daran lassen weder die Aufrufe islamistischer Organisationen noch die im Internet verbreiteten Bilder irgendeinen Zweifel. Leben, das eigene wie das anderer, ist der islamistischen Bewegung nichts wert, die längst mehr ist als ein isolierbares »Terrornetzwerk« unter dem Namen al-Qaida. »Gegner des Tötens haben keinen Platz im Islam«, wusste bereits der Oberste Richter des Irans, Ayatalloh Kalkali.

Angesichts dieser Gewalt erscheint auch die Rede vom Dialog nur noch als unerschütterliche Ignoranz. Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Claudia Roth, weiß, dass es jetzt darum gehen muss, »die Hand auszustrecken und zu sagen, ja, wir wollen eine Aussöhnung«. Mit wem sie diese Aussöhnung betreiben will, scheint unklarer denn je. Denn erschreckender noch als die unzähligen Aufrufe zur Gewalt, die leider längst auch die Sprache so genannter gemäßigter Islamisten prägen, ist das beredte Schweigen der islamischen Gemeinden nach dem letzten Freitagsgebet.

Angesichts der Tatsache, dass beinahe täglich unschuldige Menschen im Namen des Islam ermordet werden, reicht es längst nicht mehr aus zu erklären, der Islam sei eigentlich eine Religion des Friedens und der Toleranz. Von keinem Ort der Welt wurden Demonstrationen gläubiger Muslime gegen die Tat der Islamisten in Beslan gemeldet, nirgendwo äußerten sich jene besorgten Stimmen, die vor einem Jahr noch im Einsatz von Sprengstoffspürhunden durch die US-Armee im Irak einen Angriff auf die religiösen Gefühle der Muslime erkannten.

Wer aber das grundlegendste Menschenrecht, nämlich das auf Leben, nicht anerkennt und verteidigt, mit dem lassen sich Dialoge nicht führen, sondern allenfalls Verhandlungen. Im Irak haben solche Verhandlungen zur Freilassung zweier entführter französischer Journalisten geführt. In einem Brief an den »Widerstand« hatte Mohammed Bashar al-Faidhy für den sunnitischen Klerus zuvor erklärt, dass es unklug sei, Franzosen zu entführen, da Frankreich gegen die Besatzung sei und der Westen gespalten werden solle. Eine Verurteilung des Massakers an den zwölf Nepalesen dagegen lehnte er ausdrücklich ab.