Frauen auf Kaperfahrt

Das »Abtreibungsschiff« der Organisation Women on waves darf die portugiesische Küste nicht anlaufen. von kerstin eschrich

Vor den leicht geöffneten Lippen der schlanken jungen Frau im knapp sitzenden Bikini prangen auf dem Werbeplakat die Worte: »Eu fis um abort«. »Ich hatte eine Abtreibung« stand auf Hunderten von Stickern, die fleißige Aktivistinnen am vergangenen Freitag in der portugiesischen Hauptstadt Lissabon verklebten. Die Gesellschaft ist in Aufregung, seit das Schiff der niederländischen Organisation Women on waves vor der Küste Portugals liegt. In der Regierungskoalition wird darüber gestritten, ob dem Schiff das Anlegen in einem portugiesischen Hafen doch noch erlaubt werden soll. Und in den Orten, wo Vertreterinnen von Women on waves und Frauenorganisationen sich mit ihrem Anliegen präsentieren, Abtreibungen zu legalisieren, wird leidenschaftlich diskutiert.

Allerdings muss sich die »Borndiep«, zu deren Mannschaft u.a. zwei Gynäkologinnen und eine auf Abtreibungen spezialisierte Hebamme gehören, bislang mindestens zwölf Kilometer vor der Küste aufhalten, also außerhalb des portugiesischen Hoheitsgebiets. Die Regierung schätzte die Gefährdung so hoch ein, dass zwei Kriegsschiffe die Einfahrt in portugiesische Gewässer verhinderten.

Das Schiff hat Portugal Ende August auf Einladung von drei portugiesischen Frauenverbänden angesteuert. Eigentlich war ein sechswöchiger Aufenthalt im Hafen von Figueira da Foz geplant. Dort wollten die Aktivistinnen Kontakte zu Frauen herstellen, Beratung anbieten und über das Recht auf Verhütung aufklären. Abtreibungen sollten an Bord des Schiffes nur außerhalb des portugiesischen Hoheitsgebiets erfolgen, meist mit Hilfe der Abtreibungspille RU 486.

Eine Horrorvorstellung für konservative Regierungspolitiker des erzkatholischen Landes, in dem neben Polen, Irland und Malta die restriktivsten Abtreibungsgesetze in der EU gelten. Politiker behaupteten, Minderjährige ließen in Scharen auf der »Borndiep« Abtreibungen vornehmen. Bei der Organisation Não de Prives (Verzichte nicht), einer der Gruppen, die Women on waves eingeladen haben und die die telefonischen Anfragen betreut, sind bis Freitag 200 Anrufe eingegangen. »90 Frauen wollten abtreiben, die anderen wollten sich nur informieren. Natürlich haben wir auch Anrufe von Minderjährigen erhalten. Aber der Großteil der Anruferinnen ist zwischen 25 und 40 Jahre alt. Die meisten haben schon Kinder und leben in prekären finanziellen Verhältnissen«, erklärt Magda Alves von Não de Prives.

In Portugal können Schwangerschaftsunterbrechungen mit mehreren Jahren Haft bestraft werden. Im Gesetz werden Abbrüche als »Verbrechen gegen das Leben in der Gebärmutter« bezeichnet. Sie sind nur erlaubt, wenn die Schwangere vergewaltigt wurde, das Leben der Mutter gefährdet oder der Fötus nicht überlebensfähig ist. Offiziell werden pro Jahr etwa 500 legale Abtreibungen vorgenommen. Illegale Abbrüche gibt es nach Schätzungen mindestens 30 000. Wer es sich leisten kann, fährt dafür nach Spanien. Wer kein Geld hat, ist auf so genannte Engelmacher angewiesen. Jedes Jahr werden etwa 5 000 Frauen in Kliniken eingewiesen, weil sie sich bei illegalen Eingriffen selbst verletzt haben oder von Helfern verletzt wurden.

Die Regierungskoalition ist sich in der Frage der Abtreibungsgesetzgebung nicht einig. Einige Sozialdemokraten wollen das Abtreibungsrecht liberalisieren und auch dem Schiff das Anlegen erlauben. Aber um den Koalitionsfrieden mit der ultrakonservativen Partido Popular zu wahren, wurde vereinbart, das Thema bis zum Ende der Legislaturperiode 2006 nicht zu behandeln.

Die Women on waves haben bei den portugiesischen Behörden einen Eilantrag zur Annullierung des Anlegeverbots eingereicht, über den in dieser Woche entschieden wird. Sie haben damit gute Chancen. Die Seeblockade ist mit internationalem Seerecht, das Bewegungsfreiheit garantiert, nicht vereinbar. Selbst in Irland und Polen konnte das Schiff problemlos anlegen.