Kleine Unterschiede

Hartz IV, bedrohte autonome Frauenhäuser und Rassismus sind die Hauptthemen auf den Feministischen Widerstandstagen. von joel vogel

Der Protest gegen den derzeit stattfindenden Sozialabbau ist zwar allgegenwärtig, doch ein Aspekt findet bisher in der öffentlichen Wahrnehmung kaum Beachtung: die Auswirkungen der neuen Regelungen für Frauen. Das sollen die vom 9. bis 12. September in Berlin stattfindenden Feministischen Widerstandstage ändern. »Gegen Gewalt gegen Frauen, Rassismus und Sozialabbau« wendet sich das Treffen. Im Fokus der Organisatorinnen steht dabei die politische und gesellschaftliche Dimension von Gewalt gegen Frauen, Lesben und Transgenders.

Entstanden ist die Idee im Rahmen überregionaler Treffen der Autonomen Frauenhäuser sowie verschiedener Gruppierungen der FrauenLesben- und Transgenderbewegung. Neben der Beschäftigung mit den Folgen der Sozialpolitik spielt die Kritik an den rassistischen gesellschaftlichen Verhältnissen eine große Rolle. Ausdrücklich bezeichnen die Organisatorinnen die Grenzcamps der vergangenen Jahre als einen Vorläufer der jetzigen Widerstandstage. Allerdings sei der Wunsch entstanden, sich dieses Themas aus feministischer Perspektive anzunehmen, in einem Raum frei von Debatten über Sexismus, wie Heidi* vom Autonomen Frauenhaus Kassel erzählt. So ist der Schwerpunkt Antirassismus im Programm kaum zu übersehen, nicht zuletzt wegen der von Donnerstag bis Sonntag zu besichtigenden Ausstellung zu Migration und illegalisierten Frauen.

Die überregionale Vorbereitungsgruppe wählte Berlin als Austragungsort der Widerstandstage, um am zentralen Ort der Entscheidungen ihren Protest kundzutun, sich gegen eine Politik der Ausgrenzung und Entrechtung auszusprechen, deren Auswirkungen in der ganzen Republik zu spüren sind. Dazu gehört die aktuelle Bedrohung von Autonomen Frauenhäusern. In Hamburg beispielsweise soll trotz ständiger Überbelegung ein erstes Frauenhaus zum 1. Januar 2005 geschlossen werden. Zudem kämpfen die bestehenden Einrichtungen gegen die Auflagen des Hamburger Senats, keine Frauen mit ungesichertem Aufenthaltsstatus – wie etwa einer Duldung – aufzunehmen und den Behörden die Daten der Schutz suchenden Frauen zur Verfügung zu stellen.

Die Kritik der Organisatorinnen umfasst neben den umfangreichen Kürzungen für Beratungs- und Betreuungsangebote auch die strukturellen Verschlechterungen für Frauen durch den »Umbau« des Sozial- und Gesundheitssystems. So lässt die Hartz-IV-Gesetzgebung deutliche Tendenzen eines patriarchalen Rollbacks erkennen, der nicht nur von Gewalt bedrohte Frauen wieder stärker in die Abhängigkeit des »Haushaltsvorstands« zwingt. Die so genannte Vertretungsregel, welche die Geldvergabe entlang einer ökonomisch definierten Hierarchie innerhalb einer »Bedarfsgemeinschaft« bestimmt, »ist als massives Mittel struktureller Gewalt anzusehen«, formuliert die Informationsstelle Autonomer Frauenhäuser in einem Positionspapier. Daneben stellen die Aufenthaltsbeschränkungen durch die kommunalen Zuständigkeiten und die Mitwirkungspflicht der AntragstellerInnen für das Arbeitslosengeld II eine Verschlechterung der Situation insbesondere der Frauen dar, die z.B. durch einen Ortswechsel der Misshandlung durch den Partner zu entfliehen versuchen.

Die Beschäftigung mit den Anforderungen an eine feministische Politik heute und den Möglichkeiten einer Zusammenarbeit von Frauen-, Lesben- und Transgendergruppen ist erklärtes Ziel der Feministischen Widerstandstage. Trotz inhaltlicher Differenzen, die sich während der Vorbereitung auftaten, hoffen die Organisatorinnen auf eine konstruktive und solidarische Zusammenarbeit, allerdings nicht ohne einzelne Positionen innerhalb der Bewegung kritisch zu reflektieren. »Feministische Politik mit inhaltlichen Unterschieden« nennt Heidi das.

* Name von der Redaktion geändert. Mehr Infos: www.feministischewiderstandstage.de